Fotogalerie
Alle Fotos (3)Biografie
Hans Helmut Prinzler – Filmhistoriker und Publizist
Hans Helmut Prinzler wurde am 23. September 1938 in Berlin geboren. Sein Vater war der Journalist Hans Prinzler, der im Jahr der Geburt seines Sohnes das Buch "Film ehe wir ihn sehen" publizierte, eine populäre Darstellung von Geschichte und Technik der Filmproduktion. Ab 1952 wuchs Prinzler in Oberndorf am Neckar auf. Nach dem Abitur 1958 nahm er ein Studium der Publizistik, Theaterwissenschaft und Germanistik in München auf, 1960 wechselte er an das Institut für Publizistik der Freien Universität Berlin, wo er bei Fritz Eberhard studierte und ab 1965 als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig war. Eine geplante Dissertation wurde nie fertiggestellt.
1958 bis 1961 absolvierte er neben dem Studium ein Volontariat beim Schwarzwälder Boten in Oberndorf, berichtete aus München und Berlin über Film, Fernsehen und kulturelle Themen. Nach der durch personelle und politische Querelen ausgelösten Umstrukturierung der Leitung der 1966 gegründeten Deutschen Film- und Fernsehakademie (dffb) Berlin übernahm Prinzler 1969 die Position des Studienleiters. Neben der organisatorischen Arbeit beschäftigte er sich auch praktisch mit dem Filmmachen, so im Rahmen der "Gruppe Wochenschau", zu der u.a. die Dokumentarfilmer Klaus Wildenhahn, Gisela Tuchtenhagen und Thomas Mitscherlich gehörten.
Für die wichtigen Monografien der "Reihe Film", die ab 1974 im Carl Hanser Verlag erschien, erarbeitete Prinzler eine Anzahl von Bio- und Filmografien, die mit ihrer Präzision und klaren Präsentation der Informationen Maßstäbe setzten.
Nach zehn Jahren wechselte Prinzler 1979 zur im selben Haus wie die dffb residierenden und in Personalunion von Heinz Rathsack geleiteten Stiftung Deutsche Kinemathek (SDK). Als Referent für Veranstaltungen und Publikationen intensivierte er die Auswertung der Sammlungen der Kinemathek und die Vermittlung filmhistorischer Kenntnisse durch Bücher und Retrospektiven.
Gemeinsam mit dem Journalisten Hans Günther Pflaum veröffentlichte er mit "Film in der Bundesrepublik" ein kleines Handbuch über Filmszene und Regisseure, das – u.a. durch das Goethe-Institut in mehreren, auch fremdsprachigen Ausgaben vertrieben – Basisinformationen vor allem zum Neuen Deutschen Film lieferte.
In der von seiner Frau Antje Goldau und Norbert Grob herausgegebenen Reihe "Edition Filme" betreute Prinzler (mit anderen) einige Bände zu Steven Spielberg, Fred Zinneman, Wolfgang Staudte und Helmut Käutner. Mit Heide Breitel u.a. war er an einer 1980/81 für das ZDF produzierten Reihe von Filmen "Zwischen den Bildern" beteiligt, die verschiedene Aspekte einer Geschichte der Filmmontage vermittelte.
Ab 1980 war Prinzler auch für die alljährlichen Retrospektiven verantwortlich, die die SDK im Rahmen der Berliner Filmfestspiele zeigten. Auch hier konnte er mit seinen Programmierungen und Begleitbüchern wichtige Anstöße zu einer faktenorientierten Auseinandersetzung mit der deutschen und internationalen Filmgeschichte geben. So erinnerten Reihen zu Billy Wilder (1980), Ernst Lubitsch (1984) sowie zu sechs Schauspielern, die 1933 ins Exil gehen mussten (1983), an Filmemacher, deren Werke durch die Nazizeit und deren Folgen zum Teil verdrängt und vergessen wurden. Retrospektiven zu Themen wie "Farbe" stießen eine Diskussion zu technisch-ästhetischen Aspekten der filmhistorischen Forschung an. Die letzten in dieser Phase von Prinzler betreuten Retrospektiven reflektierten die Bedeutung der politisch zentralen Jahre 1939 und 1945 für die internationale Filmgeschichte.
Als Heinz Rathsack im Dezember 1989 überraschend starb, wurde Prinzler im Juni 1990 sein Nachfolger als Vorstand der Stiftung Deutsche Kinemathek und damit zugleich Vorsitzender des Koordinierungsrats des Kinematheksverbunds, in dem zunächst drei, inzwischen acht wichtige deutsche Filminstitutionen ihre Arbeit abstimmen. Gemeinsam mit dem amerikanischen Filmhistoriker Eric Rentschler stellte Prinzler (parallel in den USA und der BRD) eine Anthologie mit Selbstzeugnissen von Filmemachern des Jungen Deutschen Films zusammen: "Augenzeugen"; (1988; Neuausgabe 2001 unter dem Titel "Der alte Film war tot").
