Inhalt
Im Juli 1945 ziehen sich die Amerikaner aus Sachsen und Thüringen zurück, die Russen rücken nach. In einem kleinen Dorf bei Leipzig arrangieren die Bewohner sich mit der neuen Situation. Ein Nazi wechselt zum Antifaschismus, ein Schausteller hofft auf wiedererwachende Amüsierlust, eine Frau trifft Vorkehrungen, ihre Nichte vor Vergewaltigungen zu schützen. Der Hitlerjunge Joschi durchquert den Ort auf der Suche nach einer vergrabenen Wertkassette. Trotz seiner nationalsozialistischen Prägung begeistert er sich für die Amerikaner und will ihnen nachreisen. Er verliebt sich in das Mädchen Isa und flüchtet mit ihr zusammen, als die sowjetischen Truppen ankommen. Doch als sie endlich US-Soldaten treffen, wird Joschi die Kassette mitsamt Isa einfach abgenommen. Er bleibt allein und desillusioniert zurück.
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Diese Gebiete waren aber den Sowjets zugesprochen worden. Nun sollen russische Soldaten zur „zweiten Befreiung“ in Leipzig einrücken. Gerüchte von Plünderungen, Vergewaltigungen, Raub und Mord machen die Runde bei der verängstigten Bevölkerung. Kaum ist der letzte GI verschwunden, bildet sich – nach kommunistischem Vorbild – ein Antifaschistisches Komitee, das Briketts und Kartoffeln für (politisches) Wohlverhalten verspricht.
Der ehemalige Hitlerjunge Joschi gehört zu den vielen tausend Gleichaltrigen, die nach Kriegsende alleingelassen durch das verwüstete Land ziehen. Auf dem Weg nach Möckern begegnet er den abziehenden amerikanischen Truppen. Er will mit ihnen gen Westen ziehen, wenn er sein Ziel in die Tat umgesetzt hat: Auf dem Friedhof des Dorfes soll sich ein sog. Nazi-Schatz befinden. Den will er heben und auf seinem alten deutschen Wehrmachts-Krad den von ihm bewunderten GIs nachfolgen.
Möckern befindet sich in heller Aufregung. Die meisten Einwohner haben sich aus Angst vor den Russen ins Zentrum von Leipzig geflüchtet, die wenigen, die noch geblieben sind, verharren in einem Zustand der Lähmung. Frau Unterstab gehört zu ihnen, die eine kleine Gärtnerei betreibt, und Isa, ein junges Flüchtlingsmädchen aus dem Süden, das sie bei sich aufgenommen hat – und auf das Joschi bald ein Auge werfen wird.
Andere glauben dagegen, nichts von den Russen befürchten zu müssen. Wie der betagte Eisenbahner und alte sozialdemokratische Gewerkschaftler Matisske, der im verwaisten Gleis-Stellwerk am Bahnübergang Fahrräder repariert, der „Junge mit dem Fahrrad“ oder der polnische Zwangsarbeiter Motek, der mit einem erbeuteten Karussell auf gute Geschäfte hofft. Der ewige Opportunist Franke ist vom überzeugten Nazi und NS-Blockwart im Handumdrehen zum Mitglied des Antifa-Komitees mutiert.
Als Joschi, der stets von einem Bündnis zwischen den Deutschen und den Amerikanern gegen die „bolschewistische Gefahr“ geträumt hat, Tage später auf eine amerikanische Militärstreife stößt, verliert er nicht nur seinen „Schatz“, sondern auch seine geliebte amerikanische Fliegerjacke aus Ziegenleder, nachdem ihm die Russen bereits zuvor die Pistole und das Motorrad abgenommen hatten. Vor allem aber verliert er seine Freundin Isa, die in einen Jeep der US-Militärpolizei einsteigt. Das Glück der „Stunde Null“ währte nicht lange, Joschi bleibt allein auf der Landstraße zurück...
„Stunde Null“, von Kameramann Gernot Roll eindrucksvoll in Schwarzweiß gedreht, wurde am 6. Februar 1977 im Kommunalen Kino Frankfurt/Main uraufgeführt, und zunächst am 8. März 1977 im West 3-TV ausgestrahlt, bevor der Filmverlag der Autoren den 107-minütigen Film des „Heimat“-Erfolgsgespanns ab 13. Mai 1977 auch in die Kinos brachte. Er wurde mit Preisen überhäuft: „Fernsehspiel des Monats“, Filmband in Silber bei der Berlinale 1977, Adolf-Grimme-Regiepreis 1978 in Silber – und eine Nominierung für das Filmfestival in Cannes.
Die Marler Jury: „In Einstellungen von äußerster Präzision und ästhetischer Gestaltung macht Reitz am Beispiel einer kleinen Gruppe zufällig zusammengewürfelter Menschen die damalige Umbruchsituation in atmosphärisch hervorragender Weise deutlich; deutlicher, als dies häufig durch überquellende Dokumentationen jener Zeit geschieht. Gerade die Subjektivität der verschiedenen Personen der Handlung wird durch die Regie in großen objektiven Wahrheitsgehalt verwandelt. Der Detailreichtum der zahlreichen, nebeneinander erzählten Geschichten verdichtet Wirklichkeit zur Poesie.“
Pitt Herrmann