"Panorama 2011" mit weiteren renommierten Regisseuren sowie reichlich Neuentdeckungen



Kurz vor Abschluss des Programms lässt sich bereits absehen, dass das wirklich unabhängige Kino angesichts der Spätfolgen der Wirtschaftskrise im Vorteil ist.


Wagemutig und damit inspirierend präsentieren sich die Themen vieler Erstlinge wie der Israelin Michal Aviad, die vor dem Hintergrund des palästinensisch-israelischen Dauerkonflikts "Lo Roim Alaich" ("Invisible") ihre Protagonistinnen Traumata aufarbeiten lässt, oder der Französin Céline Sciamma, deren "Tomboy" vom Heranwachsen eines Jungen im Mädchenkörper erzählt; eine tief berührende Geschichte, derer sich auch die Deutsche Sabine Bernardi in ihrem ersten Film "Romeos" annimmt. Im französischen Beitrag "Dernier étage gauche gauche" ("Top Floor Left Wing") von Angelo Cianci schließlich geht es um die bereits integrierte aber marginalisierte und unterforderte nächste Generation von arabischen Jugendlichen. Aber auch bekannte Europäer wie der Grieche Constantine Giannaris, mehrfach im "Panorama" zu Gast und zuletzt im Wettbewerb 2002 mit "One Day In August", oder die Spanierin Icíar Bollaín nehmen sich der politischen Themen der Zeit an: Bootsflüchtlinge aus Afghanistan in "Man At Sea" und die Auswirkungen der Kolonisation damals wie heute in "También la lluvia" ("Even the Rain"), in dem Gael García Bernal aus einer ganzen Dorfgemeinschaft von Indios Darsteller für ein Eroberungsdrama zu casten hat. Der Film erhält am 16.2. auch eine Aufführung im "Kulinarischen Kino" der Berlinale. Sternekoch Thomas Kammeier wird dazu zwei vom Film inspirierte Gerichte zubereiten.

Darüber hinaus gibt es eine neue Welle innovativen Genrekinos zu entdecken, vom warmherzigen Kammerspiel um illegale Einwanderer aus Südamerika in "Amador" des Spaniers Fernando León De Aranoa (León zeigte 1997 "Familia" im "Panorama" sowie 2007 einen Beitrag zu "Invisibles" unter der Produktion von Javier Bardem) bis zu Iwai Shunjis "Vampire", in dem Kevin Zegers den zärtlichsten Vampir aller Zeiten gibt. Shunji eröffnete das "Panorama" 2002 mit seinem "All About Lily Chou-Chou".

Neue Erzählweisen sind zu spüren zum Beispiel im Erstling des Argentiniers Gustavo Taretto, in dessen "Medianeras" es gilt, einen Internet-Junkie zurück ins wirkliche Leben zu holen, oder in Jan Gassmanns Spielfilmdebut "OFFBEAT", einer eigenwillig stimmungsstarken Schweizer Geschichte ums Älterwerden der Rap-Generation. Auf die erzählerischen Möglichkeiten der Social Media wiederum gehen die Produzenten Ridley und Tony Scott mit "Life In A Day" unter der Regie von Kevin MacDonald ein. Aus tausenden von digitalen Angeboten vernetzter Weltbürger stellt der britische Filmemacher ein Kaleidoskop paralleler Lebenswelten zur Ansicht, das es so noch nicht gegeben hat. Die Arbeit mit 3D erfordert einen völlig neuen Umgang mit der Kamera, dem Licht, der Ausstattung und ganz besonders auch dem Schnitt: "The Mortician" des Briten Gareth Maxwell Roberts ist eines der gelungensten Beispiele derzeit, wie diese neue Herausforderung angenommen und ausgeführt werden kann.

Innovative Erzählweisen sowie ungewohnt kritische Bilder der Gesellschaft machen auch die drei indischen Themen im "Panorama" 2011 spürbar: Vishal Bhardwaj erzählt in "7 Khoon Maaf" ("7 Sins Forgiven") im großen Stil von einer ungeheuren Frauenfigur zwischen den Religionen und deren männlichen Vertretern, während der junge Regisseur Q in seinem Erstling "Gandu" ("Asshole") ungefiltert und roh ihren Platz in der Welt suchen lässt: "words are burning inside us - rap is a way to say them". Der Brite Phil Cox schließlich lässt in seinem "The Bengali Detective" den Zuschauer die Stadt Kolkata hautnah erleben: Mit den Privatdetektiven, deren Geschäft boomt, weil der Polizei nicht mehr zu trauen ist, gerät man selbst in die hintersten Winkel der Metropole.

Die bisherige Programmübersicht der "Panorama 2011" und weitere aktuelle Informationen finden Sie unter
www.berlinale.de