Bereits Ende der 1970er Jahre hatte Prinzler gemeinsam mit Hans-Michael Bock das Grundkonzept für ein bio-filmografisches Loseblattlexikon erarbeitet, das seit 1984 unter dem Titel "CineGraph — Lexikon zum deutschsprachigen Film" in der Edition text + kritik erscheint.
Auch in den 1990er Jahren und darüber hinaus war Prinzler an einigen wichtigen Publikationen zum deutschen Film beteiligt, so an der gemeinsam mit Wolfgang Jacobsen und Anton Kaes 1993 herausgegebenen "Geschichte des deutschen Films". Aus dem Anhang dieses Buchs entwickelte Prinzler sein Lieblingswerk, die "Chronik des deutschen Films", die 1995 ebenfalls im Metzler-Verlag erschien und seit Februar 2005 auch online auf filmportal.de verfügbar ist.
Im Rahmen des Kinematheksverbunds koordinierte Prinzler die Aktivitäten zum Centenar des Kinos im Jahre 1995, darunter eine für die Kanonisierung des deutschen Films einflussreiche Umfrage zu den "100 wichtigsten deutschen Filmen". Im selben Jahr organisierte die SDK im Berliner Gropiusbau eine aufwendige Ausstellung zum Film, zugleich eine Art Probelauf für das Projekt, das Prinzlers Tätigkeit während der 1990er Jahre überwiegend bestimmte: die Realisierung eines bereits von Rathsack (unter ganz anderen politischen Verhältnissen) angestoßenen Plans eines Filmmuseums unter dem Dach eines Filmhauses am Potsdamer Platz, in dem verschiedene filmbezogene Institutionen wie dffb und Programmkino Arsenal eine Heimstatt finden sollten.
Im Jahr 2000 eröffnete im Sony-Center am Potsdamer Platz das "Filmmuseum Berlin" das von der SDK auf Basis ihrer umfangreichen Sammlungen konzipiert und eingerichtet worden ist. Allein in den folgenden fünf Jahren zeigte das "Filmmuseum Berlin – Deutsche Kinemathek" (so der neue Name der Institution) unter Prinzlers Leitung neben der Dauerausstellung 28 Sonderausstellungen.
Ausgelöst durch den Wechsel in der Intendanz der Berlinale übernahm Prinzler 2003 wieder die Verantwortung für die Retrospektive. Nach einer prächtigen Präsentation des Werks von Friedrich Wilhelm Murnau wendete sie sich internationaleren und populäreren Themen zu: "New Hollywood" (2004) und – auf besonderen Wunsch Prinzlers – "Traumfrauen. Stars im Film der fünfziger Jahre" (2006).
Für seinen "unermüdlichen Einsatz für das filmische Erbe" ehrte ihn Berlinale-Direktor Dieter Kosslick 2006 mit einer Berlinale-Kamera: "Er hat uns spannende Retrospektiven und Werkschauen geschenkt, die uns an großartige Momente und Bewegungen der Filmgeschichte erinnern." Filmmuseum und Kinemathek erlebten unter Prinzler eine personelle und finanzielle Ausweitung. 2004 änderte sich die Trägerschaft, indem – auf Initiative der damaligen Kulturstaatsministerin Christina Weiss und Prinzler – die Kinemathek (zuvor vom Land Berlin und dem Bund getragen) vollständig vom Bund übernommen wurde.
Zum 1. April 2006 übergab Prinzler die Leitung der Kinemathek an seine Nachfolger, den Künstlerischen Direktor Dr. Rainer Rother und den Verwaltungsdirektor Dr. Paul Klimpel. Am 31. Mai 2006 eröffnete unter dem Dach des Filmhauses auch das seit 2000 von Prinzler mitgeplante Fernsehmuseum seine Ausstellungen.
Hans Helmut Prinzler, Vater von drei Töchtern, war jahrelanges Mitglied zahlreicher Beiräte und Kommissionen (Goethe-Institut, BMI, Kuratorium Junger Deutscher Film, Rundfunkrat SFB/RBB). 1996 wurde er Mitglied der Akademie der Künste Berlin-Brandenburg, deren Abteilung Film- und Medienkunst er von 2000 bis 2009 als Direktor vorstand. Im Jahr 2007 wurde ihm das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse verliehen.
Nach seiner Pensionierung realisierte Prinzler gemeinsam mit Michael Althen unter dem Titel "Auge in Auge - Eine deutsche Filmgeschichte" einen Dokumentarfilm "über die Liebe zum Kino, eine Entdeckungsreise durch 100 Jahre Film in Deutschland".
Am 18. Juni 2023 verstarb Hans Helmut Prinzler in Berlin.