Filmfestival goEast wird Online und On Demand stattfinden

Die Festivalmacher:innen von goEast – Festival des mittel- und osteuropäischen Films stellen mit Bedauern fest, dass die gefassten Öffnungsperspektiven für den Kultursektor im April erneut kein Live-Festival ermöglichen – mit Kinovorführungen vor Ort und Begegnungen zwischen den Festivalbesucher:innen.

 

Aber Absagen kommt für goEast nicht in Frage und darum hat das von DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum veranstaltete Festival in Wiesbaden ein umfangreiches Online- und On Demand-Programm zusammengestellt. Im Festivalzeitraum vom 20. bis 26. April 2021 werden nahezu alle Festivalfilme On Demand über die Website von goEast in Deutschland angeboten. Dafür arbeitet das Festival erstmals mit dem VoD-Anbieter filmwerte zusammen. Akkreditierte erhalten freien Zugang zum Filmangebot. Über weitere Konditionen des On Demand Programms informiert goEast auf seiner Website und im Programmheft. 

Die Wettbewerbsbeiträge werden soweit möglich mindestens für die Jury in der Caligari FilmBühne gezeigt. Wenn es das Infektionsgeschehen zulässt, werden die Vorstellungen im Caligari und zusätzlich im Kino des DFF auch für eine geringe Anzahl an Branchen- und Pressevertreter:innen geöffnet. Als Publikumsveranstaltungen bleiben das Autokino auf dem Dern’schen Gelände in der Wiesbadener Innenstadt und der K67 Kiosk vor dem Nassauischen Kunstverein bestehen.

Darüber hinaus stellt goEast erneut ein Online-Veranstaltungsprogramm zur Verfügung. Hierfür richtet goEast ein Festivalstudio im Museum Wiesbaden ein, von wo Filmgespräche mit den Filmschaffenden der Wettbewerbssektion aufgezeichnet, Diskussionsrunden und Panels des Symposiums und auch Veranstaltungen des East-West Talent Lab gestreamt werden. Darüber hinaus werden auch die Masterclass mit Péter Lichter und Márió Z. Nemes und die Anti-Oscar-Nacht mit dem diesjährigen Gewinner des Goldenen Bären der Berlinale, Radu Jude, und dem Action-Künstler Dan Perjovschi online erlebbar.

"Leben verlangt mutige Entscheidungen" - Mut zur Vielfalt des Films in der Sektion Bioskop

Die Sektion Bioskop bietet ost- und mitteleuropäische Filmproduktionen, denen auch abseits eines Premierenzwangs eine Bühne gebührt. Altmeister:innen wie Vitaly Mansky, Laila Pakalnina, Renata Litvinova, Jasmila Zbanić, Filip Remunda und Vít Klusák sind genauso vertreten, wie experimentellere Werke. In "Gorbachev. Heaven" ("Gorbačovs. Paradize", Lettland, Tschechische Republik 2020) fasst Dokumentarfilmer Vitaly Mansky die Entscheidung, ein "Gespräch mit einem Verrückten", wie Mikhail Gorbachev es selbst nennt, zu suchen und trifft den inzwischen 89-jährigen ehemaligen Staatsmann. Es entsteht eine persönliche, humoristische wie auch reflektierte Reise durch die Vergangenheit. UN-Übersetzerin Aida, die Protagonistin des oscarnominierten "Quo Vadis, Aida?" (Bosnien und Herzegowina, Österreich, Rumänien, Niederlande, Deutschland, Polen, Frankreich, Norwegen 2020), kämpft in den Tagen vor dem Massaker im bosnischen Srebrenica im Jahr 1995 für das Überleben ihrer Familie.  

