Idioten der Familie

Deutschland 2016-2018 Spielfilm

Inhalt

Die Künstlerin Heli ist 40 Jahre alt, und will ein neues Leben beginnen. In den letzten Jahren hat sie sich vor allem um ihre 26-jährige Schwester Ginnie gekümmert – denn diese ist geistig behindert, was man ihr auf den ersten Blick jedoch nicht anmerkt. Die drei Brüder der Schwestern, Bruno (30), Tommie (32) und Frederik (42), waren in all den Jahren viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um Heli zu unterstützen. Nun aber braucht sie mehr Zeit für sich und ihre persönlichen Bedürfnisse. Deshalb soll Ginnie in einem Heim untergebracht werden. Die Brüder sind einverstanden, aber vorher wollen sie Ginnie noch einmal besuchen. So treffen die fünf Geschwister in einem idyllischen Häuschen am Rande Berlins aufeinander – doch das Familientreffen verläuft anders, als gedacht, denn Ginnie erweist sich als launenhaftes "Biest", das alle mächtig auf Trab hält. In dem zusehends chaotisch-aufreibenden Durcheinander kommen sich die entfremdeten Geschwister jedoch auf überraschende Weise wieder näher.

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Heinz17herne
Heinz17herne
Heli will mit 40 ein neues Leben beginnen – endlich. Ein eigenes, selbstbestimmtes vor allem. Denn die Künstlerin hat sich die letzten Jahre vor allem um ihre kleine Schwester Ginnie gekümmert, die geistig behindert ist. Jetzt soll die 26-Jährige in ein Heim kommen, was ihre drei egozentrischen Brüder Tommie, Bruno und Frederik vernünftig finden. Sie waren Heli zwar nie eine Hilfe, kommen jetzt aber noch einmal zu Besuch, um im idyllischen Elternhaus am Rande Berlins noch einmal Zeit mit beiden Schwestern zu verbringen, bevor Ginnie ins Heim gebracht wird.

Deren geistige Behinderung ist ihr nicht anzusehen, und auf den ersten Blick schon gar nicht: Ginnie gießt Blumen in sorgsam gepflegten Hochbeeten im ansonsten arg verwilderten Garten, als der Besuch eintrifft. Dem sie sich zunächst im Unterholz versteckt entzieht, zumal sie gerade keine Lust auf Spaghetti hat, die Heli auftischt. Der stets mit einem lustigen Strohhut herumlaufende Jazz-Saxophonist und nicht wirklich erfolgreiche Bandmusiker Tommie, mit 30 Jahren der jüngste, lustigste und am meisten chaotische Bruder, steht Ginnie offenbar nicht nur altersmäßig am nächsten und holt sie an den Küchentisch.

Hausmusik stand auf der Tagesordnung, als die Eltern noch lebten. Die Geschwister sind scheinbar in einer intakten bürgerlichen, sich zum Christentum bekennenden Familie groß geworden. Sie haben viele Freiheiten genossen – und nehmen sie sich immer noch heraus. So auch der 32-jährige klugscheißende Gutmensch Bruno, der vor drei Jahren das Inselglück auf La Gomera einem lukrativen Job vorzog und der demnächst als Entwicklungshelfer nach Afrika gehen will, um in Mali Lehrer auszubilden. Nur der 42-jährige Klarinettist und Pianist Frederik ist, dem Vater nacheifernd, als klassischer Konzertmusiker geerdet, er kann dem notorisch finanziell klammen Tommie eventuell einen Job an der Komischen Oper in der Neuproduktion des Bernstein-Musicals „West Side Story“ besorgen.

Das Bruder-Trio erlebt das nur „Engelchen“ genannte Nesthäkchen der Familie als unberechenbares „Biest“ - und kommt sich in dem Durcheinander aus Kindheitserinnerungen und neu erlebter Gegenwart näher als erwartet. Was auch damit zu tun hat, dass nun Wahrheiten zu Tage gefördert werden, die stark am Bild der heilen Bürgerlichkeit kratzen. So wollte die Mutter Bruno ursprünglich abtreiben und sah Ginnies Behinderung als Strafe Gottes für ihre Untreue an. Und das Inselglück auf Gomera entpuppt sich als Aufenthalt in der Psychiatrie. Schließlich: Was wird aus dem Elternhaus, wenn Ginnie ins Heim kommt? Heli hat die letzten acht Jahre auf Sparflamme gelebt, will hier 'raus. Die Malerin träumt von sexuellen Abenteuern, die sich die nymphomanische Ginnie ganz selbstverständlich gönnt – und sei es im ungemütlichen Pferdeanhänger. Tommie bietet sich an, ins Elternhaus zu ziehen und sich um Ginnie zu kümmern, was Heli für keine gute Idee hält, weil sie ihm nicht genug Stressresistenz zutraut. Schließlich wird noch ein letztes Gruppenfoto geschossen, bevor Ginnie ins Heim abgeholt wird...

„Für eine solch vordergründig moralische Geschichte“, so Regisseur Michael Klier, „ist es besonders wichtig emotionale Grenzen zu überschreiten – und das ‚Idiotische‘ im Normalen und das Normale im ‚Idiotischen‘ aufzuzeigen. Im Kern geht es bei der Geschichte um die Frage nach Solidarität mit den Schwachen in einer überindividualisierten Gesellschaft.“ Uraufgeführt am 1. Juli 2018 auf dem Filmfest München, ist der innerhalb der ambitionierten Reihe „Leuchtstoff“ von RBB und Medienboard Berlin-Brandenburg entstandene Film erstmals am 18. November 2020 auf Arte im Free-TV zu sehen.

Das trotz toller Besetzung auch nervige Befindlichkeits-Kammerspiel um die „Opferung“ der behinderten Ginnie durch ihre vier Geschwister spannt einen Bogen, der über das Familiendrama hinausweist. Der 76-jährige Regisseur hat sich einem autobiographischen Stoff gewidmet: In einer vielköpfigen Familie aufgewachsen lebt eine geistig behinderte Schwester seit zehn Jahren im Heim. Kliers Blick geht aber darüber hinaus: „Erzählerisch ging es mir aber nicht nur um ein großes moralisches Dilemma, sondern um den destruktiven Egoismus und die lähmende Bequemlichkeit moderner westlicher Menschen.“

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Regie-Assistenz

Kamera

Standfotos

Production Design

Innenrequisite

Kostüme

Schnitt-Assistenz

Ton-Design

Ton-Assistenz

Geräusche

Ton Sonstiges

Casting

Produktionsfirma

Produzent

Produktionsleitung

Produktions-Koordination

Dreharbeiten

    • Berlin, Kleinmachnow
Länge:
102 min
Format:
DCP, 1:1,85
Bild/Ton:
Farbe, Ton
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 04.04.2019, 183684, ab 12 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (DE): 01.07.2018, München, Filmfest;
Kinostart (DE): 12.09.2019

Titel

  • Originaltitel (DE) Idioten der Familie
  • Weiterer Titel Family Idiots

Fassungen

Original

Länge:
102 min
Format:
DCP, 1:1,85
Bild/Ton:
Farbe, Ton
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 04.04.2019, 183684, ab 12 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (DE): 01.07.2018, München, Filmfest;
Kinostart (DE): 12.09.2019