Fünf Werkschauen bei den 69. Kurzfilmtagen Oberhausen

Die Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen (26.4.-1.5.) präsentieren in ihrer 69. Ausgabe fünf Werkschauen von Persönlichkeiten aus verschiedenen Generationen und Ländern, die auf ganz unterschiedliche Weise mit der kurzen Form arbeiten.

 

Sie kommen aus der Kunst, vom Experimental- oder Dokumentarfilm, ihre Themen sind persönlich, politisch oder historisch, sie nutzen Performances, Collagen, Text- oder Spielfilmelemente und demonstrieren so die enorme Bandbreite und Vielseitigkeit der kurzen Form.

Marcel Broodthaers, Belgien (1924-1976)
Ein Programm der selten gezeigten filmischen Arbeiten des belgischen Künstlers

Als Dichter, der im Alter von 40 Jahren beschloss, bildender Künstler zu werden, schuf Marcel Broodthaers in relativ kurzer Zeit ein faszinierendes Gesamtwerk aus Texten, Zeichnungen, Gemälden, Publikationen, Fotografien, Skulpturen, Installationen – und Filmen. Mit begrenzten wirtschaftlichen und technischen Mitteln produzierte Broodthaers eigenwillige Arbeiten, die die Grenzen und Regeln des Films neu ausloten. Die Kurzfilmtage zeigen nun eine Auswahl, die sich auf Broodthaers' Arbeiten als Filmemacher konzentriert und weniger auf die ebenfalls entstandenen Ausstellungs- oder Performance-Dokumentationen. Die Werke werden in loser chronologischer Reihenfolge präsentiert, von "Défense de fumer" (1967–70) bis zu "La Bataille de Waterloo" (1975), zusammengestellt von dem Kurator, Wissenschaftler und Autor Xavier García Bardón.

Höhepunkt des Programms ist eine eigens für die Kurzfilmtage konzipierte Expanded Cinema-Arbeit, bei der Projekte vorgestellt werden, in denen Broodthaers die Leinwand zum integralen Bestandteil des Werks machte. Am 28. April werden in einer Sondervorstellung außerhalb des Kinosaals einige seiner Filme auf drei spezielle Leinwände projiziert. Die Kurzfilmtage danken Maria Gilissen Broodthaers für ihre Zusammenarbeit.

Teboho Edkins (Deutschland/Südafrika)
Ein Agent zwischen den Kulturen

Geboren in den USA, aufgewachsen in Südafrika und Lesotho und heute in Deutschland lebend, sieht sich Teboho Edkins als Mittler und Übersetzer zwischen den Kulturen. Seine dokumentarischen Arbeiten öffnen Einblicke vor allem in die Welt Südafrikas und Lesothos, seien es die Gangs von Kapstadt in seiner 'Gangster-Trilogie' "Gangster Project" (2011), "Gangster Backstage" (2013), und "Gangster Film" (2020) oder die Kultur der Viehhirten in Lesotho wie in "Shepherds" (2020). Sowohl "Gangster Backstage" als auch "Shepherds" wurden bei den Kurzfilmtagen ausgezeichnet. Edkins' Filme sind dokumentarisch geprägt, er zeigt sie ebenso in Kunstkontexten als Installationen wie auch auf zahlreichen Filmfestivals. 2020 lief sein Langfilm "Days of Cannibalism" bei der Berlinale, sein neuer Kurzfilm "Ghosts" wurde für den Internationalen Wettbewerb der 69. Kurzfilmtage ausgewählt.

Das Programm wird kuratiert von der Kunsthistorikerin und Kuratorin Susanne Touw.

Alexandra Gulea (Rumänien)
Die erste Gesamtschau ihrer Kurzfilme

Alexandra Gulea wurde in Bukarest geboren und studierte Kunst in Bukarest und Paris sowie Film in München. Mit ihren ausdrucksstarken, zumeist dokumentarischen Filmen hat sie zahlreiche Preise gewonnen, unter anderem bei den Kurzfilmtagen. Nun zeigt das Festival die erste Gesamtschau ihrer kurzen Arbeiten. Oft beleuchtet sie institutionelle und gesellschaftliche Zwänge, etwa in "Dumnezeu la Saxofon", "Dracu' la Vioara" ("Die Daumendreher", 2003), wo sie die Bewohner eines Heims für psychisch Kranke in Rumänien porträtiert, oder in "Valea Jiului – Notes" (2018), in dem es um die quasi verwaisten Kinder von Eltern, die im Ausland arbeiten, geht. Zuletzt gewann sie mit "Ńeale azbuirătoare" ("Flying Sheep", 2022) den Preis des Deutschen Wettbewerbs der Kurzfilmtage. In dem Film erzählt sie die Geschichte ihrer Großeltern, die Mitglieder der verfolgten Minderheit der Aromunen waren.

Kuratiert von der Autorin, Filmkuratorin und Lehrenden Madeleine Bernstorff.

Lynne Sachs (USA)
Body of the Body, Body of the Mind

Die New Yorker Experimental- und Dokumentarfilmerin Lynne Sachs gehört zu den Pionierinnen des feministischen Experimentalfilms. In bislang etwa 45 Spiel- und Kurzfilmen erkundet sie die Verbindung von Körper, Kamera und Materialität des Films, mischt persönliche Beobachtungen und historische Erlebnisse, Essay, Performance, Poesie und Collage. Mit "A Month of Single Frames" gewann sie 2020 den Großen Preis der Kurzfilmtage, nun widmet das Festival ihr eine Werkschau, deren zentraler Topos der Körper ist. In drei Programmen, inspiriert von Sachs' 2019 erschienenem Gedichtband "Year by Year Poems", werden drei verschiedene Zugänge erprobt: Übersetzung, Zusammenarbeit und Untrennbarkeit des Affektiven und Politischen. Zwölf Filme von "Drawn and Quartered" aus dem Jahr 1986 bis zu "Maya at 24" (2021) bilden einen Querschnitt durch Sachs' Schaffen, zusammengestellt von der Publizistin, Programmmacherin und Kuratorin Cíntia Gil.

Lynne Sachs' neue Arbeit "Swerve" wurde für den Internationalen Wettbewerb der 69. Kurzfilmtage ausgewählt.

Yamashiro Chikako (Japan)
Eine internationale Entdeckung

In Okinawa geboren, ist die Videokünstlerin Yamashiro Chikako in ihrer Heimat keine Unbekannte mehr, in Europa jedoch noch zu entdecken. Bei den Kurzfilmtagen gewann sie 2018 den ZONTA-Preis für "Tsuchi no hito – 2017 gekijyoban" ("Lehmmensch – 2017 Film Ver."), nun widmet das Festival ihr eine erste Werkschau in Europa. Seit den 2000er Jahren setzt sich Yamashiro künstlerisch mit der Geschichte, den sozialen Fragen und geopolitischen Konditionen ihrer Heimat auseinander. Ihr Augenmerk liegt vor allem auf den Folgen der amerikanischen Besatzung, deren kulturellen Einflüssen, der Vermischung von traditioneller Kultur und amerikanischen Elementen: Ryukyu-Gesang trifft auf Verdi-Opern, japanische Cowgirls auf Spoken-Word-Poesie. Kuratiert von Okamura Keiko, Kuratorin für zeitgenössische Kunst, zeigen die Kurzfilmtage einen Überblick über Yamashiros Kurzfilmwerk.

Das vollständige Programm der 69. Kurzfilmtage: https://kurzfilmtage.filmchief.com/shop/tickets

Quelle: www.kurzfilmtage.de