Inhalt
Verfilmung des gleichnamigen Romans von Frank Goosen. Im Mittelpunkt stehen die Freunde Frank, Spüli, Mücke und Pommes. Sie leben Mitte der 1980er Jahre im Ruhrpott, stecken tief in der Pubertät und haben vor allem zwei Dinge im Kopf: die erste große Liebe zu finden und endlich den ersten Sex zu haben. So einfach ist das aber nicht, denn die Jungs haben mit den alltäglichen Herausforderungen eines Lebens im "Pott" bereits alle Hände voll zu tun. Trotzdem bleiben sie am Ball: Mit den romantisch-verklärten Erzählungen von Franks Vater als Vorbild üben sie sich im Biertrinken und schreiben sich für die Tanzschule ein; sie richten den Partykeller her und gründen zwischendurch eine mäßig erfolgreiche Rockband. Aber die Hoffnung, dass dadurch alles andere, sprich: der Erfolg bei den Mädchen, wie von selbst kommt, wird leider nicht erfüllt. In einer Klassenfahrt sehen die vier ihre vermeintlich letzte Chance, beim anderen Geschlecht zum Zuge zu kommen.
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Bochum 1983. Der 16-jährige Ich-Erzähler Frank ist von hier. Und steckt wie seine Freunde Michael „Pommes“ Jendritzki, Heinz-Jürgen „Spüli“ Spülberger und Mircea „Mücke“ Kuwelko mitten in der Pubertät. Frank, dessen Vatter Werner und Oppa noch echte Malocher sind, ist der erste aus der Familie, der aufs Gymnasium geht. Muss also 'was im Kopp haben. Hilft ihm aber gerade nicht weiter bei den Madels, und bei der schönen Carola Rösler schon gar nicht. War das früher einfacher? Flashback ins Jahr 1964. Franks Eltern lernen sich in der Tanzschule Bobby Linden kennen. Sehr gesittet naturgemäß. Aber als Rumba auf dem Programm stand, wurde Marita schwach – und aus beiden wurde ein Paar. Weil Franks Omma auch die leiseste körperliche Annäherung strikt unterband, wurde Frank auf einer karierten Decke auf den Kohlebergen der Zeche Constantin gezeugt.
Also Tanzschule, denn, so das Haldenkind: „Wenn sogar mein Vatter eine Frau beim Tanzen abbekam, dann wird es für uns doch wohl ein Klacks sein.“ Leider klappt es wieder nicht mit Carola und er führt Nicole zum Abschlussball. Nun muss es für die „vier Jungs wie Orgelpfeifen“, so Kutschmann, eine Disco richten im Keller von Nicoles Eltern, aber obwohl ihre attraktive Mutter (Birte Glang) alles Störende von außen fernhält, erlebt das Quartett die nächste Pleite. Wie ein Wink des Schicksals erscheint Frank die schwere Erkältung seiner Angebeteten. Carolas Mutter (Sandra Schmitz) bestellt die Klassenbesten aus jedem Schulfach zur Nachhilfe – und so kommt es zum Klammerblues mit seiner Traumfrau. Doch da knistert nix bei dem doch immerhin sieben Minuten dauernden James-Brown-Song. Sein Vatter weiß aus eigener Erfahrung: „Toll aussehen reicht nicht. Einer Frau muss Pfeffer im Arsch haben!“ So wendet er sich auf der Klassenfahrt in ein kleines Nest an der Nordsee (gedreht wurde in Kellenhusen) wieder Nicole zu – nicht zu seinem Schaden. Obwohl der neue Klassenlehrer Hecker selbst ein Auge auf die Zehntklässlerin geworfen hat – zum Entsetzen der mitreisenden Religionslehrerin Boelcke...
Der Dortmunder Drehbuchautor, Kabarettist und „Geierabend“-Regisseur Matthias Kutschmann feiert mit der so witzigen wie berührenden, unter dem Strich aber doch recht biederen Coming of Age-Geschichte „Radio Heimat“, die eine Woche vor dem Kinostart am 10. November 2016 in allen Sälen des Bochumer Ruhrpark-Multiplexes UCI Kinowelt mit großem Hallo uraufgeführt wurde, sein Debüt als Kino-Regisseur. Für die Adaption der 2010 erschienenen gleichnamigen Kurzgeschichtensammlung Frank Goosens, ergänzt um Motive aus seinen, so der Untertitel, „Komischen Geschichten“ namens „Mein Ich und sein Leben“, konnte er ein einzigartiges Schauspieler-Ensemble vor der Kamera Gerhard Schirlos versammeln. Und nicht zuletzt Peter Nottmeier (als Lehrer Hecker), der 1958 in Wanne-Eickel geboren wurde, Anfang der 1980er Jahre die Westfälische Schauspielschule Bochum absolvierte und gleichzeitig in der Sitcom „6 Richtige“ spielte. Neben Bühnen-Engagements zog es ihn immer wieder ins Fernsehen, wo er u.a. als „Switch“-Gründungsmitglied mehrere Preise bekam: „In den 1960er Jahren habe ich als Kind die Blütezeit in Wanne-Eickel erlebt, mitten im Herzen des Ruhrgebiets. Ich liebe die Skurrilität der Leute. Die sind geradeaus, das schweißt sie zusammen.“
„Radio Heimat“ lebt von dem grandiosen Cast, lebt von dem authentischen Zeitkolorit der 1960er und 1980er Jahre und der Musik dieser Zeit: einer Collage aus Schlagern und Big-Band-Sounds der Nachkriegsjahre stehen die Hits der Neuen Deutschen Welle, R & B, Funk und Pop gegenüber. Hängt die Geschichte einmal etwas durch, was ich bei einer Kürze von nur gut achtzig Minuten nicht erwartet hätte, dann sorgen schnelle Schnitte (Ueli Christen) und der flotte, ganz im Stil Frank Goosens gesprochene pointiert-wortwitzige Off-Kommentar des selbstironischen Ich-Erzählers für neuen Schwung. „Radio Heimat“ ist sympathisch, aber halt auch harmlos. Und für einen Kino-Spielfilm zu anekdotisch, zu reflektiv, zu kulturgeschichtlich-ambitioniert. Die fiktionsbrechenden „Voice over“-Effekte nutzen sich rasch ab, wenn jeder 'mal direkt in die Kamera zum Zuschauer sprechen darf. Matthias Kutschmann, Dortmunder des Jahrgangs 1970, hat in Bochum, Glasgow und München studiert. Seine Kurzfilme wurden vielfach ausgezeichnet. Nun hat er eine Ruhrgebiets-Trilogie gestartet. Es folgen „Fliegenfischen“ über Männer in der Midlife Crisis und „Späte Vögel“ über einen jungen Musiker. Kutschmann: „Es geht um Freundschaft und Liebe, um Musik und Humor, um das Ruhrgebiet von gestern und heute. Anstatt nach Berlin oder München zu gehen, sollten lieber viel mehr Filmemacher im Ruhrgebiet bleiben und Filme über den Pott drehen. Ich finde es wichtig, dort zu arbeiten, wo man seine Wurzeln hat. In meinem Fall hat das wunderbar geklappt.“ Wie auch im Fall des gerade 75 Jahre alt gewordenen Ko-Produzenten Adolf Winkelmann.
Pitt Herrmann