Babelsberg in Farbe

Quelle: Murnau-Stiftung, DIF
Szene aus "Münchhausen"

Der Lügenbaron Münchhausen tummelt sich auf einem Fest unter Gästen in prächtigsten Gewändern, die Ausstattung hat nicht an Meißner Porzellan, feinem Tafelsilber und allerlei Schmuck gespart, der Akteure und Räume in prunkvollen Farben erstrahlen lässt – wie es sich gehört für den Jubiläumsfilm zum 25-jährigen Bestehen der Ufa. Dabei kam es jedoch nicht allein auf die Ausstattung an, die 1942/43 einen enormen Kontrast zu den fortschreitenden Verlusten im Zweiten Weltkrieg bedeutete, sondern auch auf die filmästhetischen und -technischen Bedingungen der Präsentation. Die Farbe selbst war ein Star dieses Films.

"Ich wünsche, dass die Ufa einen Spitzenfilm dreht", hatte der Reichspropagandaminister Joseph Goebbels gefordert, und war dabei vor allem von US-amerikanischen Technicolor-Produktionen wie "Vom Winde verweht" beeindruckt, die er heimlich aus dem Ausland beschaffen ließ. "Münchhausen" war bei seiner Premiere am 4. März 1943 keineswegs der erste deutsche Spielfilm in Agfa-Color, wohl aber der bis dato aufwändigste.

Die Dreharbeiten fanden nicht allein auf dem Studiogelände in Babelsberg statt, sondern auch in Venedig, wo man 800 Statistinnen und Statisten bemühte, um die Karnevalsszenen zu realisieren. Die Regie führte Josef von Baky, ein routinierter Unterhaltungsregisseur, das Drehbuch lieferte der eigentlich mit einem Schreibverbot belegte Erich Kästner unter dem Pseudonym Bertholt Bürger. In der Titelrolle war Hans Albers zu sehen. Die Produktionskosten von letztendlich 6,5 Millionen Reichsmark entstanden nicht zuletzt durch zahlreiche Trickaufnahmen und Spezialeffekte – der Einsatz der Farbe sollte Gemälden der Renaissance nachempfunden werden.

Quelle: Murnau-Stiftung, DIF
Szene aus "Münchhausen"

Die bewegte Farbfilmgeschichte der Ufa reicht gleichwohl weiter zurück, wie der Filmhistoriker Gert Koshofer nachgezeichnet hat. Bereits in den 1930er Jahren hatte die Ufa mit verschiedenen Verfahren experimentiert und bereits Werbe- und Kulturfilme nach einem 2-Farb-System produziert. Letztendlich waren diese aber nur Vorarbeiten für einen abendfüllenden 3-Farben-Unterhaltungsfilm. Das einzig existierende Verfahren zur Herstellung eines Farbfilms war bis dahin die Technik des Berthon-Siemens-Perutz-Farbfilms, auch Opticolor-Farbfilm genannt, welche, basierend auf einem Linsenrasterverfahren, allerdings Umbaumaßnahmen an Auf- und Wiedergabegeräten erforderlich machte. Auf lange Sicht konnte es sich nicht durchsetzen.

Basierend auf der von Rudolf Fischer bereits 1912 entwickelten Idee eines Mehrschichtenfarbfilms, der nach dem subtraktiven Prinzip funktionieren sollte, besteht er aus voneinander nicht lösbaren Filmschichten. Mit Hilfe eines chromogenen Entwicklungsverfahrens entstanden, in Zusammenwirkung mit bestimmten Entwicklersubstanzen und organischen Verbindungen sowie belichtetem Silberhalogenid, neben Silberbildern auch farbige. Entfernte man nun das Silber blieben reine Farbbilder. Unter Einsatz von Farbkupplern (farblose oder mit Azofarbstoffverbindungen versehene Entwicklersubstanzen ) konnten so einzelne Farbbilder in den Grundfarben (Gelb, Purpur, Grün-Blau) des subtraktiven Farbsystems hergestellt werden. Einen Mehrschichtenfarbfilm konnte man auf diese Art und Weise aber nicht herstellen, da die Farbkuppler nicht in den Schichten zu fixieren waren und bei dem zu vollziehenden Gießprozess ineinander diffundierten.

