Am Montag, den 17. Oktober, endete die 22. Ausgabe von Edimotion, dem Festival für Filmschnitt und Montagekunst mit der Vergabe der Schnitt Preise 2022 im Filmforum NRW im Museum Ludwig.
Der Filmstiftung NRW Schnitt Preis Spielfilm (dotiert mit 7.500 Euro) ging 2022 an Fred Baillif für "La Mif" (R: Fred Baillif).
Jurybegründung:
Mit selten gesehener Geschwindigkeit entwickelt der Film einen Sog, der das Publikum bis zum letzten Schnitt in Atem hält. Schwarz. Abspann. Absolute Stille. Der Film ist ein Ereignis. Ein Hybrid, der seine Form niemals ausstellt. Die Laiendarsteller*innen agieren mit großer Selbstverständlichkeit und klischeefrei vor der Kamera. Sie improvisieren, sie sprechen in ihrer eigenen Sprache, und erzeugen einen Realismus, der allerdings erst durch die Montage in eine überzeugende und immer wieder überraschende Form und Struktur gebracht wurde. Auf kunstvolle Art und Weise verdichtet und verwebt der Editor die Schicksale der zahlreichen Figuren. Der Montage gelingt es, aus den verschiedenen Perspektiven und Zeitebenen ein großartiges Kaleidoskop und gleichzeitig ein großes Ganzes zu schaffen – voller Tragik, Humor, Leichtigkeit und Schönheit. So entstehen immer wieder große Kinomomente.
Die Spielfilm-Jury setze sich 2022 zusammen aus Regisseurin Jules Herrmann, Vorjahrespreisträger Kaya Inan, dem Produzenten Torsten Reglin, Schauspielerin und Drehbuchautorin Birgit Stauber und Drehbuchautorin Ruth Toma.
Der Bild-Kunst Schnitt Preis Dokumentarfilm 2022 (dotiert mit 7.500 Euro) ging an Anja Pohl für "Walchensee Forever" (R: Janna Ji Wonders).
Jurybegründung:
Es sind Jahrzehnte Material. Bayerische Postkartenidylle, ein Café am See – in den Bergen. Und dann diese Frauen: Die Urgroßmutter, die Großmutter, Mutter – und die Tante, die sich umgebracht hat. Brüche gibt es in dieser Familie, einen Künstler, Fotografie und Bewegtbild – die Geschichte eines Aus-und Aufbruchs in den 60gern – New York und Mexico wird erobert – durch jodelnde Schwestern. Die Montage kämpft sich durch – muss nicht nur mit unterschiedlichstem Material umgehen, sondern auch mit der Nähe der Regisseurin zu ihrer Familie. Der Film beginnt mit einem Gespräch, zwischen Mutter und Tochter – welches eine Generation später wiederholt wird, aber umgekehrt. Wer ist vor, wer hinter der Kamera? Wer inszeniert wen? Und wie symbiotisch sind diese Beziehungen? Ein Familienfilm, den die Editorin in seiner Vielschichtigkeit gestaltet. Mit Tönen, Stimmungen, Landschaften und Erinnerungsbildern kreist sie um die Frage: Wer sind wir, wo sind wir zuhause, kann es so etwas wie Heimat geben – und wie sieht diese aus?
Mitglieder der Dokumentarfilm-Jury 2022 waren Regisseurin Elena Alvarez, Editorin Bettina Böhler, Kameramann Philipp Künzli, Filmjournalistin Claudia Lenssen und Produzent Ralph Wieser.
Der diesjährige The Edit Space Förderpreis Schnitt (dotiert mit 2.500 Euro) ging an Ilya Gavrilenkov für "Vibrations – Inner Music" (R: Cadenza Zhao).
Jurybegründung:
Unser Preisträger ist ein sehr ungewöhnlicher Film: Eine Fusion von Bildern, Musik, Tanz, Rhythmus, Improvisation – und einer besonderen Hauptfigur. Der Editor hatte die anspruchsvolle Aufgabe, alle diese Elemente in eine Form zu bringen. Die Montage löst das virtuos, wird selbst zu Rhythmus und Musik, balanciert die Ebenen aus, lässt sie einander durchdringen. Wir werden ganz nah an die Persönlichkeit der Künstlerin herangeführt – und sogar die Untertitelung für Gehörlose fügt dem Ganzen noch eine weitere, bedeutungsvolle Ebene hinzu.
Die Entscheidung über die Vergabe des The Edit Space Förderpreis Schnitt fällten die Jurys des Schnitt Preis Spielfilm und des Bild-Kunst Schnitt Preis Dokumentarfilm gemeinsam.
Den mit 3000,- Euro dotierten Ehrenpreis Schnitt erhält mit Fee Liechti Seigner zum ersten Mal eine Editorin aus der Schweiz – die Laudatio hielt Regisseur Christoph Schaub.
"Wir freuen uns sehr, dass wir nach zwei stark durch die Pandemie geprägten Festivalausgaben in diesem Jahr endgültig die Rückkehr des Publikums in den Kinosaal erleben konnten: Der Hunger nach lebendigem Austausch über die Kunst des Filmschnitts und die Ambivalenz der Macht der Montage war beim Besuch unserer Themenpanel, Workshops und Werkstattgespräche enorm. Genau wie die Begeisterung, die nominierten Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilme gemeinsam mit den Jurys live auf Leinwand genießen und im Anschluss die nominierten Editorinnen und Editoren im Filmgespräch erleben zu können", resümiert die Künstlerische Leiterin Kyra Scheurer nach Edimotion und verrät ihr persönliches Highlight der 22. Festivalausgabe: "Die Begegnung mit unserer Ehreneditorin Fee Liechti und ihren beiden als Laudatoren angereisten Regisseuren Hans-Ulrich Schlumpf und Christoph Schaub war besonders bereichernd für mich - meine Begeisterung für den hybriden Film wurde durch die Einblicke in die Schweizer Filmszene der vergangenen Jahrzehnte noch vertieft: Auch im Zusammenspiel von Regie und Montage wurde dort deutlich selbstverständlicher zwischen den Gattungen Spiel-und Dokumentarfilm agiert".
Auch Edimotion-Geschäftsführerin Jenny Krüger freut sich über ein gelungenes Festival: "Wir konnten erfolgreich unseren 2021 eingeschlagenen Weg als erstes klimaneutral agierendes Festival in NRW fortführen und dank weiterer Edimotion Goes Green-Partner klimaschonendes Handeln auch für unsere Besucher noch vereinfachen. Nachhaltigkeit heißt für uns auch Achtsamkeit hinsichtlich Inklusion und Teilhabe und auch hier konnten wir trotz begrenzter Mittel weitere Schritte umsetzen. Eine besondere Freude war die Ausrichtung von acht Stipendien, die Editoren und Editorinnen aus Schwellen- und Entwicklungsländern die Anreise und Teilnahme an unserem Internationalen Film Editors Forum ermöglicht hat - eine wichtige Brücke im internationalen Bereich, die wir dank der Unterstützung des Goethe Instituts und des Auswärtigen Amts 2022 erstmalig schlagen konnten."
Wie auch im Vorjahr wurde das Festival klimaneutral durchgeführt. Edimotion findet 2023 von 13. bis 16. Oktober statt.
Quelle: www.edimotion.de