Inhalt
1937 in Leipzig als Kind jüdischer Eltern geboren, flüchtet die ehemalige Telefonistin Anita G. in den sechziger Jahren aus der "DDR" in den Westen. Sie bekommt eine Stelle als Krankenschwester. Nachdem sie nach einem Diebstahl mit einer Bewährungsstrafe davonkommt, zieht Anita in eine andere Stadt. Als Vertreterin einer Plattenfirma fälscht sie Auftragsformulare, lebt über ihre Verhältnisse, wird die Geliebte ihres Chefs. Seiner Ehefrau zuliebe lässt er sie jedoch eines Tages fallen, zeigt sie an. Unschuldig des Diebstahls bezichtigt, verliert Anita auch ihren nächsten Job als Zimmermädchen. Schließlich wird sie die Geliebte eines gebildeten Ministerialrats. Als sie von ihm schwanger wird, wendet auch er sich ab. Schließlich stellt Anita G. sich der Polizei.
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Wichtiger erscheint daher die formale, die filmhistorische Bedeutung. 1966 begannen heimische Filmemacher im Zusammenhang mit dem „Oberhausener Manifest“, sich von den unsäglichen deutschen Produktionen der Marke „Opas Kino“ zu lösen. Sozialkritische Filme entstanden, die auch formal alles Bisherige, häufig nur eine Fortsetzung der alten UFA-Ästhetik, über Bord warfen.
„Abschied von Gestern“ ist ein Mittelding zwischen Dokumentar- und Spielfilm ohne durchgängige schlüssige Dramaturgie. In kurzen, teilweise hart geschnitten Sequenzen, gibt Alexander Kluge ein Zeitbild der Adenauer-Ära, das seinerzeit vielfach als Zerrbild angesehen wurde. Heute sehen wir die restaurative Wirtschaftswunder-Ära mit anderen Augen.
Inmitten der hochgradigen Besetzung erscheint Alexandra Kluge wie ein Wesen von einem fremden Stern, das zwar mit weit aufgerissenen Augen durch die neue Welt des prosperierenden Westdeutschlands geht, aber ohne Verhältnis zu ökonomischen Notwendigkeiten. Dieser naive Blick einer „Außerirdischen“ mag erhellend gewesen sein anno 1966, hat jedoch erst mit der deutschen Wiedervereinigung an ungeahnter Aktualität gewonnen.
Die politisch-ideologische und nicht zuletzt religiöse Grundierung der Biographie Anitas bleibt vage. Sodass kritische Fragen die Folge sind: Warum sollte eine junge Frau, auch wenn sie einer unter der Nazi-Diktatur verfolgten Familie, deren Mitglieder größtenteils umgebracht worden sind, angehört, sich über das Gesetz stellen und über alle gesellschaftlichen Vereinbarungen hinwegsetzen können? Auch wenn sie, unausgesprochen, traumatische Erlebnisse gehabt hat und diese nicht verarbeiten kann? In der „Zeitlos“-Filmreihe kam „Abschied von Gestern“ am 19. Oktober 2023 wieder bundesweit in zahlreiche Arthouse-Kinos.
Pitt Herrmann