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Alle Fotos (8)Biografie
Hans Detlef Sierck wurde am 26. April 1897 in Hamburg-Eimsbüttel geboren. Der Vater, ein Volksschullehrer und späterer Schuldirektor, förderte das Interesse seines Sohns an Kunst und Kultur bereits in jungen Jahren, während die Großmutter mütterlicherseits den Jungen häufig ins Kino mitnahm. Sierck legte das Abitur ab und wurde gegen Ende des Ersten Weltkriegs als Seekadett zur Marine eingezogen. Nach seiner Rückkehr studierte er ab 1918 zunächst Jura in München und Freiburg; dieses Fach gab er jedoch bald auf und begann ein Studium der Philosophie, erst in Jena, dann in Hamburg, wo Ernst Cassirer zu seinen Lehrern gehörte. Parallel dazu beschäftige Sierck sich mit Kunstgeschichte (vor allem in den Seminaren Erwin Panofskys) und arbeitete als Redakteur bei der Neuen Hamburger Zeitung.
Durch die Vermittlung Richard Dehmels erhielt Sierck zur Spielzeit 1920/21 eine Stelle als Hilfsdramaturg am Deutschen Schauspielhaus Hamburg; nach einem Jahr wurde er zum Dramaturgen befördert. Daneben übersetzte er Sonette von William Shakespeare. 1923 führte er am Schauspielhaus erstmals Regie. Da Sierck in Hamburg keine Stücke des von ihm verehrten Shakespeare inszenieren durfte, wechselte er zur Spielzeit 1922/23 ans Kleine Theater Chemnitz. Aufgrund finanzieller Probleme bildeten dort die Schauspieler mit den übrigen Beschäftigten ein Kollektiv, dessen Direktor Sierck war. Daneben wirkte er als Gastregisseur am Bremer Schauspielhaus.
Als das Chemnitzer Theater trotz aller Bemühungen 1923 schließen musste, ging Sierck ans Bremer Schauspielhaus. Dort fungierte er bis 1929 als Oberspielleiter. Während dieser Zeit war er mit der Schauspielerin Lydia Brincken verheiratet (von 1924 bis 1928); 1925 kam der Sohn Klaus Detlef zur Welt. Im Herbst 1929 wurde Sierck zum Intendanten des Alten Theaters Leipzig ernannt, wo er eine Reihe erfolgreicher Aufführungen verantwortete. Nach der Machübernahme der Nazis wurde die Premiere seiner Inszenierung von Kurt Weills und Georg Kaisers antinazistischem Stück "Der Silbersee" verschoben; schließlich fand sie am 19. Februar 1933 gleichzeitig in Leipzig, Erfurt und Magdeburg statt. In Magdeburg kam es zu Störungen durch Schlägertrupps der SA. Kurt Weill verließ wenig später das Land.
Sierck behielt zwar seinen Posten, arbeitet ab 1934 aber verstärkt beim Film: Von der Ufa, der es wegen der Flucht zahlreicher Filmschaffender an Talenten fehlte, bekam er eine Stelle als Regisseur. Siercks Ex-Frau Lydia Brincken trat derweil der NSDAP bei und konnte ihn aufgrund seiner neuen Ehe mit der jüdischen Bühnenschauspielerin Hilde Jary legal davon abhalten, den gemeinsamen Sohn zu sehen. Dieser avancierte zu einem der führenden Kinderdarsteller in Nazi-Deutschland, etwa in "Die Saat geht auf" (1935), "Streit um den Knaben Jo" (1937), "Kadetten" (1939) und "Kopf hoch, Johannes!" (1941). Er starb im Mai 1944, mit 19 Jahren, an der Ostfront in der Ukraine, als Soldat der Infanterie-Division "Großdeutschland".
Trotz seiner Ehe mit Hilde Jary, die ihre Karriere in Nazi-Deutschland aufgab, durfte Detlef Sierck mit einer Sondergenehmigung Filme drehen. Er inszenierte drei Kurzfilme, gefolgt von seinem ersten Spielfilm, "April, April" (1935), von dem auch eine niederländische Fassung entstand. Nach zwei norddeutschen Stoffen – "Das Mädchen vom Moorhof" (1935) nach Selma Lagerlöf und "Stützen der Gesellschaft" (1935) nach Henrik Ibsen – war "Schlußakkord" (1936), ein Melodram um Familie, Ehe und Elternschaft, sein erster großer Erfolg; die Hauptrollen spielten Lil Dagover und Willy Birgel. Anschließend realisiert er "Das Hofkonzert" (1936), eine amüsante Filmoperette mit der Sängerin Marta Eggerth und Johannes Heesters in den Hauptrollen. Mit den exotischen Melodramen "Zu neuen Ufern" und "La Habanera" machte Sierck 1937 die schwedische Schauspielerin und Sängerin Zarah Leander zum Star.
Allerdings wurde der Druck des Nazi-Regimes immer größer, nicht nur für Sierck wegen seiner "linken" politischen Vergangenheit, sondern vor allem auch für seine Frau. Am Alten Theater Leipzig hatte man ihn bereits Ende 1935 durch das NSDAP-Mitglied Hans Schüler ersetzt, damit er sich (so die offizielle Begründung) "seinem künstlerischen Schaffen widmen" kann.
