Die Emigration Filmschaffender während des Nationalsozialismus.

Quelle: DFM, DIF
Hans Wilhelm, Willy Eichberger, Luise Ullrich, Max Ophüls, Magda Schneider und Wolfgang Liebeneiner (v. l. n. r.) bei der Premiere von "Liebelei" in Berlin, 16.3.1933
 

Die Vertreibung Filmschaffender aus dem nationalsozialistischen Deutschland muss vor dem Hintergrund der Verfolgung Andersdenkender, dem verbrecherischen Angriffskrieg und der Ermordung von über 6 Millionen europäischen Juden und anderen rassisch und politisch verfolgten Minderheiten unter der NS-Diktatur betrachtet werden. So war die Flucht aus dem eigenen Land für die überwältigende Mehrzahl der Emigranten eine durch wirtschaftliche Not und persönliches Leid begleitete Erfahrung, und zugleich die einzige Möglichkeit, das eigene Leben zu retten.

 

Ausgrenzung und Diffamierung

Mit der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 endete die erste deutsche Demokratie, und unmittelbar nach der Machtübernahme begannen die Nationalsozialisten, die Um- und Durchsetzung ihrer menschenverachtenden Ideologie in allen Gesellschaftsbereichen voranzutreiben. Dazu zählte für die NS-Führung auch im besonderen Maße die Filmindustrie, was Reichspropagandaminister Joseph Goebbels bereits am 28. März 1933 in seiner Rede im Berliner Hotel Kaiserhof anlässlich einer Versammlung der Dachorganisation der deutschen Filmschaffenden (Dacho) unterstrich. Die von Goebbels behauptete geistige Krise des deutschen Films lieferte entsprechend des völkischen Rassismus und Antisemitismus der Nationalsozialisten den Vorwand für die Diskriminierung und den systematisch vorangetriebenen Ausschluss aller jüdischen Filmschaffenden. Schon am 29. März 1933, nur einen Tag nach Goebbels" Rede, beschloss der Vorstand der Ufa:"Mit Rücksicht auf die infolge der nationalen Umwälzung in Deutschland in den Vordergrund getretene Frage über die Weiterbeschäftigung von jüdischen Mitarbeitern und Angestellten in der Ufa beschließt der Vorstand grundsätzlich, daß nach Möglichkeit die Verträge mit jüdischen Mitarbeitern und Angestellten gelöst werden sollen." Daraufhin entließ die Ufa mit sofortiger Wirkung einige ihrer prominentesten Künstler, darunter Produzent Erich Pommer und Regisseur Erik Charell. Gemeinsam zeichneten sie für "Der Kongreß tanzt" verantwortlich, den erfolgreichsten Film in Deutschland im Jahr 1931. Ihr Schicksal ist beispielhaft für die brancheninternen Repressalien und öffentlichen Denunziationen, denen jüdische Filmschaffende aller Professionen – gleich ob Produzenten, Regisseure, Schauspieler, Drehbuchautoren, Komponisten, Architekten, Kameraleute oder Techniker – fortan ausgesetzt waren. Auch vormalige Fachpublikationen wie der "Film-Kurier" entließen unerwünschte Autoren und hetzten in Artikeln gegen "Filmjuden".Die politisch-juristische Repression erreichte eine neue Qualität mit der Gründung der Reichsfilmkammer im Juli 1933: Die Mitgliedschaft war grundsätzlich nur "Ariern" gestattet und unabdingbar für eine Beschäftigung innerhalb der deutschen Filmindustrie. Nur wenige der so ausgeschlossenen Künstler erhielten eine befristete Sondergenehmigung wie der erfolgreiche Komödienregisseur Reinhold Schünzel. Im Januar 1935 folgte der endgültige Ausschluss aller "Nichtarier" aus der Reichsfilmkammer. Zu diesem Zeitpunkt hatten die meisten der betroffenen Filmschaffenden bereits NS-Deutschland verlassen.

