Am 10. Februar 2012 präsentieren die 62. Internationalen Filmfestspiele Berlin im Friedrichstadt-Palast die Premiere einer rekonstruierten Fassung von "Oktober" ("Oktjabr", UdSSR 1928, R: Sergej M. Eisenstein). Die Aufführung mit der Originalmusik Edmund Meisels vom Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter dem Dirigat von Frank Strobel ist ein Berlinale Special und Teil der Retrospektive "Die rote Traumfabrik".
"Oktober steht beispielhaft für die Revolutionsfilme, die die Wahrnehmung des sowjetischen Kinos jener Zeit stark prägte. Besonders in Verbindung mit der kongenialen Musik Meisels verspricht er ein großes Erlebnis", meint Rainer Rother, Leiter der Retrospektive und Künstlerischer Direktor der Deutschen Kinemathek.
"Oktober" zeichnet die geschichtlichen Prozesse von der Februarrevolution bis zum Oktober 1917 nach und kommentiert die Ereignisse durch Montagen voll Pathos und Ironie. Der Film entstand im Auftrag des Exekutivkomitees der KPdSU zur Feier des 10. Jahrestags der Oktoberrevolution. Gedreht an Originalschauplätzen, setzt Eisensteins Film der kämpfenden Bevölkerung Petrograds und früheren Kampfgenossen Lenins ein Denkmal, die 1928 politisch in Ungnade gefallen waren. Dies führte dazu, dass der Film nach seiner Uraufführung am 14.03.1928 im Bolschoi-Theater zensiert wurde und aus den Kinos verschwand.
In den 1960er Jahren arbeitete Naum Klejman im Staatlichen Filmarchiv Gosfilmofond an einer filmwissenschaftlich fundierten Rekonstruktion. Auf dieser Version basiert die neue HD-Restaurierung aus dem Filmmuseum München, das in den 1970er Jahren eine Kopie von Gosfilmofond erworben hat. Für die Berlinale-Aufführung wurde die Münchner Kopie fotografisch verbessert durch Material vom EYE Film Instituut, Amsterdam, und dem Bundesarchiv/Filmarchiv, Berlin.
Die große Wiederentdeckung bei dieser Aufführung ist die an die rekonstruierte Fassung angepasste Filmmusik von Edmund Meisel. Wie bei "Panzerkreuzer Potemkin" entstand auch bei "Oktober" die Musik zur deutschen Fassung des Films im Auftrag des deutschen Verleihers Prometheus. Meisel plante seine Musik "nach einem aufgezeichneten Steigerungssystem, das die fortschreitende Handlung unterstreichen soll". Das Resultat ist eine höchst innovative Filmmusik, die mit ihrer geräuschhaften Klanglichkeit und Rhythmisierung wie ein Vorbote der Punk- und Technomusik wirkt und seinerzeit heftig umstritten war.
Edmund Meisel (1894 - 1930) hat als Komponist epochaler Filmmusiken die Filmgeschichte maßgeblich geprägt. Er experimentierte mit neuen Technologien der Musikbegleitung im Theater und Kino, schrieb 14 Bühnenmusiken und zehn Kompositionen für Stumm- und Tonfilme, er dirigierte, machte Hörspiele, Plattenaufnahmen und Studioproduktionen. Als er 1930 starb, hatte die Filmwelt einen ihrer produktivsten Komponisten verloren.
Berlinale-Direktor Dieter Kosslick freut sich über die Premiere: "'Oktober' ist ein Meisterwerk der Filmgeschichte. Es ist toll, dass wir unserem Publikum die restaurierte Fassung zeigen können – noch dazu mit der musikalischen Begleitung des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin. Ich bin sicher, dass der Film auch heute die Menschen begeistern wird."
"Oktober" in der restaurierten Fassung ist ein Initiativprojekt von ZDF/ARTE, realisiert in Koproduktion mit Deutschlandradio Kultur, dem Filmmuseum München, der roc berlin und dem Russischen Staatsarchiv für Literatur und Kunst (RGALI), Moskau. Anlässlich der Berlinale-Premiere strahlt ARTE die Aufzeichnung der Oktober-Aufführung am Mittwoch, dem 15. Februar 2012, um 23:00 Uhr aus.
Quelle und weitere Informationen: www.berlinale.de