cinefest widmet sich deutsch-italienischen Filmbeziehungen



Die vielfältigen Verbindungen zwischen der deutschen und der italienischen Kinematografie stehen 2010 im Mittelpunkt von cinefest, dem von CineGraph, Hamburg, und Bundesarchiv-Filmarchiv, Berlin, veranstalteten VII. Internationalen Festival des deutschen Film-Erbes und dem damit verbundenen 23. Internationalen Filmhistorischen Kongress (18. bis 20.11.2010).



Am Samstag, den 13.11.2010, wurde das VII. Internationale Festival des deutschen Film-Erbes feierlich eröffnet. Im Rahmen der Eröffnung erfolgte die Verleihung des Reinhold Schünzel-Preises. Der Ehrenpreis für langjährige Verdienste um die Pflege, Bewahrung und Verbreitung des deutschen Film-Erbes wurde an die Filmhistorikerin Heide Schlüpmann verliehen, Autorin von (unter anderem) "Unheimlichkeit des Blicks. Das Drama des frühen deutschen Kinos".

Cinefest und Filmhistorischer Kongress unternehmen den Versuch, sich dem Charakter und den Besonderheiten der deutsch-italienischen Filmbeziehungen von den 1910er Jahren bis zur Gegenwart aus verschiedenen Perspektiven zu nähern. Zentrale Faktoren sind dabei der personelle Austausch und die binationalen Karrieren von Filmschaffenden, die Verflechtungen der Produktionsstrukturen und die staatliche Zusammenarbeit zwischen Berlin und Rom. Und nicht zuletzt das Bild des jeweils anderen Landes und seiner Bewohner in den Filmen.

Ein weitgehend unbearbeitetes Gebiet sind die umfangreichen Aktivitäten italienischer Filmschaffender in der deutschen Filmproduktion der 1920er Jahre. Vertrieben durch die Krise im eigenen Land etablierten sich italienische Produzenten, Regisseure und Darsteller in deutschen Studios. Vorträge über von Italienern in Berlin geführte Firmen, über den Regisseur Gennaro Righelli und die Diva Marcella Albani geben erste Hinweise auf den spezifischen Beitrag der italienischen Film-Kolonie in Berlin zum Weimarer Kino.

Ein weiterer Schwerpunkt ist die filmpolitische Kooperation zwischen NS-Deutschland und dem faschistischen Italien. Thematisiert werden organisations- und strukturgeschichtliche Aspekte und inhaltlich-ideologische Konzepte der "kulturellen Achse" Rom-Berlin sowie Gemeinsamkeiten und Widersprüche bei der Deutung von Geschichte in deutsch-italienischen Sprachversionen wie Luis Trenkers Propaganda-Epos "Condottieri" (1936/37). Ergänzend zeigen Fallstudien zum deutschen Regisseur Carl Koch und seinem italienischen Film "La Tosca" (1940/41) sowie zur Arbeit des österreichischen Emigranten Max Neufeld in Italien, welche Nischen sich zu dieser Zeit noch abseits der offiziellen Zusammenarbeit in der italienischen Filmproduktion erhalten hatten.

Von zentraler Bedeutung sind die bis heute anhaltenden Bemühungen italienischer Regisseure, sich künstlerisch mit den Folgen von Faschismus und Nationalsozialismus für die deutsche wie die italienische Gesellschaft auseinanderzusetzen. Im Fokus stehen dabei das Bild Deutschlands und der Deutschen in den frühen Nachkriegsfilmen Roberto Rossellinis, die heftigen Auseinandersetzungen um Vittorio de Sicas Sartre-Verfilmung "I Sequestrati di Altona" als Teil des deutsch-italienischen "Film-Krieges" 1962-64, die Inszenierung "deutscher" Identitäten vor allem in Luchino Viscontis "deutscher Trilogie" durch die Arbeit des Kostümbildners Piero Tosi sowie die Verquickung von Nazi-Symbolen und sexuellem Sadismus im italienischen Kino der 1970er Jahre.

Interpretiert werden auch die Bilder, die in deutschen Filmen von Italien und den Italienern gezeichnet werden. Vorträge verfolgen die Entstehung und Veränderung von Stereotypen, Klischees und Leitmotiven zum Italienbild in bundesdeutschen Produktionen der 1950er Jahre, zur Figur des "Gastarbeiters" in Filmen wie "Palermo oder Wolfsburg" (1979/80) und "Solino" (2002) sowie zur Rolle von Italienern in DEFA-Filmen.

Das Schlusspanel analysiert die gegenseitigen Einflüsse in den zahlreichen deutsch-italienischen Co-Produktionen der 1960er Jahre. Als Fallbeispiele dienen die Frauenfiguren in Michelangelo Antonionis "La Notte" (1960) und Helmut Käutners "Die Rote / La Rossa" (1962) sowie eine Untersuchung zum Anteil des deutschen Krimi-Genres an der Entstehung des "Giallo" am Beispiel von Mario Bavas "Sei Donne per L"Assassino / Blutige Seide" (1964).

Der 23. Internationale Filmhistorische Kongress ist integraler Bestandteil des VII. cinefest – Internationales Festival des deutschen Film-Erbes. Er wird am Abend des 17.11.2010 im Metropolis-Kino eröffnet. Während der Veranstaltung werden auch die Willy Haas-Preise für eine bedeutende internationale Publikation (Buch und DVD) verliehen. Der Kongress findet vom 18. – 20. November, jeweils vom 9.30 – 16.00 Uhr, im Gästehaus der Universität statt. Teilnehmer aus dem In- und Ausland vertiefen in Vorträgen und Diskussionen (deutsch und englisch) das Thema des Festivals in sechs Panels. Ab 17.00 Uhr laufen im Metropolis-Kino die Filmvorführungen, die die Vorträge ergänzen. Die Vorträge des Kongresses werden in überarbeiteter Form anschließend in einem Buch veröffentlicht.

Quelle:
www.cinegraph.de