Michael Klier
Michael Klier wurde am 16. Januar 1943 in Karlsbad (heute: Karlovy Vary, Tschechien) geboren. 1947 flüchtete die Familie nach Ostdeutschland in die Sowjetische Besatzungszone, von dort 1961 in die Bundesrepublik. Nach einer Ausbildung zum Theatermaler lebte Klier für mehrere Jahre in Paris. Dort drehte er 1963 seinen ersten Kurzfilm: die cinephile Liebesgeschichte "Probeaufnahmen", mit Jürgen Jürges als Kameramann und Rolf Zacher in einer Nebenrolle. Durch diesen Film wurde François Truffaut auf Klier aufmerksam und lud ihn zu einer Hospitanz bei den Dreharbeiten von "La peau douce" ("Die süße Haut", FR 1964) ein. Mit diesen Erfahrungen kehrte Klier 1965 nach Deutschland zurück und drehte vier Kurzfilme für eine Sendereihe des SFB: "Ferrari", "Das Abitur", "Projekt Katz und Maus" und "Yeah Yeah". Daneben schrieb er die Drehbücher zu Robert van Ackerens Kurzfilmen "Wham" (1965) und "19. September" (1965, auch Schnitt). 1969 begann Klier in Berlin ein Studium der Philosophie und Geschichte. Seine filmischen Tätigkeiten wurden seltener. 1978 spielte er drei Hauptrollen in Harun Farockis "Zwischen zwei Kriegen", einer experimentellen Reflexion über Industriegeschichte und Nazizeit.
Erst Anfang der achtziger Jahre wendete Michael Klier sich endgültig dem Filmemachen zu. Er drehte TV-Porträts über "Godards Kameramänner" (1980) und über Regisseure wie Joseph Losey, Roberto Rossellini, Wim Wenders und Francois Truffaut sowie die essayistische Dokumentation "Der Riese" (1983) zum Thema Videoüberwachung. Die meisten seiner Arbeiten entstanden für das ZDF-Format "Das kleine Fernsehspiel". So auch der mit Laiendarstellern realisierte, semidokumentarische Spielfilm "En Passant" (1984), über drei Berliner Jugendliche und ihre Affinität zu Musik, Computern und Videos. Mit diesem Film wurde Klier ins Forum der Berlinale 1985 eingeladen.
Ebenfalls als Produktion des "kleinen Fernsehspiels" entstand "Überall ist es besser, wo wir nicht sind" (1989), über einen jungen Polen, der auf seinem Weg nach Amerika 1988 in West-Berlin hängen bleibt. Der Film wurde beim Hessischen Filmpreis und beim Preis der deutschen Filmkritik als Bester Spielfilm ausgezeichnet. Auch "Ostkreuz" (1991, TV), über eine 15-Jährige (Laura Tonke), die mit ihrer Mutter aus der DDR flüchtete und in West-Berlin neu anfangen will, wurde mehrfach preisgekrönt. Beim Filmfest München erhielt Klier den Förderpreis Deutscher Film in der Kategorie Regie; beim Locarno Film Festival gewann er den FIPRESCI-Preis. Auch beim Bayerischen Filmpreis 1992 wurde Klier für die Beste Regie ausgezeichnet; außerdem gewann er für "Ostkreuz" einen Grimme-Preis mit Bronze. Danach drehte Klier den Dokumentarfilm "Out of America" (1995), über vier schwarze GIs, die nach dem Abzug der Alliierten aus familiären Gründen in Deutschland blieben.
Mit dem Kinofilm "Heidi M." (2001) schloss Klier seine Berlin-Trilogie ab: Im Mittelpunkt der Geschichte steht eine 50-jährige, einsame Kioskbetreiberin aus Ost-Berlin, die die Chance auf einen privaten Neubeginn bekommt. Der Film erhielt sehr positive Kritiken und war für den Grimme-Preis nominiert. Hauptdarstellerin Katrin Saß wurde für ihre Leistung mit dem Deutschen Filmpreis und mit dem Preis der deutschen Filmkritik geehrt. Ein Kritikererfolg war auch "Farland" (2004), über eine junge Frau (Laura Tonke), die im Krankenhaus am Bett ihrer Schwester wacht, und sich in einen in ähnlicher Situation befindlichen Mann (Richy Müller) verliebt.
Zusammen mit Karin Åström schrieb Klier das Drehbuch zu Dominik Grafs viel gelobtem DDR-Drama "Der Rote Kakadu" (2006). Danach inszenierte er die Tragikomödie "Alter und Schönheit" (2008), über drei Männer über 50 (Henry Hübchen, Armin Rohde, Burghart Klaußner), die den letzten Wunsch eines todkranken Freundes (Peter Lohmeyer) erfüllen wollen.
In den nächsten Jahren wurde Kliers filmisches Schaffen seltener. Zwischen 2011 und 2013 realisierte er unter dem Titel "Dresden 1-2-3" drei in Dresden spielende Kurzfilme: Die Beziehungsgeschichte "Kurztrip" mit Felix Klare und Nicolette Krebitz; "Hung", über einen vietnamesischen Kriegsveteran, der trotz Rassismus einen Imbiss in Dresden eröffnen möchte; und den autobiografischen "Filmtagebuch", über Geschichten zur Elbe und zum Kino in Dresden.
Neben seiner Arbeit als Filmemacher war Klier auch als Regiedozent an den Filmhochschulen von Berlin (DFFB), München (HFF) und Babelsberg (HFF Konrad Wolf) tätig. Erst 2019 kam wieder ein abendfüllender Spielfilm von ihm in die Kinos: "Idioten der Familie" handelt von vier Geschwistern, deren jüngste, geistig behinderte Schwester fortan in einem Heim leben soll.
Beim Filmfest Hamburg stellte Klier im Oktober 2023 seinen nächsten Kinofilm vor: "Zwischen uns der Fluss", über die sich entwickelnde Beziehung zwischen einer militanten Umweltaktivistin, die Sozialdienst leisten muss, und einer Asiatin, die Opfer eines rassistischen Angriffs wurde. Der Kinostart erfolgte im April 2024.