Das Scheitern von Tri-Ergon
21. Dezember: Es ist alles aus – die ganze Arbeit war vergeblich. Ich muß dies noch kurz notieren, ehe ich mich todmüde schlafen lege. Ich kam gerade rechtzeitig in den Mozartsaal. Der Kulturfilm war zu Ende, – unser Film wurde in den besonderen Projektor eingelegt. Die einleitende Musik erklingt laut und sauber aus den Lautsprechern. Der Ton war gut, obwohl, vielleicht in der Hoffnung, uns zu schaden, das lebendige Orchester sich vorher bei der Begleitung des Kulturfilms besonders ins Zeug gelegt hatte. Das Bild blendet auf – das Mädchen in der Ecke der Straße, in dem Getriebe der Wagen und des Verkehrs -, lauter Applaus bei dem Geräusch der Straße, dem Hin und Her der Fußgänger, dem Gehupe der Autos.
Deutlich klingt der Ruf des Mädchen: "Kauft Schwefelhölzchen!" über der Menge – die Zuschauer brechen in lauten Beifall aus. Dann der Weihnachtsmarkt, auf dem Weihnachtsmann in der mächtigen Gestalt des alten Diegelmann, das Mädchen, die junge zwölfjährige Else von Möllendorf, herumführt. Die Ausrufe, die Leierkästen und Drehorgeln ergeben mit der musikalischen Untermalung des Orchesters einen seltsamen, berückenden Klang. Auch diese Szene geht vorüber. Da, als die Wanderung des Kindes über die Schneefelder hin zur Krippe der Maria beginnt, höre ich plötzlich ein merkwürdiges Fauchen in den Lautsprechern, das rasch zunimmt. Ich renne hinauf in die Vorführkabine. Seeger hat soeben nach der ersten Rolle die anschließende nebenan im zweiten Apparat anlaufen lassen. Er ruft mir zu: "Es muß hier etwas nicht in Ordnung sein!" Der Ton wird leiser und leiser – das Publikum unruhiger und unruhiger. Ich schreie Seeger zu: "Ton mehr aufdrehen – verstärken!" Seeger geht mit dem Potentiometer bis zur letzten Grenze – die Statophone geben statt Musik nur noch ein brüllendes Geräusch von sich. Seeger ruft entsetzt: "Die Akkus sacken ab – es muß sich an ihnen jemand zu schaffen gemacht haben!" Und ein kräftiger Fluch folgt! Nun wird es entsetzlich: Unser wundervoller Schlußchor geht in dem Zischen und Geknatter der Lautsprecher unter – das Publikum beginnt mitzuspielen – es ertönen Zwischenrufe: "Schluß!" – und in einem Gemisch von Gelächter und Protestrufen endet die Vorführung!
Auzug aus: Tagebucheintrag von Guido Bagier vom 21.12.1925
aus: "'Ton mehr aufdrehen – verstärken!' Guido Bagier über die Tri-Ergon-Abteilung der Ufa", in: Hans-Michael Bock/ Michael Töteberg (Hg.) Das Ufa-Buch, Frankfurt/Main, 1992