Diese Problematik wurde erst 1935 von Dr. Wilhelm Schneider und Dr. Gustav Wilmanns gelöst. Für ihre Arbeit an dem Verfahren wurden sie 1942 mit einer Bronzetafel für "Die Erfinder des Agfa-Color-Verfahrens" im Studiogelände Babelsberg geehrt.


Quelle: Murnau-Stiftung, DIF, © Horst von Harbou - Deutsche Kinemathek
"Frauen sind doch bessere Diplomaten": Aribert Wäscher, Carl Kuhlmann, Marika Rökk (v.l.n.r.)

Die Entwicklung des Verfahrens gestaltete sich alles andere als problemlos, da man unter anderem in einen Streit mit dem Berliner Kodak-Betrieb verwickelt war und zudem am 15. April 1935 bereits von Kodak ein Mehrschichtenfarbfilm mit chromogenem Entwicklungsverfahren, der Kodakchrom-Schmalfilm, vorgestellt wurde (hier waren die farbgebenden Substanzen jedoch Teil des Entwicklers und nicht der Filmschichten). Die Erfolgsergebnisse der amerikanischen Konkurrenz führten schließlich zur Abberufung von 50 Wissenschaftlern, die den Mehrschichtenfarbfilm zu entwickeln halfen. Das Ergebnis wurde auf einer Pressekonferenz am 18. Oktober 1936 vorgestellt und begeisterte die Fachpresse.

Dennoch führte das erfolgreich durchgeführte Experiment erst ab 1939 zur Produktion von farbigen Kinofilmen. Auf Geheiß Goebbels ("Wir machen nun einfach auch einen deutschen Farbenspielfim") beschloss der Ufa-Vorstand im Juni 1939 schließlich die Realisierung eines ersten großen Spielfilms in Agfa-Color: "Frauen sind doch bessere Diplomaten" von Georg Jacoby. Der Film, wie Gert Koshofer zeigt, litt allerdings noch unter erheblichen Produktionsschwierigkeiten, die die Entstehungskosten auf 2.389.000 Reichsmark anstiegen ließen. Auf Grund einer geringen Filmempfindlichkeit mussten zum Beispiel die Darsteller und Darstellerinnen mit Scheinwerfern von bis zu 25 - 30 000 Lux ausgeleuchtet werden. Auch hatte man noch keine Erfahrung mit der Farbtemperatur des Lichts, die Farben am Morgen und Abend beeinträchtigte.

Der durch verfälschte Farben entstellte Film wurde erst am 31. Oktober 1941 uraufgeführt und wurde ein Erfolg, obwohl Goebbels mit dem Ergebnis mehr als unzufrieden war und ihn erst nach intensiver Nachbearbeitungen zur Veröffentlichung freigab.


Quelle: Murnau-Stiftung, DIF
"Kolberg": Szene mit Gustav Diessl (Mitte)

Der zweite deutsche Farbspielfilm, das Blut-und-Boden-Melodram "Die goldene Stadt" von Veit Harlan, führte zu technischen Verbesserungen; die Produktionskosten waren aber auch hier (durch Änderungswünsche von Goebbels) auf 1,3 Mio. Reichsmark angestiegen. Der Film wurde mit 31 Mio. Besuchern ein großer Erfolg und an Aufwand zunächst nur vom Jubiläumsfilm "Münchhausen" übertroffen. Auch die folgenden Harlan-Filme "Immensee" und "Opfergang" waren Farbfilme.

Das bei weitem größtes Projekt aber wurde Harlans vierte Farbfilmproduktion: der Propagandafilm und Durchhalte-Blockbuster "Kolberg", der kurz vor Kriegsende fertig gestellt wurde und von Goebbels alle nur denkbaren Sondergenehmigungen erhielt. So wurden beispielsweise zum Budget von 8,5 Millionen Reichsmark auch bis zu 5.000 Wehrmachtssoldaten als Statisten zur Verfügung gestellt.

Die gute technische Qualität des deutschen Farbspielfilms besonders in Korn und Schärfe bis 1945 wurde durch die Problematik der schwach gesättigten Rottöne beeinträchtigt – ein Problem, das erst in der Nachkriegsproduktion gelöst werden konnte. Die bei Kriegsende noch unvollendeten Farbfilme wurden zum Teil von der DEFA bearbeitet und fertig gestellt.