Inhalt
Mit etlichen Referenzen an italienische Kinotraditionen erzählt Fatih Akins Einwandererchronik vom Schicksal der Amatos. Durch drei Jahrzehnte begleitet der Film die sizilianische Familie, vor allem Sohn Gigi.
Ein Neuanfang im grauen Duisburg von 1964 führt zur Eröffnung der ersten Pizzeria des Ruhrgebiets und über familiäre Erfolge und Probleme in den 1970ern letztlich zum Bruch, bei dem nicht nur Vater Romano eine entscheidende Rolle spielt: Der Lebenstraum Gigis, Filmregisseur zu werden, wird vom Bruder Giancarlo zerstört, der eben darauf seine eigene Karriere gründet. In den 1980er Jahren sind Gigi und seine erkrankte Mutter Rosa wieder in ihr italienisches Dorf zurückgekehrt. Hier wird Gigi einen Neuanfang wagen, der auch eine Rückkehr zu den alten Verhältnissen ist.
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Gigi, der jüngere Sohn, ist ein eher stilles, sensibles Kind. Das sich nicht traut, die gleichaltrige Nachbarstochter Jo anzusprechen. Fasziniert ist er von den Auslagen des Fotografen Klasen, den Hermann Lause als liebenswerten, nachsichtigen Menschenfreund gibt. Er führt den kleinen Gigi in die Kunst des Fotografierens, später auch in die des Filmens ein und weckt ihn ihm die Leidenschaft seines Lebens. Sein älterer Bruder Giancarlo dagegen ist ein raubeiniges Arschloch, das sich jedoch am ehesten in der noch fremden Umgebung zurechtfindet. Mit der Schule hat er es dagegen nicht so, er bastelt lieber an Mopeds und Autos herum.
Mamma Rosa hat die Idee, ihre heimwehkranken Landsleute mit heimischer Kost zu verwöhnen. Und so entsteht die Legende von der ersten Pizzeria im Ruhrgebiet – benannt nach dem italienischen Heimatort Solino. Sie reüssiert rasch nicht nur unter den Gastarbeitern, zumal Papa Romano im Gastraum eines der ersten Schwarzweiß-Fernsehgeräte aufstellt: Nun kann sich der kleine Familienbetrieb kaum noch retten vor mehr oder minder hungrigen Gästen.
Die beiden Brüder werden flügge. Während der Ältere nicht immer gesetzeskonforme Mittel einsetzt, um zu Geld zu kommen, träumt der Jüngere davon, zumindest Dokumentarfilmer zu werden. Beide jedenfalls haben es satt, für ein Taschengeld in der väterlichen Pizzeria zu malochen. Auch sonst ist der Familienfrieden nachhaltig gestört: Als Gigi endlich bei Jo landet, sinnt der eifersüchtige Giancarlo darauf, das Mädchen für sich zu gewinnen.
Die Chance dazu wird ihm eröffnet, als Mamma Rosa, die ihren Gatten beim Fremdgehen inflagranti erwischt, ernsthaft erkrankt und ihre letzten Tage daheim in Solino verleben will. Da niemand sie nach Italien begleiten will, opfert sich Gigi, obwohl sein erster Film gute Chancen hat, beim Dokumentarfilmfestival in Oberhausen gezeigt zu werden.
Giancarlo verführt nicht nur Jo, mit der die beiden Brüder inzwischen in einer Wohngemeinschaft leben, er verheimlicht Gigi auch dessen Erfolg beim Festival. Ja er nimmt sogar anstelle von Gigi den Preis entgegen und schlüpft so nicht nur privat, sondern auch beruflich in die Rolle des Bruders, der derweil in Solino vergeblich auf die Ablösung durch Giancarlo wartet. Dort ist Mamma Rosa sichtlich aufgeblüht, aber auch Gigi winkt in Person der feurigen Ada endlich das lange vermisste private Glück.
Am Ende ist nur Papa Romano rundum gescheitert: Angesichts der sprunghaft angestiegenen Konkurrenz bleiben in seiner Pizzeria die Gäste aus, was er sich und Gigi am Telefon, der ihn zu seiner Hochzeit nach Solino einlädt, jedoch nicht eingestehen will. Giancarlo reist dazu erstmals nach Italien – als gemachter Mann. Er arbeitet nun für einen internationalen Filmkonzern. Und Gigi? Der hat seinen Frieden gefunden mit dem bescheidenen, aber glücklichen Dasein unter südlicher Sonne: Zusammen mit Ada betreibt er in Solino das Kino „Cinema Nuovo“.
„Solino“ ist ein gut gemachter Unterhaltungsfilm vor dem Hintergrund der großen mitteleuropäischen Migrationswelle der Nachkriegszeit im allerdings etwas zu biederen TV-Format. Man hat dem deutsch-türkischen Regisseur Fatih Akin seinerzeit vorgeworfen, von Italien und den italienischen Gastarbeitern in Deutschland ebenso wenig etwas zu verstehen wie von der italienischen Sprache.
Akin aber ist souverän genug, seine Motive für „Solino“ offenzulegen: Natürlich hätte er lieber einen Film über türkische Gastarbeiter gemacht, das sei ihm aus emotionalen Gründen jedoch damals noch nicht möglich gewesen. So sei er auf ein Thema mit größerem gefühlsmäßigem Abstand gekommen.
Pitt Herrmann