Wolke 9
Wolke Neun
Wie Andreas Dresen diesen Konflikt einer klassischen Ménage à trois ohne Rücksicht auf seit Jahrzehnten eingespielte Konventionen filmt, gehört zum Zärtlichsten und Mutigsten, das der deutsche Film seit langem zu bieten hat. Es dauert einige Zeit, bis man sich an diese auf der Leinwand sonderbare Spezies gewöhnt, bis man zu akzeptieren beginnt, dass es diese Alten sind, mit denen man die späten Liebeswirrungen mitfühlen soll. Intensiv und zugleich lakonisch erzählt, stellt die Kamera fast indiskret die vom Leben gezeichneten Gesichter von Dresens unscheinbaren Helden in den Mittelpunkt, fängt jeden Altersfleck und jede noch so verschüttete Gefühlsregung ein, die sie zum Strahlen bringt und trotz Falten und schlaffer Haut mit einer unwiderstehlich jugendlichen Aura umgibt. Dazu passt auch die gerade im Frühsommer aufblühende Natur, die sich in Blütenstaubwirbeln, rot schimmernden Blumenfeldern und Gewittern manifestiert. Es sind so alltägliche wie ungewohnte Bilder von einer Liebe im Alter, die gesellschaftliche Sprengkraft in sich bergen, weil sie auf jenes verlegene Wegblenden verzichten, hinter dem sich sonst der Wille zur Ausgrenzung und die Angst vor dem Tod verbergen.
Dresen nähert sich seinen ohne Eingriffe gealterten, wunderbaren Darstellern mit großer Natürlichkeit, mit der für ihn typischen Wirklichkeitsnähe, die er in "Wolke 9" ohne Kompromisse und mit zurückhaltend dosiertem Humor zur Vollendung bringt. Gedreht in einem kleinen Team und nur mit einem Drehbuchgerüst ohne ausformulierte Dialoge, beeindruckt der gänzlich auf Musik verzichtende, kleine große Film durch die vielen stillen Momente, in denen die vergehende Zeit keinen Raum mehr fürs Zögern lässt, in denen das Leben in vollen Zügen mit allen Konsequenzen gelebt werden will. Ein ebenso radikales wie in seiner Uneitelkeit ergreifendes Meisterwerk.