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Ein alter Baum mit ausladender Krone schwimmt über das Meer. Was sich nach einem surrealistischen Gemälde anhört, ist eines der betörendsten Bilder aus Salomé Jashis "Taming the Garden". Betörend und gleichzeitig ambivalent. Denn dieser Baumtransport ist Teil eines aberwitzigen Projekts. Ein steinreicher und politisch mächtiger Mann sammelt alte Bäume, die er ausgraben und in seinen Garten bringen lässt. Warum er das tut, und was man davon halten soll, diskutieren die Beobachter kontrovers. Vielleicht einfach, weil er sich ein so exzentrisches Hobby leisten kann? So absurd die Verpflanzungen anmuten, so sehr sind sie Sinnbild für Macht, unverschämten Reichtum und Bezwingung der Natur.
Die Mühen der Entwurzelung macht der Film deutlich sicht- und hörbar. Mit schwerem Gerät wird den Bäumen zu Leibe gerückt, die Straßen in die Berge müssen erst gebaut werden, und jüngere Bäume gefällt, um den Transport zu ermöglichen. Das Holz ächzt, metallische Klänge mischen sich mit Vogelgeschrei. In all dem findet die Kamera große Schönheit. In den alten Bäumen genauso wie in den Rostflecken der Transportfahrzeuge und sogar in dem künstlich bewässerten, eklektizistischen Themenpark.
Quelle: 71. Internationale Filmfestspiele Berlin (Katalog)
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Flötenmusik und Gesang begleiten die Kamerafahrt über eine hügelige, bewaldete Landschaft. Die Sonne scheint, der Bodennebel löst sich allmählich auf. Die optische und akustische Idylle wird jäh zerstört durch Holzeinschlag mit Axt, Motorsäge und schwerem Caterpillar-Gerät. Durch den dichten Forst – und durch so manchen Obstgarten - wird eine Schneise zum Strand geschlagen für den Transport eines besonderen Baumes, der bis zu 15 Stockwerke hoch und eintausend Tonnen schwer sein kann. Drei Monate Vorbereitungszeit benötigen die Arbeiter, bis das gewaltige Exemplar samt Wurzelballen von zehn Meter Durchmesser transportiert werden kann.
Einer der Arbeiter erzählt eine scheinbar allegorische Geschichte, die das Dilemma der in der Regel armen Bewohner der georgischen Küste offenbart: Im Mandarinengarten unterhalten sich zwei Frauen. Die Alte will den Schatten spendenden Baum nicht verkaufen, die Junge aber kann mit der Summe alle Kredite tilgen und etwas auf die hohe Kante legen. Der Schein trügt, die Erzählung ist traurige Realität: Bis zu 40.000 Dollar zahlt der 1956 geborene Arbeitersohn und heutige Multimilliardär Bidsina Iwanischwilli, Banker, Unternehmer und Politiker, 2012/13 auch Ministerpräsident Georgiens, für einen von ihm persönlich ausgewählten Baumriesen.
Den er nicht in den Garten seiner gläsernen Residenz hoch über der Hauptstadt Tiflis einpflanzen lässt, sondern in den weitläufigen Park, welchen er in seinem Geburtsort, dem 900-Seelen-Dorf Tschorwila hat anlegen lassen samt Bambushain und großer Vogelvoliere, in der auch Flamingos gründeln. Eine ganze Gärtner-Armada bewegt sich auf elektrischen Golfcarts durch das künstlich bewässerte Anwesen – ein grotesker Gegensatz zur prekären Wohn- und Lebenssituation der Menschen aus dem Herkunftsgebiet der Bäume, welche hier noch lange Zeit durch Drahtseile in der Erde verankert bleiben müssen.
Die Passion des reichen Mannes, der stets von Hund Batschko und bewaffneten Wächtern begleitet wird, bringt Geld in entlegene Dörfer. Was generationsspezifisch unterschiedlich aufgenommen wird: die Alten trauern um Baumriesen, in deren Schatten mehrere Generationen aufgewachsen sind, die Jungen freuen sich nicht nur über Bares, sondern auch über die Verbesserung der Infrastruktur. Für den Transport, der nur auf zwei parallel fahrenden MAN-Trucks möglich ist, müssen Straßen erweitert oder sogar neu gebaut werden. Ein junger Vater bekundet, dass er schon über einen Umzug in die Stadt nachgedacht hat, der durch die private Investition nun nicht mehr nötig ist: „Das Leben in den Bergen ist gefährlich. Wir brauchen wirklich eine gute Straße.“
„Taming the Garden“ kommt ohne Regiekommentar aus, O-Töne, Gespräche der Beteiligten und vor allem die Bilder sprechen für sich: die Bäume sind eine Metapher für die Entwurzelung der Menschen in einer Gesellschaft, die Demokratie erst erkämpfen muss in einer postsowjetischen Republik, in der reiche Oligarchen das Sagen haben und nicht der mittellose Staat.
Pitt Herrmann