Frau im Mond
Holz + Sand = Mond
Paul J. Bloch, Berliner Börsen-Courier, Nr. 69, 10.2.1929
(...) Zweitausend Quadratmeter Holz bilden das untere Gerüst für die Hügel und Berge dieses Mondes. Vierzig Waggons Seesand, vor der großen Halle, um einen hellen Farbton zu erhalten, noch besonders geröstet, ersetzen Gebirge und Täler der anderen Welt. Und in diesem Gelände weißschimmernder Erde ragt zwölf Meter eine Patrone empor, schwarz und weiß, ein Riesengeschoß mit kleinen Lukfenstern, mit hermetisch sich verschließender Tür: Das Raumluftschiff, das, wie die Manuskriptverfasser es wollen, von Raketenkraft geschleudert zum Monde sich emporbewegte und landete, der erste Vorstoß in eine neue Welt.
Eine seltsame Welt. Sie ist nicht fern von aller Theorie erbaut, man fand Wissenschaftler, die solche Mondfahrt, die Atmosphäre und Lebensmöglichkeit auf der unserem Gestirn abgewandten Mondseite vermuten, die zur Seite standen mit ihrem Rat beim Bau dieser unheimlich grotesken Welt.
In vielen Ateliers dreht man die Einzelszenen, die Landschaften des Mondes. Das riesenhafte Mondtal, auf dem das Raumschiff landet, ist nur ein winziger Ausschnitt aus der Oberfläche des anderen Sterns, dessen unendliche Weite perspektivisch verkürzt ein besonderer Kameramann aufnimmt. Auf einer großen eclipsischen Trommel haben in wochenlanger Arbeit Künstler nach Photographievorbildern aus Gips ein Modell gezeichnet, mit allen Erhebungen und Vertiefungen, allen Flächen und Spitzen, wie sie die Sternwartaufnahmen zeigen. In knapper Entfernung von dieser Trommel steht der Operateur. Die Scheinwerfer leuchten auf, er beginnt die Kurbel zu drehen, langsam, immer schneller setzt sich die Modelltrommel in Bewegung, in Sekunden erfaßt das Filmband die mannigfaltigsten Bilder der der rollenden Eclipse–, es wirkt, wenn wir es später sehen, wie wenn man mit unermeßlicher Geschwindigkeit immer neue Landschaften überflöge, immer neue Länder und Welten im Fluge erblickte. (...)
Es dauert sehr lange, bis die Szene das richtige Licht hat, bis keine Schatten von den Menschen und Dingen geworfen werden, der Sandstaub sich legt und der Kamera klare Sicht bietet. Dann werden den Spielern die letzten Anweisungen gegeben, das Regiebuch noch einmal durchblättert, die Kleidung noch einmal geprüft. An die Plätze! Der Regisseur steht neben dem Kameramann: "Ich drehe", sagt er leise, man hört das Surren des ablaufenden Filmstreifens, man hört den lauten Ruf: Jetzt! Vorn stürzt die blonde Frau (es ist Gerda Maurus) den Sandhügel hinab, erblickt hinter dem Raumschiff plötzlich den Feind (Fritz Rasp), sie schlägt einen Haken, rennt zur Strickleiter und klimmt sie empor. Sie verheddert sich – die Szene ist umsonst gedreht.
"Halt!" Die Lampen blenden ab, die Sandbearbeitung beginnt wieder, Fritz Lang hebt ein Plakat: "Schlecht!" Es ist das alte Lied, von dem keiner etwas weiß, der später den Film sieht, der Kampf gegen die Indisposition des Augenblickes, gegen die Widerwärtigkeiten und Tücken des Objekts: hier war es die Strickleiter, sonst ist es ein Scheinwerfer, der plötzlich versagt, ein Stein, über den man stolpert, ein Gedanke, der einen durchfuhr, der aber falsch war. Verlorene Zeit, verlorenes Geld, verlorene Nerven. Die Szene muß noch einmal gedreht werden. (...)