Programm mit historischen Filmen rekonstruiert "Das Kino in Heidelberg am 9. November 1938"

Am 12. und 13. November 2013 zeigt das Karlstorkino Heidelberg jeweils um 18.30 Uhr historische Filmprogramme, die auch am 9. November in Heidelberg liefen.

Anlässlich des 75. Jahrestages der antisemitischen Pogrome hat das Interreg-Forschungsprojekt "Der Oberrhein im Gebrauchsfilm" am Institut für Geschichte und Ethik der Medizin der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg zwei Kinoabende möglichst exakt rekonstruiert, die am 9. November 1938 und den folgenden Tagen in den Heidelberger Kinos stattfanden.

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 zündeten Mitglieder der SA die Heidelberger Synagoge an, griffen die Synagoge Rohrbach und die Orthodoxe Synagoge in der Plöck an, verwüsteten Geschäfte und Wohnungen jüdischer Mitbürger. Ganze Straßen der Altstadt und der Weststadt boten am nächsten Tag ein Bild der Zerstörung. Die Verfolgung der Juden hatte eine neue Stufe erreicht. Nachdem Juden bereits 1933 aus der Filmindustrie ausgeschlossen worden waren, wurde ihnen ab dem 12. November 1938 auch der Besuch von Kinos verboten.

Die Heidelberger Kinos spielten derweil ihr gewöhnliches Programm: Sie zeigten Wochenschauen, die die Politik des nationalsozialistischen Regimes rühmten, Kulturfilme, die Deutschland als Reich genialer Künstler, vorbildlicher Handwerker und bodenständiger Bauern erscheinen ließen, dazu deutsche, amerikanische und französische Abenteuerfilme, Melodramen und natürlich Komödien.

In den Kammer-Lichtspielen und den Odeon-Lichtspielen in der Heidelberger Hauptstraße fand am 9. November 1938 die Erstaufführung des Spionagefilms "Rote Orchideen" statt; im Capitol in der Bergheimer Straße lief am Nachmittag des 9. November in einer feierlichen Sonderveranstaltung "Frau Sixta". Wie gewöhnlich wurde die Vorführung von Spielfilmen von einem 45-minütigen "Beiprogramm" gerahmt: einer Wochenschau, einem erzieherischen Kulturfilm, einer Kurzkomödie und Werbefilmen.
Für "Rote Orchideen" konnte das vollständige Beiprogramm rekonstruiert werden. Im Fall von "Frau Sixta" war das in dieser Form nicht möglich: Die Militärkapelle, die 1938 bei der Heidelberger Premiere spielte, hätte nicht ins Karlstorkino hineingepasst. Stattdessen läuft ein Beiprogramm aus Filmen, die damals in benachbarten Heidelberger Kinos zu sehen waren.

In kurzen Einführungsvorträgen wird die spannungsreiche Verflechtung von Politik, Erziehung und Unterhaltung in der Filmkultur des "Dritten Reichs" sowie die damalige Situation des Kinos in Heidelberg erläutert.

Der Eintritt ist frei.

Programmablauf:

Karlstorkino, Dienstag, 12.11.2013, 18.30-19.30

Vorprogramm mit Einführungsvortrag

Zu sehen sind: "Ufa-Tonwoche 426/1938", "Gute Reise, Herr Meier" (1938, Kurzkomödie, Regie: Alfred Stöger), "Porzellan" (1938, Kulturfilm, Regie: Curt K. Schmidt), "Katharina" (1938, animierter Werbefilm für Nivea; Ideen und Buch: Nelly Heuss-Knapp), "Zwei Minuten von Bedeutung" (1938, animierter Werbefilm für Kalodent-Zahncreme, Regie: Hans Fischerkoesen). Dauer: 60 Minuten. Filmkopien: Bundesarchiv-Filmarchiv, 35mm.

Karlstorkino, Dienstag, 12.11.2013, 19.30-21.00

"Rote Orchideen" (Deutschland 1938, Regie: Nunzio Malasomma)

Spionagefilm mit Olga Tschechowa, Albrecht Schoenhals und Camilla Horn. Ein wegen Verrats militärischer Geheimnisse zum Tode verurteilter Ingenieur (Albrecht Schoenhals) kann fliehen. Auf der Suche nach den wirklich Schuldigen stößt auf er eine Verbrecherorganisation und erliegt der Verführungskraft einer zwielichtigen Gräfin (Olga Tschechowa). Dauer: 87 Minuten. Filmkopie: Bundesarchiv-Filmarchiv, 35mm.

Karlstorkino, Mittwoch, 13.11.2013, 18.30-19.30

Vorprogramm mit Einführungsvortrag

Zu sehen sind: "Ufa-Tonwoche 427/1938", "Leichtsinn" (1937, Kurzkomödie, Regie: Henry Oebels), "Riemenschneider – der Meister von Würzburg" (1938, Kulturfilm, Regie: Walter Hege), "Unter der Haube" (1938, animierter Werbefilm für Essolub-Motorenöle, Regie: Hans Fischerkoesen), "Das war richtig!" (1938, animierter Werbefilm für Kücheneinrichtungen der Marke C. Blume, Regie: Heinz Wolfgang Tischmeyer), "Panik durch Ping-Pong" (1938, Zeichentrickfilm, Regie: Walter Born). Dauer: 60 Minuten. Filmkopien: Bundesarchiv-Filmarchiv, 35mm.

Karlstorkino, Mittwoch, 13.11.2013, 19.30-21.15

"Frau Sixta" (Deutschland 1938, Regie: Gustav Ucicky)

Literaturverfilmung mit Franziska Kinz, Ilse Werner und Gustav Fröhlich. "Frau Sixta" ist die in den Tiroler Alpen angesiedelte Geschichte einer stolzen, herben und einsamen Witwe (Franziska Kinz), deren stilles Leben durch die Ankunft eines ebenfalls vom Schicksal geschlagenen Wanderers (Gustav Fröhlich) durcheinander gerät. Dann kommt auch noch ihre Tochter (Ilse Werner) zu Besuch und verliebt sich in den Fremden. Die Premiere des Films fand statt beim Nürnberger Reichsparteitag der NSDAP im September 1938. Dauer: 102 Minuten. Filmkopie: Bundesarchiv-Filmarchiv, 35mm, niederländische und französische Untertitel.

Der Eintritt ist frei.

Ort: Karlstorkino, Am Karlstor 1, 69117 Heidelberg, Kartenreservierung: 06221 / 97 89 18, Telefon Büro: 06221 / 97 89 20, www.karlstorkino.de

Veranstalter: Interreg-Forschungsprojekt "Der Oberrhein im Gebrauchsfilm" (Interreg IV Wissenschaftsoffensive, Projekt Nr. A 25) am Institut für Geschichte und Ethik der Medizin der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Kontakt zum Veranstalter: Dr. Philipp Stiasny, Institut für Geschichte und Ethik der Medizin, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Im Neuenheimer Feld 327, 69120 Heidelberg, Tel.: 06221 / 54 82 12, philipp.stiasny@histmed.uni-heidelberg.de; www.histmed.uni-heidelberg.de