Alles auf Zucker!

Deutschland 2004/2005 Spielfilm

Alles auf Zucker!

Henry Hübchen und Hannelore Elsner im neuen Film von Dani Levy




Anke Sterneborg, epd Film, Nr. 01, Januar 2004

Was für ein Name! Jackie Zucker. Da kann man sich mit den Buchstaben auch den Lebensstil förmlich auf der Zunge zergehen lassen. Die großen Gesten eines Zockers, der immer ein bisschen windig daherkommt. Bei dem sich die Attitüde des Lebenskünstlers mit der Aura eines Losers vermischt. Der es mehr schlecht als recht schafft, sich selbst aus den unglücklichsten Situationen herauszuwinden. Davon gibt es gleich am Anfang dieses Films eine Menge. Da ist ein wütender Muskelprotz, der sich nicht so einfach über den Billardtisch ziehen lassen will. Eine Ehefrau, die genug hat und ihm die Koffer vor die Füße stellt. Da sind zwei erwachsene Kinder, die auch nicht so viel von ihm halten, und dann stirbt auch noch seine Mutter, und während er das alles erzählt, liegt er im Koma auf einer Krankenhaustrage. Wenn Jakob, genannt Jackie, am Anfang dazu ansetzt, sein Leben, oder besser die letzte Woche davon, Revue passieren zu lassen, dann tut er das in gewisser Weise schon aus dem Jenseits heraus, so wie einst William Holden in Wilders "Sunset Boulevard" oder Kevin Spacey in Sam Mendes" "American Beauty". Dabei weht der Duft der großen amerikanischen Filme eher beiläufig an diesem deutschen vorbei, und auch wenn sich Dani Levy alsbald der deutschen Geschichte annimmt, der Folgen des Holocausts, der Nachwehen der Wende, dann streift er sie ganz lässig en passant, statt sie explizit zu thematisieren. "Zucker" kommt so entspannt und leicht daher wie kein anderer Film des Regisseurs. Dabei hilft Levy der jüdische Mutterwitz, den er hier entfaltet, ebenso wie die Präsenz einer illustren Riege von Schauspielern, von Henry Hübchen, der in der Titelrolle auch seine eigene, nicht immer ganz leichte Wendegeschichte durchscheinen lässt, über Hannelore Elsner, die selten so erdig daherkam wie hier als resolut charmante Ehefrau und Mutter bis zu Udo Samel als Zuckers nach dem Fall der Mauer im Westen verbliebener, orthodox jüdischer Bruder. Ein wenig hat die entspannte Gelassenheit wohl auch damit zu tun, dass dieser Film ursprünglich fürs Fernsehen produziert wurde, ohne den Druck des großen Geldes flink gedreht, mit zwei Kameras in 23 Drehtagen. Erst als die erste Prime-Time-Fernsehproduktion von X-Filme beim Testpublikum großen Erfolg hatte, fiel die Entscheidung für eine Kinoauswertung.

Wie durch viele andere Familien verlief die Mauer auch mitten durch diese. Während Jakob im Osten blieb, den jüdischen Glauben vernachlässigte und als Sportreporter Ruhm erlangte, floh seine Mutter mit seinem erstgeborenen Bruder in den Westen, wo sie in streng jüdischer Tradition lebten. Nun hat die Mutter im Testament verfügt, dass sich die beiden verfeindeten Zweige der Familie versöhnen müssen, wenn sie das erkleckliche Erbe antreten wollen. Für die Ost-Zuckers bedeutet das vor allem, dass sie binnen eines einzigen Tages, der bis zur Beerdigung in Berlin Weißensee bleibt, im Schnellkursus den Schein einer jüdischen Familie erwecken müssen, was nur mit allerlei Improvisation zu schaffen ist. Ein wenig erinnert die emsige Hektik, in der hier aus dem Nichts eine Welt erschaffen wird, an ein anderes Produkt aus dem Hause X-Filme, an Wolfgang Beckers "Good Bye, Lenin!". Levys Film jedenfalls setzt in all seinem hektischen Treiben bisweilen eine wahre Screwball-Dynamik frei, und wenn die Tochter beginnt, ihrem schwierigen Vater bei seiner betrügerischen Inszenierung unter die Arme zu greifen, stellen sich auch die menschlichen und allzu menschlichen Gefühle ein.

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