Betrogen bis zum jüngsten Tag

DDR 1956/1957 Spielfilm

Betrogen bis zum jüngsten Tag


Winfried Junge, Forum, Berlin/DDR, 1. März-Ausgabe 1957


Ob dieser Film ein Publikumserfolg ist, wird sich zeigen; daß es ein guter Film ist, steht fest. Er ist schon deshalb gut, weil er versucht, sein Anliegen nicht auf die übliche Weise an den Mann zu bringen. Eben darum das Fragezeichen am Anfang.

Titel und Thema lassen aufhorchen: Die DEFA stellt einen Film über den deutschen Landser vor und gibt von vornherein kund, daß man es hierbei wohl kaum mit einem Kasernenhofschwank zu tun haben dürfte. Die Sorte produziert man zur Genüge jenseits der Grenze, wo man höheren Orts der Meinung ist, daß zwölf Jahre "danach" ruhig über den Barras alten Stils gelacht werden sollte; es rutscht sich dann viel eleganter in den neuen hinein.

"Betrogen bis zum jüngsten Tag" will bewußt bereits vernarbte Wunden aufbrechen, nicht um erneut den großen Schmerz zu provozieren, sondern nur, um letzte, sich hartnäckig haltende Krankheitsherde zu entfernen. Einer von ihnen nährt beispielsweise nach wie vor den Mythus von einer gewissen Art "Frontkameradschaft", jenen Mythos, den westdeutsche ""Urlaub auf Ehrenwort"-Schmarren" so augenfällig pflegen. Sie möchten denen, die eine Schuld drückt, Absolution erteilen, indem sie argumentieren: Du tatest es nicht zum eigenen Nutzen, du tatest es, um deinem Kameraden zu helfen. Alle sind wir schuldig, darum ist keiner schuldig. "Betrogen bis zum jüngsten Tag" entlarvt diese Kameradschaftsauffassung als Drückebergerei vor dem eigenen Gewissen, als feige Flucht vor der persönlichen Verantwortung; er setzt ein treffenderes Wort dafür: Mittäterschaft – Hehlerschaft! Reingewaschen wird also niemand, aber dafür wird etwas weit Wertvolleres vermittelt: Selbsterkenntnis – Erkenntnis der Zusammenhänge. Es offenbart sich, daß diese Haltung erwünscht war; auf sie stützte sich die imperialistische Kriegsmaschine. Das sollte erkannt werden, sonst bleibt der Mann des Volkes "betrogen bis zum jüngsten Tag".

Der Film entstand nach Franz Fühmanns Novelle "Kameraden". Man muß nicht Dramaturg sein, um zu verstehen, warum die DEFA daran nicht vorübergehen konnte. Echte Filmstorys sind selten; dies ist eine (…).

Wie verfuhren nun Kurt Bortfeldt als Drehbuchautor, Kurt Jung-Alsen als Regisseur und Walter Fehdmer als Kameramann? Von der Erkenntnis ausgehend, daß der Handlung von sich aus eine starke Dynamik innewohnt, so daß es unnötig wird, sie durch besondere filmische Effekte zu stützen, wählten sie einen äußerst sachlichen, dokumentarischen Stil, der recht schmucklos anmutet. Deutlichstes Zeichen dafür: Die Musik fehlt gänzlich; lediglich ein Marschlied liegt unter dem Vorspann. Stumm blendet der Film ab. (…)

Wenn man diesem Film streckenweise fehlende Intensität nachsagt, so deshalb, weil die schauspielerischen Leistungen nicht tragen, ein in der Tat ernst zu nehmender Minuspunkt auch für den Regisseur. (…)

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