Inhalt
Jahrelang hat sich Chrissi im Ausland bewiesen, dass sie als Stuntfahrerin Autos beherrscht. Als sie nach einem schweren Unfall in das Dorf ihrer Kindheit, zu ihrem Vater, zurück muss, wird sie von den quälenden Erinnerungen an ihre Familiengeschichte eingeholt. Doch auch ihr Vater ist bis heute in seinem Schmerz gefangen und unfähig, für sie da zu sein. In seiner Verzweiflung bietet er ihr Geld an, damit sie sich unabhängig vom deutschen Sozialsystem woanders ein Leben aufbauen kann - die Beziehung zwischen den beiden steht vor der Zerreißprobe...
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Seit sieben Jahren war die 29-Jährige nicht mehr im Dorf ihrer Kindheit. Mittellos, da unzureichend versichert, ist sie nach der Reha zum Sozialfall geworden. Da ihr vorerst keine entsprechende Wohnung zugewiesen werden kann, bleibt ihr keine Wahl, als so lange zu ihrem 56-jährigen Vater Werner zu ziehen. Der sich, nachdem seine Frau Karin mit dem Pater Joseph nach Afrika gegangen ist, um dort Kinder zu betreuen, immer mehr aus dem gesellschaftlichen Leben zurückgezogen hat.
Was mit einem Unfall zusammenhängt, der im Prolog kurz angeschnitten worden ist: Nach einem Besuch des Clubs „Heaven“ hat Chrissi ihren Bruder Jochen, genannt Jo, ihren Freund Sascha und deren Kumpel Murat in der Nacht nach Hause gefahren – und nach einem Sekundenschlaf den „geliehenen“ Polizei-Dienstwagen ihres Vaters vor den Baum gesetzt. Alle kamen mit dem Schrecken davon – bis auf Jo, der noch auf dem Weg ins Krankenhaus starb.
Nun wieder zu Hause wird Chrissi mit der Vergangenheit konfrontiert, vor der sie vor sieben Jahren Hals über Kopf weggelaufen ist: Murat ist LKW-Fahrer, der einstige Polizist Sascha inzwischen Banker und mit der Verkäuferin Imke verheiratet. Alle im Ort glauben, dass der verstorbene Jo am Steuer gesessen hat, wie es sein Vater arrangierte, um weder seine Tochter noch seine Beamtenpension zu verlieren. Chrissi aber leidet unter ihrer Scham, dem Schmerz über den Verlust des Bruders und der Verdrängung der Wahrheit. Als zur Auflösung eines Bausparvertrages, der ihr eine wenigstens materiell gesicherte Zukunft ermöglicht, die Unterschrift ihrer Mutter verlangt wird, ist Chrissi nicht zur Kontaktaufnahme bereit – und wohl auch nicht in der Lage.
Vater Werner übernimmt Verantwortung – und Chrissis inzwischen 55-jährige Mutter Karin legt den weiten Weg von Afrika ins süddeutsche Ländle zurück. Um als erstes ihrer Tochter vorzuwerfen, seinerzeit nicht an der Beerdigung ihres Bruders teilgenommen zu haben. An eine Familienzusammenführung ist so natürlich nicht zu denken, jeder ist zu sehr von den Dämonen der Vergangenheit gefangen. Vor allem Chrissi selbst, die den Rollstuhl als Preis für Jos Tod ansieht…
„Die Geschichte einer Familie“ ist Karsten Dahlems Langfilmdebut. Mit starken Bildern, die eine düster grundierte Stimmung erzeugen, welche Hajo Wiesemanns Musiksauce nicht bedurft hätten. Mit zwei gleichgewichtigen Protagonisten – und, das darf verraten werden, einem überraschend ungemein fröhlichen, überhaupt nicht aufgesetzt wirkenden Finale.
Bei der vom Essener Schauspiel-Intendanten Christian Tombeil moderierten heftig umjubelten NRW-Premiere am 14. Juni 2023 im, so Karsten Dahlem, „schönsten Kino Deutschlands“, der Essener Lichtburg, verriet der in einem Dorf im Westerwald aufgewachsene und zunächst als Polizist ausgebildete Regisseur, dass die im baden-württembergischen Nußdorf gedrehte Geschichte durchaus biographische Züge trägt.
Pitt Herrmann