Verbotene Liebe

DDR 1989/1990 Spielfilm

Inhalt

Der 18-jährige Schüler Georg und die 13-jährige Barbara kennen sich aus frühester Kindheit. Aus Nachbarskindern sind Liebende geworden. Da die Elternhäuser der beiden verfeindet sind, ist dies der willkommene Anlass für eine Strafanzeige wegen sexuellen Missbrauchs einer Minderjährigen. Versuche der Aussöhnung zwischen den Familien haben keinen Erfolg. Auch in der Schule kommt es zu kontroversen Auseinandersetzungen. Barbara und Georg bekennen sich offen zu ihrer Liebe, Mitschüler solidarisieren sich mit Georg. Während der dogmatische Direktor das Liebesverhältnis verurteilt, zeigt die Lehrerin Verständnis für die jungen Leute.

 

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Heinz17herne
Heinz17herne
Der gerade 18 Jahre alt gewordene Georg Kalisch steht vor Gericht. Die Anklage: mehrfacher sexueller Missbrauch der erst 13-jährigen Barbara Behrend. Während die Richterin die Anklage verliest, wandert sein Blick verstohlen zur voll besetzten Zuschauertribüne, wo in der ersten Reihe Barbara mit ihren Eltern sitzt und es kaum wagt, den Kopf zu heben. Rückblick. Georg und Barbara sind auf dem Land als Nachbarskinder zweier miteinander verfeindeter Elternhäuser aufgewachsen. Sie haben den gleichen Schulweg durch die Felder, spielen unter der Sommersonne wie auf schneebedecktem Boden ganz selbstverständlich mit Gleichaltrigen, obwohl ihr Altersunterschied von vier Jahren verhältnismäßig groß ist. „Ich will, du wirst mein Mann“ bekundet Barbara, der schon sehr früh klar wird, dass sie Georg mit aller Leidenschaft liebt. Doch der blockt noch ab: „Ach, nee!“

Zeitsprung. Barbara hat sich angeblich den Fuß verknackt, liegt mit geschürztem Minikleid in lasziver Pose im Kornfeld, um sich von Georg zurück ins Dorf helfend begleiten zu lassen: „Du musst fester fassen!“ Die frühreife Zwölfjährige ergreift die Initiative, doch er schraubt lieber an seinem Simson-Moped herum, sodass sie Hühner über den die Nachbarsgrundstücke trennenden Maschendrahtzaun werfen muss, um Georgs Aufmerksamkeit zu erwecken. Barbaras Eltern sehen die offenbare Freundschaft ihrer Tochter zum eher stillen, in sich gekehrten Sohn des SED-Parteifunktionärs Kalisch höchst ungern. Denn die Behrends haben den Sender Freies Berlin im Radiogerät programmiert, gucken abends West-Fernsehen und werden später bei der feucht-fröhlichen Familienfeier zum 13. Geburtstag Barbaras sogar die westdeutsche Nationalhymne anstimmen. Was der parteitreue Nachbar naturgemäß als reine, auf ihn gemünzte Provokation empfinden muss. Dabei sieht der gelernte, in seinem Beruf erfolgreiche Schlosser seine politische Funktion im Gespräch mit seiner Frau völlig illusionslos: „Optimist, ein hauptamtlicher.“

Als es Barbara, die mit anderen Sechstklässlern im Badesee herumtollt, darauf anlegt, sich vom am Ufer in ein Buch vertieften Georg vor dem Ertrinken retten zu lassen, was dem nun zur Erweiterten Oberschule (EOS) in die Kreisstadt wechselnden Zehntklässler vom Rektor eine öffentliche Belobigung und den Eintrag ins Ehrenbuch der Ho Chi Minh Oberschule einbringt, platzt ihrem Vater der Kragen: „Irgendwann krieg ich den schon klein, den Zaunbauer.“ Womit er Georgs Vater meint. Bald trennt neben dem Zaun auch noch eine Steinmauer beide Grundstücke. Auch Georgs Mutter ist nicht amüsiert: „Und du halt Abstand von dem Mädel!“ Nun nimmt die Romeo-und-Julia-Geschichte erst richtig Fahrt auf: Weil Georg die Woche über im zur EOS gehörenden Internat lebt, kann Barbara ihn nur noch an den Wochenenden sehen. „Manchmal schwebe ich wie auf Wolken. Und ich falle so durch Wolken durch, die wie Wattebäusche sind, warum und weich“: Sie vertraut ihm ihre Träume an, die einher gehen mit der ersten Erfahrung ihrer Sexualität.