Neubeginn in der Not

Das aufgezwungene Exil bedeutete einen ungewissen Neubeginn im Ausland. Dabei waren sowohl die gesetzlichen und wirtschaftlichen Arbeitsbedingungen innerhalb der jeweiligen nationalen Filmindustrien als auch die eigene Profession entscheidend für die Beschäftigung von Emigranten. Insbesondere Schauspieler und Autoren sahen sich mit Sprachbarrieren konfrontiert, die eine Fortsetzung ihrer Karriere erheblich erschwerten oder schlicht unmöglich machten. So galt in Frankreich, dem bedeutendsten Emigrationsland in Europa, ein deutscher Akzent als inakzeptabel, weshalb dort noch am ehesten Regisseure und Produzenten – wenn auch zum Teil unter größten Schwierigkeiten – Arbeit fanden. Zu den in Frankreich beschäftigten Künstlern gehörten zeitweilig u.a. die Regisseure Max Ophüls, Robert Siodmak, Fedor Ozep, und Richard Oswald. Auch Erich Pommer produzierte in Paris, bevor er weiter nach Hollywood ging. In Großbritannien erhielten hingegen auch Schauspieler wie Elisabeth Bergner, Adolf Wohlbrück und Fritz Kortner Engagements, und konnten sich zum Teil auch dank ebenfalls emigrierter Produzenten auf dem Markt etablieren. Viele deutschsprachige Darsteller versuchten jedoch aus naheliegenden Gründen zunächst in Österreich Fuß zu fassen. Aber die staatliche österreichische Filmindustrie folgte der antisemitischen Politik Deutschlands und verweigerte jüdischen Filmschaffenden die Beschäftigung, weshalb etwa die Starkomödianten Szöke Szakall oder Felix Bressart lediglich in unabhängig produzierten Filmen auftreten durften. Bevor der "Anschluss" Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland im März 1938 auch diese Möglichkeit endgültige verbaute, konnte vor allem die Deutsche Universal – mit Sitz in Wien und Budapest – für einige Jahre erfolgreich deutschsprachige Filme mit jüdischen Künstlern realisieren. Herausragend waren dabei die Komödien, die Regisseur Hermann Kosterlitz und Autor Felix Joachimson gemeinsam mit ihrem Star Franziska Gaal drehten. 1936 ging das Team in die USA, wohin sich angesichts der immer schwierigeren Situation in Europa immer mehr der zunächst in Europa verbliebenen Emigranten flüchteten.

Fluchtpunkt Hollywood

Bereits zu Beginn der NS-Herrschaft hatten viele der verfolgten Filmschaffenden versucht, in Hollywood eine neue Existenz aufzubauen. Schon in den 1920er Jahren war die größte Filmindustrie der Welt das Ziel zahlreicher prominenter Künstler aus Deutschland, und nun folgten Persönlichkeiten wie Fritz Lang. Neben jüdischen Emigranten wie Peter Lorre, der sich in den USA als Charakterdarsteller durchsetzen konnte, und Billy Wilder, dessen Weltkarriere als Autor und Regisseur im amerikanischen Exil begann, gingen auch politische Flüchtlinge, u.a. Bertolt Brecht und der Komponist Hanns Eisler, ins amerikanische Exil. Den Erfolgsgeschichten einiger weniger Emigranten wie Wilder standen jedoch tausende von Flüchtlingen gegenüber, die im US-Studiosystem nur mühsam oder dank solidarischer Unterstützung überleben konnten. Speziell in technischen Berufen waren die Gewerkschaften darauf bedacht, die Interessen ihrer amerikanischen Mitglieder zu schützen, weshalb etwa Kameraleute wie Curt Courant und Eugen Schüfftan kaum offiziell bei Filmproduktionen beschäftigt werden durften.Zudem wurde die Emigration seitens der US-Administration zusehends erschwert, da die Zahl der Flüchtlinge stetig wuchs: Mit dem Überfall Deutschlands auf Polen am 1. September 1939 begann der Zweite Weltkrieg in Europa, wodurch die Vereinigten Staaten für die meisten Verfolgten des NS-Regimes zum letzten sicheren Zufluchtsort wurden. Vielen emigrierten Filmschaffenden – darunter Kurt Gerron, Otto Wallburg und Paul Morgan – gelang es jedoch nicht mehr, sich vor der Verfolgung zu retten. Sie wurden in deutschen Konzentrations- und Vernichtungslagern ermordet.

