Inhalt
Der zehnjährige Michi lebt seit dem Tod seiner Mutter in einem Kinderheim. Seinen Vater hat der Junge nie kennen gelernt. Eines Tages aber entdeckt er in den Hinterlassenschaften seiner Mutter einen Brief, der scheinbar von seinem Vater stammt. Mit der Aussicht, endlich seinen Vater ausfindig zu machen, geht für den Jungen ein Lebenstraum in Erfüllung. Michi hat ihn sich immer als starken, heldenhaften Kerl vorgestellt. Umso größer ist der Schock, als sein Vater namens Tom sich als eher unscheinbar und vor allem als kleinwüchsig herausstellt. Damit nicht genug, erfahren auch die anderen Kinder im Heim davon – und Michi wird zum Opfer von Spott und Hohn. Der Junge kann mit der Situation nur sehr schlecht umgehen und die Belastung droht die Beziehung zu seinem Vater zu zerstören, noch bevor sie richtig begonnen hat.
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Seit er denken kann, hat sich Michi nach einer Familie gesehnt und nach einem starken Vater, der ihn beschützt. Und ihn nun, da er ohne Angehörige trotz des jungen, aufgeschlossenen Erziehers Chris („Y-Titty“-Youtube-Star Phil Laude) und seiner nicht minder sympathischen, verständnisvollen Kollegin Astrid ein recht freudloses Heimdasein unter in ihrer Eifersucht oft grausamen Kindern fristet, auch zu sich nimmt. Auf eigene Faust begibt er sich auf die Suche nach besagtem Tom und findet ihn, nach einem Tipp der Nachbarin, beim Rudern. Doch Michi rennt schockiert davon, ohne sich zu erkennen zu geben: Tom ist keiner der athletischen Muskelpakete, die nacheinander aus dem Boot steigen, sondern der kleinwüchsige Steuermann!
Allerdings hat er zuvor in Toms Briefkasten seinen Namen und die Adresse des Heims hinterlassen und auch der ist nicht wenig überrascht, plötzlich Vater geworden zu sein. Tom ahnt, was auf ihn zukommt, als er das Grundstück des Kinderheims betritt: Er wird sogleich zum Gespött der älteren Bewohner. Aber so schlimm hat er sich das nicht vorgestellt: Michi schämt sich für seinen nur 1,30 Meter großen Vater und verleugnet ihn.
Als Michi weiter gehänselt wird, reißt er aus, wird aber mitten in der Nacht von Polizisten aufgegriffen. Er lässt sich zu Tom bringen, der ihn trotz allem freundlich aufnimmt. Als am nächsten Morgen Frau Gonsalves vom Jugendamt vorbeikommt, besteht Michi sogar darauf, bei seinem Vater zu bleiben. Dabei ist er auf ihn so wütend wie auf sich selbst, lässt an Tom seinen ganzen Frust aus – und der wiederum den seinen an seiner Rudercrew. Während er zum störrischen Michi richtige Vatergefühle entwickelt und bereit ist, Verantwortung zu übernehmen. Irgendwann aber läuft jedes Fass einmal über...
Michi hat mit Katja eine selbstbewusste Skaterin kennengelernt, die sogleich ahnt, dass Tom nicht der Hausmeister ist, als den Michi ihn ausgibt. Ihr sind die Vorurteile ihrer sogenannten Freundinnen völlig egal. So gibt sie Michi, der längst begriffen hat, wie sehr er seinen Vater beleidigt hat, ein Beispiel an Zivilcourage. Zu dritt sind sie ein unschlagbares Team, was auch die Ruderer um Toms besten Freund Konstantin als positive Energie zu spüren bekommen: Plötzlich läuft alles wie geschmiert auf dem Wasser und zu Lande.
Michi bekommt ein eigenes Zimmer, darf sogar einmal Toms Auto, eine auf seine Größe abgestimmte Spezialanfertigung, lenken. Doch dann blockieren die Mühlen der Bürokratie die Familienzusammenführung: ein Vaterschaftstest ergibt, dass Tom nicht Michis leiblicher Vater ist. Doch die Sozialarbeiterin Gonsalves ist gar nicht so stur, wie es auf den ersten Blick scheint: Michi darf selbst entscheiden, ob für ihn Tom sein Vater bleibt...
„Auf Augenhöhe“ ist der erste Langfilm der beiden „Konrad Wolf“-Absolventen Evi Goldbrunner und Joachim Dollhopf. Dem aus Bayern stammenden Babelsberger Duo, das zu den Gründern des Landshuter Kurzfilmfestivals gehört und nebenbei eine Stoffentwicklungs-Software vertreibt, ist ein anrührender, aber nicht zu Tränen rührender Film gelungen, bei dem kein Geringerer als Jürgen Jürges hinter der Kamera stand, der u.a. Arbeiten von Rainer Werner Fassbinder, Wim Wenders und Michael Haneke zu Welterfolgen verholfen hat.
So kommt die Botschaft des Films, Toleranz, Offenheit und Empathie für Menschen, die anders, aber deshalb nicht gleich behindert sind, auf leisen Pfoten daher: Der kanadische „Brügge sehen … und sterben“-Star Jordan Prentice sorgt mit seinen jungen Ensemblekollegen für humorvolle Szenen am laufenden Band, lässt aber – wohl auch aus eigener Erfahrung – in die Abgründe des Schicksals kleinwüchsiger Menschen blicken, die noch im letzten Jahrhundert als „Liliputaner“ wie im Zirkus auf Jahrmärkten ausgestellt worden sind. So ist die Sehnsucht nach Anerkennung wie nach Zugehörigkeit, nach Familie bei beiden Protagonisten Michi und Tom gleich groß. „Auf Augenhöhe“ ist in erster Linie für Sechs- bis Vierzehnjährige entstanden, findet aber hoffentlich auch bei den Erwachsenen sein Publikum.
Pitt Herrmann