Inhalt
Der Oderbruch-Gastwirt Hradschek ist in finanziellen Schwierigkeiten. Ein Krakauer Geldeintreiber verschwindet auf ungeklärte Weise, nachdem er Hradschek aufgesucht hatte. Seine Kutsche findet man in der Oder. Nachbarn verdächtigen sofort den Wirt, zumal man beobachten konnte, wie er nachts unter seinem Birnbaum gegraben hatte. Dort findet sich aber nur ein altes Skelett. Die gesuchte Leiche ist in Hradscheks Keller verscharrt. Die Last der Schuld wird zum Verhängnis. Die Frau des Wirtes geht seelisch zu Grunde. Hradschek stürzt auf der Kellertreppe zu Tode.
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Abel ist sein bester Kunde: er trinkt nicht nur zu viel, was zu dauerndem Streit seiner im Grunde genommen trotz des schmerzlichen Verlustes beider Kinder an einem Tag harmonischen Ehe führt, sondern er verspielt auch mehr, als er in der Wirtschaft einnimmt. Weshalb ihn hohe Schulden plagen, darunter auch Außenstände bei seinem Krakauer Weinlieferanten, der angekündigt hat, nun seinen Schuldeintreiber Szulski zu schicken. Als Abel beim Umgraben seines Gartens auf die sterblichen Überreste eines wahrscheinlich französischen Soldaten stößt, der vor über zwanzig Jahren auf dem Rückzug der napoleonischen Truppen nach dem verheerenden Feldzug in Russland umgekommen und hier verscharrt worden ist, kommt ihm eine Idee, wie er – sogar mit unfreiwilliger Hilfe des stets neugierigen Nachbarin Mutter Jeschken – seine Schulden loswerden kann. Als der polnische Eintreiber eintrifft, kann Abel durch eine Erbschaft seiner Frau, wie er zuvor im Ort verlauten ließ, Szulskis Forderung bedienen. In Wirklichkeit hat er gegen die Bedenken seiner gottesfürchtigen Gattin neue Schulden gemacht.
In der Nacht zieht ein Unwetter auf, und Mutter Jeschken beobachtet im Licht der Gewitterblitze, wie sich ihr Nachbar am Birnbaum seines Gartens zu schaffen macht. Am anderen Morgen verlässt Szulski wie geplant in seiner Kutsche das Dorf. Als diese einige Zeit später ohne Fahrer, aber mit dessen Mütze, in der Oder gefunden wird, berichtet die Nachbarin von ihrer nächtlichen Beobachtung. Doch Gendarm Geelhaar findet nur das Skelett des Franzosen – und von Abel zur Täuschung im Garten verbuddelte verdorbene Speckseiten. Aller Schulden ledig lässt Hradschek den Gasthof umbauen, um seine von Gewissensbissen getriebene Frau halten zu können. Als sie einige Zeit später stirbt, will Abel nun auch den Keller des Hauses ausbauen. Doch lehnt er vehement den viel wohlfeileren Plan ab, statt eines neuen Gewölbes den Boden auszuschachten. Mutter Jeschken behauptet nun, in Hradscheks Keller spuke es, sodass sich Abels Bedienstete nicht mehr hinuntertrauen. Beim Versuch, die Leiche Szulskis fortzuschaffen, stürzt sich Abel, verursacht durch ein ins Rollen gebrachtes Fass, selbst zu Tode…
Theodor Fontane verfasste seine Kriminalnovelle, der, was den Leichenfund unter einem Birnbaum betrifft, eine wahre Begebenheit zugrunde liegt, zwischen 1883 und April 1885. Beginnend im August desselben Jahres erschien sie als Vorabdruck in Fortsetzungen in der Familienzeitschrift „Die Gartenlaube“, bevor im November 1885 die Buchausgabe im Berliner Verlag Müller-Grote herauskam. Ralf Kirstens Leinwandadaption kommt in einem Jahr heraus, in dem neben dem Top-Hit „Die Legende von Paul und Paula“ fast die Hälfte der Defa-Produktionen aus Literaturverfilmungen besteht, beginnend mit seiner eigenen E.T.A. Hoffmann-Interpretation „Elixiere des Teufels“. „Liebe und Existenzangst sind das Motiv für Hradscheks Tat. Gerade durch diese Tat aber wird die Liebe zerstört“: Ralf Kirsten wollte keine Kriminalgeschichte erzählen, sondern den Mord und seine Folgen auf die Beziehung der Täter ins Zentrum rücken – vor dem Hintergrund einer kargen, erst durch den Alten Fritz besiedelten Landschaft. Den Lektüreeindruck der Novelle, Bilder dunkler Stuben, verwinkelter Räume und lehmiger Gassen, bestätigt Wolfgang Braumanns Kamera. Nicht zuletzt indem er kleine, zwischen den Zeilen Fontanes versteckte Anspielungen verdeutlicht, rückt Kirsten nicht nur das soziale Umfeld der Protagonisten in den Mittelpunkt, sondern leuchtet auch deren psychologische Motivation aus, um damit beim Publikum um Verständnis, wenn nicht gar um heimliche Sympathie für das Mörderpaar zu werben. Das ist ihm in der um das „kulturelle Erbe“ fürchtenden DDR-Kritik nicht gut bekommen.
Nach der Erstausstrahlung am 10. Mai 1975 im Fernsehen der DDR erfolgte die bundesdeutsche Erstaufführung am 4. Juli 1976 im ZDF. „Fader Mord“ ist der Verriss von Petra Kipphoff in „Die Zeit“ (vom 9. Juli 1976) betitelt: „Zum Verfilmen scheint sich die kleine Mord- und Gruselgeschichte aber besonders gut zu eignen, denn dieses Genrebild der Bewohner des Dorfes Tschechin im Oderbruch gewinnt seine Dimension nicht so sehr aus dem verschlungenen Für und Wider der menschlichen Beziehungen, sondern aus der guten alten ‚Whodunnit‘-Frage.“ Dass das gerade bei Ralf Kirsten nicht so ist, hat Petra Kipphoff nicht gesehen oder sehen wollen, wenn sie am Schluss resümiert: „Man solle keinen reißerischen Kriminalfilm erwarten, hatte die Ansagerin gesagt. Und sie hatte recht, was man sah, war einfach langweilig.“
Pitt Herrmann