Ende 1937 kehrte Sierck von einer Rom-Reise nicht nach Deutschland zurück und ging mit seiner Frau ins Exil. Über die Niederlande zogen die beiden zunächst nach Frankreich. Er fungierte bei "Accord final" (1938), einer schweizerisch-französischen Produktion, als künstlerischer Oberleiter. Die niederländische Produktion "Boefje" (1939), nach einem Drehbuch von Carl Zuckmayer, feierte im Wettbewerb von Cannes Premiere. Danach siedelten Sierck und Jary in die USA über. Dort änderte er seinen Namen in Douglas Sirk.
Die Eheleute betrieben in Südkalifornien zunächst eine Hühnerfarm, dann eine Luzernen-Farm. Später nannte Sirk diese frühen Jahre in den USA die vielleicht glücklichste Zeit seines Lebens. Ende 1942 engagierte der ebenfalls emigrierte Produzent Seymour Nebenzahl ihn als Regisseur eines Anti-Nazi-Dramas über das Attentat auf Reinhard Heydrich und das Massaker im tschechischen Dorf Lidice im Juni 1942. Der Film kam 1943 als "Hitler’s Madman" in die Kinos – Sierck bzw. Sirk war zurück im Filmgeschäft.
Die Clique der anderen deutschsprachigen Hollywood-Exilanten – mit Franz Erfel, Fritz Lang, Ernst Lubitsch und Max Reinhardt im Zentrum – mied er jedoch. Was Sirk störte, war deren "Bosheit" gegen Amerika; in einem Interview mit der US-Zeitschrift Film Comment erzählte er 1978: "Ständig darüber zu sprechen, wie unkultiviert, wie unbelesen, wie schrecklich und hässlich Amerika sei – sie sahen nichts, überhaupt nichts! 'Oh, aber niemand hier kennt Dante', sagten sie. Ich kann Ihnen sagen, dass dies oft von Leuten kam, die Dante selbst nie gelesen hatten. Nein, nein, bald blieb ich weg. Ich musste wegbleiben – von ihrer Bosheit." (Allerdings ergänzte er ohne Bitterkeit: "Doch wissen Sie was: sie lebten davon! [lachend] Sie entwickelten sich absolut prächtig. Wahrscheinlich hat es sie alle gerettet.")
Sirk drehte einige unabhängig produzierte B-Filme, von Krimis wie "A Scandal in Paris" ("Ein eleganter Gauner", 1946) bis zu musikalischen Komödien wie "Slightly French" ("Leicht französisch", 1949). Ab 1951 war er vorwiegend für Universal Pictures tätig. Auch hier drehte er stilvolle Beiträge zu unterschiedlichsten Genres, von Abenteuerfilmen über Komödien bis zu Musicals.
Ab 1953 arbeitete er bei Universal meist mit dem Produzenten Ross Hunter zusammen. Unter dessen Ägide konnte er sich bei "Magnificent Obsession" ("Die wunderbare Macht") als Könner des Melodrams beweisen. Im Jahr darauf markierte "All That Heaven Allows" ("Was der Himmel erlaubt") den Beginn einer Reihe meisterlicher Melodramen, meist mit Rock Hudson in der Hauptrolle: "Written on the Wind" ("In den Wind geschrieben", 1956), "Interlude" ("Der letzte Akkord", 1956), "The Tarnished Angels" ("Duell in den Wolken", 1957), "A Time to Love and a Time to Die" ("Zeit zu leben und Zeit zu sterben", 1958) und "Imitation of Life" ("Solange es Menschen gibt", 1958), der sein finanziell erfolgreichster und zugleich sein letzter Film war.
Denn trotz seiner Erfolge kehrte Sirk nach "Imitation of Life" dem Filmgeschäft den Rücken. Er verließ die USA und zog mit Jary ins schweizerische Lugano. Bis Ende der 1960er Jahre führte er gelegentlich bei Theaterstücken in Deutschland Regie, vor allem am Hamburger Thalia-Theater und am Münchener Residenztheater. Filmangebote lehnte er ab.
Sirk drohte in Vergessenheit zu geraten – bis er Ende der 1960er Jahre von den Kritikern der legendären französischen Zeitschrift Cahiers du cinéma (allen voran Jean-Luc Godard und François Truffaut) als "Auteur" wiederentdeckt wurde. Die einflussreichen Franzosen rühmten vor allem die ästhetische Finesse, die thematische Stringenz und die emotionale Tiefe seiner späten Melodramen. Jon Hallidays Interview-Buch "Sirk on Sirk" zogt 1971 eine Reihe von Retrospektiven nach sich und führte zur endgültigen, internationalen Anerkennung Sirks. Heute gilt er als einer der bedeutendsten Filmemacher des Hollywoods der 1950er Jahre.
Von 1974 bis 1978 unterrichtete Sirk als Gastdozent an der Hochschule für Fernsehen und Film in München, wo Rainer Werner Fassbinder einen seiner Kurse besuchte. Er wurde zu einem großen Bewunderer des Altmeisters und nannte ihn zeitlebens als größtes Vorbild. 1983 besuchte der Filmemacher Daniel Schmid das Ehepaar Sirk und Jary, um ein Porträt für das Schweizer Fernsehen zu drehen (Titel: "Mirage de la vie"). Für sein Lebenswerk erhielt Douglas Sirk 1978 den Deutschen Filmpreis und 1986 den Bayerischen Filmpreis.
Sirk starb am 14. Januar 1987 im Alter von 89 Jahren in Lugano. Hilde Jary, die nie wieder als Schauspielerin gearbeitet hatte, überlebte ihn fast auf den Tag genau um zwei Jahre.