Fremder Freund

Deutschland 2003 Spielfilm

Al-Qaida am Küchentisch

Das weltpolitische Drama und sein Echo im privaten Mikrokosmos: Regisseur Elmar Fischer zeichnet das Porträt einer Jungsfreundschaft, in dem sich still, aber unaufhaltsam die kollektive Verunsicherung nach den Terroranschlägen des 11. September ausbreitet. Er erzählt vom deutschen Studenten Chris (Antonio Wannek) und dem im Jemen geborenen Verfahrenstechniker Yunes (Navid Akhavan), die einander ihre geheimsten Sehnsüchte preisgeben. Der Küchentisch ihrer WG bildet eine Art emotionales Zentrum, an dem die Beiden ihre Wunden lecken oder über Frauen fachsimpeln. Doch kurz vor dem September 2001 taucht Yunes ab. Vorher hat Chris sonderbare Veränderungen an seinem Freund festgestellt; hätte er sie als Zeichen einer fatalen Radikalisierung deuten müssen? Die DV-Kamera registriert – in der Rückschau – die zärtliche Vertrautheit der jungen Männer ebenso wie ihre schleichende Entfremdung.

In "Fremder Freund" wird keine Terrorismus-Ursachenforschung betrieben, stattdessen liefert der Film eine Exemplifizierung der These, dass religiöser Fundamentalismus kein Phänomen entlegener Regionen ist. Exotismus und Dämonisierung haben in dem Kammerspiel keinen Platz. So dokumentiert Yunes’ zwischenzeitlich wuchernder Vollbart weniger seine Distanz zum alten Umfeld als vielmehr seine Unberechenbarkeit. Einmal faselt er von einem Haufen Jungfrauen, die im Himmel auf ihn warten. Da kann selbst Kumpel Chris, der eigentlich über eine fröhlich wuchernde Phantasie verfügt, nur irritiert reagieren. Der Film hält keine Karthasis bereit. Denn das Unvorstellbare erwächst hier aus dem allzu Vertrauten. Als Setting wurde passenderweise die biedere Mietskaserne eines Berliner Randbezirks gewählt, die so ähnlich aussieht wie jene in der Marienstraße in Hamburg-Harburg, in der Mohammed Atta die Anschläge des 11. September vorbereitet haben soll.

Quelle: Christian Buß, Birgit Glombitza (Red.): "Deutschland, revisited". (Katalog zur gleichnamigen Retrospektive im Kommunalen Kino Metropolis Mai - Juli 2004). Hamburg: Kinemathek Hamburg e.V., 2004

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