Inhalt
Till Eulenspiegel, eine Legendenfigur aus der Zeit des Bauernkrieges, zieht durch die Lande, um den Mächtigen den Spiegel vorzuhalten und dem einfachen Volk die Augen zu öffnen. Stationen seiner Schelmenstreiche sind die Burg des anachronistischen Ritter Kunz; der Hof des Fürsten Heinrich, dessen Festsaal er neu ausmalen soll, und der Kaiserhof. Durch einen gewitzten, scharfsinnigen Disput mit den arroganten und dogmatischen Professoren kann er die Gnade des Kaisers wiedererlangen, entgeht so dem Galgen, wird aber des Landes verwiesen.
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Sie siedelt die episodisch erzählten Geschichten um den mittellosen Bauernsohn, Einzelgänger und Provokateur Till in die soziale und politische Situation am Vorabend des großen deutschen Bauernkrieges, also zu Beginn des 16. Jahrhunderts, an. Mit dem Witz und der Bauernschläue eines Menschen aus dem Volk setzt sich Till mit seiner Zeit und den Vertretern der herrschenden Klasse auseinander. Seine Begegnungen mit dem Raubritter Kunz, seine Konfrontation mit den Fürsten und dem Bischof und seine Erlebnisse am Kaiserhof stehen im Zentrum des Films und zeigen, dass Till Eulenspiegel überleben will in der mörderischen feudalistischen Zeit und dabei ganz auf seine stärkste Waffe, seinen scharfen und wachen Verstand, setzen kann.
So sind seine sogenannten Streiche in Christa und Gerhard Wolfs Filmerzählung, die 1973 im (Ost-) Berliner Aufbau-Verlag erschien, keine banal-kindlichen Possenreißereien oder kühnen Husarenstreiche, sondern Ausdruck eines ungleichen und daher häufig tragisch ausgehenden Kampfes mit den Mächtigen. Rainer Simon zur Konzeption seines ursprünglich als Zweiteiler geplanten Films: „Es ist eine Zeit kräftiger Klassenauseinandersetzungen, die es uns ermöglicht, die Figur Eulenspiegels innerhalb solcher Zusammenhänge zu beschreiben, ihr damit auch mehr gesellschaftliche Konkretheit zu geben.“
Die gut einhundertminütige Historie rückt drei Stationen Tills als Hauptepisoden in den Vordergrund: Die Burg des Ritters Kunz, den Fürstenhof und der Kaiserpalast. Sie spiegeln die Hierarchie des feudalistischen Gesellschaftssystems wider und lassen Tills provokatorisches Verhalten durchschaubar werden als das Problem des Einzelgängers in der Gesellschaft, des Außenseiters, der nicht revolutionären Bewegungen angehört, wohl aber in seiner Kritik am Bestehenden deren Ziele vertritt, sie mit vorbereitet.
Jahrzehnte nach der Uraufführung fällt die Ideologie des Films zumal nach dem Untergang des ersten Arbeiter- und Bauernstaates auf deutschem Boden krass ins Auge mit all’ ihrer unfreiwilligen Komik. Dass „Till Eulenspiegel“ dennoch auch vor einem heutigen Publikum bestehen kann, liegt an der erstklassigen Besetzung um Winfried Glatzeder. Rainer Simons dezidiert politisches Märchen nach den beiden Grimm-Adaptionen „Wie heiratet man einen König?“ (1969) und „Sechse kommen durch die Welt“ (1972), das heute vielfach als Satire aufgefasst wird, kam bei der zeitgenössischen Kritik teilweise harsch unter die Räder. So erregte sich ausgerechnet die „Kino-Eule“ der Republik, Renate Holland-Moritz, in ihrer Kolumne im populären DDR-Satiremagazin „Eulenspiegel“ über die „fäkalischen, sexuellen und grausamen Exzesse“, die „mit wollüstiger Akribie ausgespielt“ worden seien.
Pitt Herrmann