Solidarität mit den Verfolgten

Quelle: Die Deutsche Bibliothek Deutsches Exilarchiv 1933-1945, Frankfurt a. M.
Affidavit of Sponsorship für Max Ophüls, ausgestellt von Leon Share, Los Angeles
 

Die amerikanische Regierung versuchte die einsetzende Massenemigration durch restriktivere Einwanderungsbestimmungen zu kontrollieren. So wurde die Vorlage des "Affidavit" – die Bürgschaftserklärung eines amerikanischen Staatsbürgers, für den Unterhalt des Einwanderers aufzukommen – zur essentiellen Bedingung für die Aufnahme. In dieser Situation, in der es buchstäblich um Leben und Tod ging, zeichnete sich innerhalb der Filmbranche der Produzent und Hollywood-Agent Paul Kohner durch seinen aufopferungsvollen Einsatz für die Rettung zahlreicher bedrängter Menschen aus. Er vermittelte die lebenswichtigen Affidavits, beschaffte in Hollywood eigentlich chancenlosen Schriftstellern – darunter Alfred Döblin – Anstellungsverträge bei den großen Studios und war darüber hinaus eine treibenden Kraft im European Film Fund, der die zumeist mittellosen Emigranten unterstützte.Zugleich brachte der Krieg aber auch eine gesteigerte Nachfrage nach deutschsprachigen Schauspielern in Hollywood. Für die vermehrte Produktion von "Anti-Nazi-Filmen", die sich mit dem Kriegseintritt der USA im Jahr 1941 noch erheblich steigerte, wurden bevorzugt emigrierte Darsteller engagiert – wobei sie oftmals den Part des fanatischen NS-Verbrechers übernehmen mussten. So stand vielen Schauspielern nur ein begrenztes Rollenspektrum zur Verfügung, was den despektierlichen Begriff von den "Akzent Clowns" in Hollywood prägte. Das Schicksal der Emigranten beleuchtete u.a. der Filmhistoriker Jan-Christopher Horak, der über Jahre zum Phänomen des Exilfilms geforscht und publiziert hat.

Widerstand und Antifaschismus

Ungeachtet der eigenen beruflichen Schwierigkeiten versuchte die überwältigende Mehrheit der Emigranten in Hollywood, den Kampf der USA gegen das NS-Regime zu unterstützen: Sei es durch Mitwirkung an Filmen oder Radiosendungen, die das deutsche Volk zum Widerstand gegen Hitler aufriefen, Engagement in der Flüchtlingshilfe und Truppenbetreuung sowie – wenn sie die amerikanische Staatsbürgerschaft erlangten – aktiven Dienst im US-Militär. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang der Einsatz von Marlene Dietrich, die bereits Anfang der 1930er Jahre ihre Hollywoodkarriere begann und trotz finanziell großzügiger Angebote aus Deutschland nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten in den USA blieb. Sie gehörte zu jenen Künstlern deutscher Herkunft, die sich moralisch und ethisch zum Widerstand gegen die nationalsozialistische Herrschaft verpflichtet sahen, auch wenn sie selbst nicht unmittelbare Opfer der NS-Politk waren. Marlene Dietrichs eindeutiges Bekenntnis zum Kampf gegen Faschismus sowie die Tatsache, dass Sie sich in den Kriegsjahren für zahlreiche karitative Zwecke engagierte, brachten ihr weit über Hollywood hinaus aufrichtige Anerkennung.

Rückkehr ins Ungewisse

Quelle: Filmmuseum Berlin - Marlene Dietrich Collection
Marlene Dietrich, Aschaffenburg, April 1945
 

Der Sieg der Alliierten über das nationalsozialistische Deutschland eröffnete den Überlebenden des NS-Terrors zwar die Möglichkeit einer Rückkehr, welche aber für die meisten Emigranten nicht in Frage kam. Das Wissen um den Holocaust, und der erlittene Verlust von Angehörigen und Freunden, die unter der NS-Herrschaft ermordet wurden, machten ihnen eine Rückkehr unmöglich. Zudem hatten sich viele der emigrierten Filmschaffenden eine neue Existenz außerhalb Deutschlands aufgebaut. Unter den Re-Migranten aus der Filmbranche finden sich daher oft Schauspieler, die sich aufgrund der Sprache nicht im Ausland durchsetzen konnten, und nun auf neue Beschäftigungsmöglichkeiten hofften. Für viele war die Rückkehr in ihre ursprüngliche Heimat begleitet von der schmerzlichen Erfahrung, dass ein Großteil der deutschen Bevölkerung kein Interesse an einer aufrichtigen Aufarbeitung der eigenen Schuld zeigte. Aus den Nachkriegsjahren ragen Fritz Kortners "Der Ruf" und Peter Lorres "Der Verlorene" hervor: Hier waren Filme von zuvor ins Exil gezwungenen Künstlern, die mit ihren Werken die Auseinandersetzung mit der jüngsten Vergangenheit suchten. Die Anerkennung der deutschen Öffentlichkeit blieb ihnen jedoch verwehrt.