Die 1980er Jahre
Einmal mehr bestätigte die Medienforschung zu Beginn dieses Jahrzehnts, dass das Kino fast nur noch junge Besucher anzog: Achtzig Prozent des Publikums gehörten der Altersgruppe zwischen zwölf und dreißig Jahren an. Diese Zielgruppe wollte Hollywood-Spektakel sehen, und zwar aktuelle. 1980 sank der Marktanteil der deutschen Filme unter zehn Prozent, was zwar für die 1980er Jahre selbst die Ausnahme blieb, sich aber in den 1990ern wiederholen sollte.
Neue Geschäftspolitik
Die Blockbuster-Strategie der US-amerikanischen Verleihfirmen ging auf: Aufwändige Werbekampagnen für wenige Filme weckten die Neugierde des Publikums, das zunehmend darauf vertrauen konnte, den Film sogleich auch zu sehen zu bekommen. In kartellrechtlichen Auseinandersetzungen hatten die Nachspieler gemeinsam mit den Verleihern ihre Statusänderung in Erstaufführungstheater durchgesetzt, was zwar ihre Konkurrenzfähigkeit erhöhte, jedoch schließlich zur Verödung der Spielpläne führte: Die Zahl der Startkopien stieg beharrlich, von etwa 100 noch in den 1970er Jahren bis zum Massenstart mit 600 Kopien in den 1990ern. Zur selben Zeit steigerten die US-amerikanischen Verleihfirmen ihren Anteil am Verleihumsatz von 52, 9 Prozent zu Beginn der 1980er Jahre auf 65,7 Prozent am Ende des Jahrzehnts.War es zuvor jahrzehntelang üblich gewesen, ganze Staffeln eines Verleihs zu mieten, die neben Spitzenfilmen auch solche mit eher schwachen Geschäftsaussichten enthielten, wollten und konnten sich die Theaterbesitzer diese Politik nun immer weniger leisten. Dabei hatte in der Vergangenheit mancher Film seinen Durchbruch einer geduldigen und sorgfältigen Auswertung verdankt, die ihn zum kassenträchtigen "Langläufer" machte. Seit den 1980er Jahren jedoch mussten Filme zusehends rascher, möglichst in den ersten Wochen, Gewinn bringen, um auf dem Spielplan bleiben zu können. Auch die meisten Programmkinos veränderten und reduzierten ihr Angebot Mitte des Jahrzehnts drastisch: Sie spielten weniger Filmklassiker, setzten auf risikolosere Filme, die in den anderen Häusern keinen Platz mehr fanden.
Internationale "Spitzenfilme" und Deutsche Hits
Nachdem für einige Jahre – von 1977 bis 1980 – die Besucherzahlen gestiegen waren (von 124, 2 auf 143,8 Millionen), sanken sie danach jedoch wieder kontinuierlich und erreichten mit 101,6 Millionen am Ende des Jahrzehnts einen neuen Tiefstand. Dabei entschieden nicht mehr Vielfalt oder Breite des Angebots über die Gesamtzahl, sondern die "Spitzenfilme": Nur 6,5 Prozent aller angebotenen Filme zogen 57,1 Prozent der Kinogänger an. "E.T. - Der Außerirdische" und "Rambo" (beide 1982), "Der Terminator" (1984), "Aliens – Die Rückkehr" (1986) und "Batman" (1989) hießen große Hits der 1980er, die sich dezidiert an ein jugendliches Publikum wandten. Eine andere Zielgruppe wurde vom epischen Melodrama "Jenseits von Afrika" (1985) angesprochen und bescherte dem Film weltweite Erfolge. Auch die deutsche Filmindustrie setzte erstmals seit Jahren wieder auf Großprojekte: "Das Boot" (1981) und "Die unendliche Geschichte" (1984) erwiesen sich als Kassenerfolge im In- und Ausland. Aber auch weniger kostenintensive deutsche Produktionen fanden erstmals wieder ein breites Publikum – zumal im Komödienfach: Loriots Kinodebüt "Ödipussi" (1988) wurde zum Schlager, drei Jahre zuvor füllte "Otto – Der Film" die Kassen. Ebenfalls 1985 initiierte Doris Dörries "Männer" die neue deutsche Beziehungskomödie, die später auch durch Namen wie Sönke Wortmann und Katja von Garnier geprägt werden sollte.
Videoversorgung
Die Zahl der ortsfesten Filmtheater hatte sich zunächst bis 1983 erhöht, bevor sie von da an wieder zurückging auf zuletzt 3.216 Kinos mit nur noch 610.000 Sitzplätzen, zu denen noch zwanzig Autokinos und 25 Wanderfilmbetriebe hinzu kamen. Einer der Gründe für den Substanzverlust war der Erfolg des neuen Konkurrenzmediums: der Siegeszug der Video-Technologie. Am Ende des Jahrzehnts verfügte bereits fast die Hälfte aller bundesdeutschen Haushalte über einen Videorecorder, Videotheken boomten nicht nur in den Großstädten, sondern in nahezu jeder Gemeinde. Kleine Kinos, die sich auf Porno- und Actionfilme spezialisiert hatten, sahen sich nun vermehrt zum Aufgeben gezwungen.
Vorahnung
1987 eröffnete auf dem Gelände von Universal in Hollywood der größte Kinokomplex der Welt mit 5.940 Plätzen, ein Jahr später folgte das Cineplex im kanadischen Toronto, das mit seinen 18 Sälen in einem Einkaufszentrum ein neues Freizeiterlebnis versprach. Brüssel zog ein Jahr später nach und bot mit dem "Kinepolis" (27 Leinwände, 7000 Plätze) den Branchenmix der Zukunft. Nur Kinoketten wie United Cinemas International (UCI) – von Paramount Communications, MCA Inc. und United Artists gegründet – brachten bis dahin die immensen Investitionen für diese Veränderung der Kinolandschaft auf. Und die Ausgaben lohnten sich, da die US-Produktions- und Verleihfirmen nunmehr an der ökonomischen Schlussverwertung ihrer Produkte mitverdienten. Das blieb nicht unbemerkt: Mittelständische Kinobetreiber, die in den Vorjahren durch Neu- und Umbauten die technische Ausstattung, und das Ambiente ihrer Häuser verbessert hatten, aber auch solche, die es beim alten Schachtelkino belassen hatten, sahen nun eine neue Konkurrenz auf sich zukommen. Der Branche standen einschneidende und für viele existenzbedrohende Strukturveränderungen bevor.
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Dieser Artikel basiert auf den Texten von Claudia Dillmann und Thomas Möller zur Kinogeschichte des Hauptverbandes Deutscher Filmtheater e. V. (HDF) "50 Jahre Kino in Deutschland"