„Und was wird aus mir? Ich will weg von hier“: Zwei Jahre EOS, nach dem Abitur drei Jahre „bei der Fahne“ - Barbara will nach der achten Klasse abgehen und zu Georg in die Stadt ziehen, sich dort eine Lehrstelle suchen. Vier Tage vor seiner Abreise passierts zum ersten Mal - auf dem Dachboden einer verwaisten Scheune. Und wieder ist es Barbara, die bei ihrem „Brudertier“ die Initiative ergreift. Die beiden können und wollen ihre Liebe nicht mehr länger verheimlichen – trotz der in diesem Fall eindeutigen gesetzlichen Bestimmungen. Als Barbara mit ihrer Lieblingspuppe auch ihre Kindheit auf dem Friedhof begräbt, kommt ihre Lehrerin Laube als erste dahinter. Und sie weiß um die Konsequenzen: „Du darfst mir das nicht sagen, Barbara, niemandem.“ Die empathische Lehrerin, die selbst mit 16 Jahren eine Abtreibung vornehmen lassen musste, weil es zu ihrer Zeit die „Pille“ noch nicht gab, rät ihr dringend dazu, die Schule nicht vorzeitig zu verlassen: „In zwei Jahren sind wir alle klüger. Was sind schon zwei Jahre?“

Doch als eine Jugendbande auf Motorrädern, darunter Barbaras Brüder sowie ihre Rivalin, das Liebesnest in Brand steckt und „die Hure“ brutal zusammenschlägt, macht die „verbotene Liebe“ im Dorf die Runde und Barbaras Vater sieht endlich eine Möglichkeit, dem verhassten Nachbarn eins auszuwischen – ohne Rücksicht auf die eigene Tochter: „Hat er dir die Beine breit gemacht, das Söhnchen vom Genossen“ beschimpft er die übel zugerichtete Barbara und kündigt einen Rachefeldzug vor Gericht an: „Ich zeig‘ ihn an, den Bock, der ist schon 18. Und den Alten mach‘ ich fertig!“ Der Schuldirektor ist ganz auf seiner Seite: „Die sollen lernen und nicht lieben“.

„Sozialistische Schule: Erziehung zum Denken“ steht in großen Versalien an der Wand, als darüber beschlossen wird, Georg aus dem Ehrenbuch zu streichen. „Ist doch bloß Papier“: die Schüler nicken eine solche Staatsaktion so müde ab wie alle anderen. Doch dann bewegt sich einiges im Dorf, denn Barbara steht zu ihrer Liebe – und zu ihrer „Schuld“. Der Kriminalpolizist versucht vergeblich, sie zu einer Aussage zu bewegen, nach der sie von Georg verführt worden ist. Selbst der Staatsanwalt, der bewusst nicht von „Verbrechen“ spricht, sondern von einer „strafbaren Handlung vor dem Gesetz“, erkennt, dass die Sorge um die Tochter nicht das eigentliche Motiv der Anzeige des Vaters ist.

„Verbotene Liebe“, am 26. September 1991 in der DFF-Länderkette erstausgestrahlt, lag drei Jahre auf Eis. Bereits 1986 hatte Dziuba das Szenarium nach der Erzählung „Der Sündenfall“ von Helmut H. Schulz verfasst. Doch die Drehgenehmigung wurde immer wieder verschoben. Denn in der ganzen EOS regt sich offener Widerstand: „Für die NVA soll man sich entscheiden, obwohl man noch nicht volljährig ist, aber nicht für die Liebe?“ Selbst in der Wolle gefärbte FDJ-Blauhemden proben den Aufstand. Und Lehrerin Laube, die als einzige öffentlich zu den Liebenden gehalten hat, stellt in der Schulkonferenz grundsätzliche Fragen: „Bewusstsein lässt sich nicht verordnen.“ Was ihr selbst ein Disziplinarverfahren einbringt. Das Urteil der Richterin am Kreisgericht Seelow bleibt offen. Aber im Abspann erhält Markus eine Hochzeitsanzeige von Barbara und Georg.

Gudrun Ritters empathische Lehrerin, für die von Dziuba hinzuerfundene Rolle wurde sie beim sechsten und letzten Nationalen Spielfilmfestival der DDR 1990 im Berliner „International“ als beste Nebendarstellerin ausgezeichnet, verteidigt einerseits – auch aus eigener bitterer Erfahrung - die Liebe unter Minderjährigen, schweigt aber andererseits auf dem Podium der Schulkonferenz zur Streichung Georgs aus dem Ehrenbuch. Ihr starrer Blick zurück in Helmut Bergmanns Kamera an der Seite Julia Brendlers, nachdem Barbara sich gegenüber ihrer Klassenlehrerin offenbart hat, gehört zu den großen, nachhaltig wirkenden Szenen des Films. In Barbaras Kinderzimmer hängt ein Bild des Ehepaars Thälmann mit den Worten der Ermutigung des von den Nazis verhafteten Kommunistenführers an seine Gattin kurz vor seiner Ermordung 1944 im KZ Buchenwald: „Ein Leben ohne Hoffnung ist wie ein Vogel ohne Schwingen. Ein Leben ohne Liebe ist wie ein Himmel ohne Sterne.“ Solche Details zeichnen Defa-Filme immer wieder aus.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Regie-Assistenz

Drehbuch

Szenarium

Dramaturgie

Kamera-Assistenz

Standfotos

Bauten

Kostüme

Darsteller

Produktionsleitung

Länge:
2473 m, 91 min
Format:
35mm, 1:1,66
Bild/Ton:
Orwocolor, Ton
Aufführung:

Uraufführung (DD): 19.04.1990, Berlin, International

Titel

  • Originaltitel (DD) Verbotene Liebe

Fassungen

Original

Länge:
2473 m, 91 min
Format:
35mm, 1:1,66
Bild/Ton:
Orwocolor, Ton
Aufführung:

Uraufführung (DD): 19.04.1990, Berlin, International

Auszeichnungen

Nationales Spielfilmfestival der DDR 1990
  • Beste Nebendarstellerin