Wo sich in Russland die Menschen verlassen fühlen und als einzigen Ausweg den direkten Appell an Präsident Wladimir Putin sehen, knüpft "The Foudation Pit" (Kotlovan, Russland 2020) von Andrey Gryazev an. Der Found-Footage-Film sammelt virtuelle Stimmen der russischen Bevölkerung aus dem Internet, die wie Bittsteller:innen am Zarenhof erscheinen und sich vom Präsidenten persönlich Hilfe bei ihren Problemen erwarten. Etwas leichtere Kost bietet "The North Wind" (Severnyj Veter, Russland 2021) von Kultschauspielerin Renata Litvinova. Der Champagner fließt in Strömen und das dekadente Werk erinnert manchmal an Tschechows Theaterstücke oder an eine post-apokalyptische Variation von Luchino Viscontis "Die Verdammten". Gänzlich märchenhaft wird es mit "In The Mirror" (Spoguli, Lettland, Litauen 2020), in dem die ehemalige Jury-Präsidentin von goEast, Laila Pakalniņa, Schneewittchen neu interpretiert und die Geschichte komplett aus der Selfie-Perspektive präsentiert. Ähnlich humorvoll erzählt Abdulkhai Zokirovs "The Bus" (Tadschikistan 2020) von einer bunt zusammengewürfelten Busgesellschaft, die sich auf eine Odyssee ins Ungewisse begibt. Lebensverändernde Umstände und eine Suche nach Erlösung beschreitet "Once Opun A Time In Poland" (Jak Bůh Hledal Karla, Tschechische Republik, Polen, Slowakei 2020) von Vít Klusák und Filip Remunda. Das Regie-Duo gilt als Tschechiens Antwort auf Michael Moore oder "The Yes Men". Kein Wunder, dass das existenzialistische Roadmovie, das den Katholizismus Polens unter die Lupe nimmt, in Teilen wie ein Film im Film scheint. Ikonisch und emanzipiert tritt letztendlich "Glory To The Queen" (Georgien, Österreich, Serbien 2020) im Bioskop auf. Das Porträt über die vier Schachmeisterinnen Nona Gaprindaschwili, Nana Alexandria, Maia Tschiburdanidze und Nana Iosseliani lässt sich auch als wahre Geschichte im Vergleich zur Netflix-Serie "The Qeen's Gambit" sehen.

Der Open Frame Award öffnet die Augen für innovative Formen des Kinos

Der wohl innovativste Wettbewerb bei goEast, in dem jährlich mittel- und osteuropäische Virtual Reality- und 360-Grad-Filmprojekte um einen von der BHF Bank Stiftung ausgelobten Preis und 5.000 Euro konkurrieren, hat bereits im ersten Corona-Jahr die vermeintlichen Einschränkungen durch die Pandemie als Chance verstanden. So präsentierten der russische VR-Künstler und Gewinner des Open Frame Award 2018, Denis Semionov und Kurator Georgy Molodtsov virtuelle Spielstätten für den Wettbewerb. 2021 kehren das Caligari VR und die goEast VRoof Top Lounge zurück und werden für den virtuellen Teil von goEast sogar noch weiterentwickelt. Erreichbar werden die digitalen Spielorte von goEast über eine VR-Brille oder auch über einen handelsüblichen PC.

Im Programm des Open Frame Award erkunden die Filmschaffenden innovative Formen der Erzählkunst, die von poetischen Experimenten bis hin zu interaktiven Sinneserfahrungen reichen. Stets vermengen sich dabei Realität und virtueller Raum zu einer neuen Erfahrung für die Teilnehmer:innen. "Deep Dive" (Polen 2020) von Milosz Hermanowicz verbindet wilde Natur mit schmerzhaften Verlusterfahrungen in einem 360-Grad-Spielfilm, der einer Vision natürlicher Erzählweisen folgt. Extreme Umstände gipfeln auch in der interaktiven VR-Erfahrung "Dislocation" (Dislokacije, Kroatien 2020) in Momenten der Entfremdung, in denen Erinnerungen an ein verlorenes Zuhause langsam zu verfallen drohen. Dagegen besinnt sich "Horeku. The Stories Of Tuhard Tundra" (Russland 2021) von Anna Tolkacheva auf die dokumentarische Betrachtung von Rentieren, Schlittenhunden und Netflix-Serien. Aus der Sicht des beliebten und zahmen Tieres Horeku, wird das eindrückliche Leben einer modernen Nomadenfamilie in der Tundra dargestellt. "#Prisonervice" (Ukraine 2020) von Nikita Bohdanov verfolgt als Augmented Reality und Virtual Reality 360-Grad-Dokumentarfilm die drei ukrainischen Aktivisten Oleg Sentsov, Oleksandr Kolchenko und Volodmymyr Balukh, die mithilfe der VR-Software Oculus Quill von ihren unrechtmäßigen Inhaftierungen in Russland erzählen. Ganz im Gegenteil dazu steht als Animationsfilm die interaktive VR-Erfahrung "Nightsss" (Polen 2021) von Weronika Lewandowska und Sandra Frydrysiak, die mit Poesie, Tanz und dem lautmalerischen Trend Autonomous Sensory Meridian Response (ASMR) den eigenen Körper und die Vorstellungskraft im virtuellen Raum ganz neu erlebbar machen. Kindliche Vorstellungskraft nutzt dagegen "The Spheres City –Tangible Utopias"  (Rumänien 2021) als Inspiration, um Odysseen durch Stadtszenarien vielschichtiger Zukunftsgesellschaften zu inszenieren. Mit " TX Reverse 360°" (Österreich, Deutschland 2019) entdeckt der Open Frame Award weitere experimentelle Sphären durch visuelle Kollisionen von Traum und Realität im Kino.

Hier können Sie das komplette Programm für die 21. Ausgabe von goEast – Festival des mittel- und osteuropäischen Films einsehen.  

Quelle: www.filmfestival-goeast.de