Leben mit Uwe

DDR 1973/1974 Spielfilm

Inhalt

Uwe Polzin, Biologe, bereitet sich auf die Verteidigung seiner Dissertation vor. Seine Ehefrau arbeitet als Dolmetscherin, die beiden haben zwei Kinder. Unter der großen Belastung droht die Ehe in die Brüche zu gehen. Für Uwe ist selbstverständlich, dass sich alles seiner wissenschaftlichen Arbeit unterordnet. Seine Frau Alla war mit anderen Vorstellungen in die Ehe gegangen. Nun erwägt sie die Scheidung. Uwes Schwester ist Ärztin und hat, um sich ganz diesem Beruf zu widmen, auf Partnerschaft und Kinder verzichtet. Doch scheint dies für Alla keine Alternative zu sein. Als Uwe seine Arbeit verteidigt, sitzt sie unter den Zuhörern. Gibt es eine zweite Chance?

 

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Heinz17herne
Heinz17herne
Die subjektive Kamera Claus Neumanns, zunächst auf einen skurrilen Springbrunnen fokussiert, der mitten auf einer Wiese vielarmig Wasser speit, nähert sich einer in ihrer Kompaktheit bedrohlich wirkenden Plattenbausiedlung, um sich dann zur Vogelperspektive aufzuschwingen und von den Arbeiterschließfächern hinüberzuschweifen zu einer Küstenlandschaft, die jedoch zu weit entfernt erscheint, um an das Ausgangs-Idyll anzuknüpfen.

Da war doch noch ’was? In einem kurzen Augenblick schwebt Eberhard Esche wie ein Barlachscher Engel über dem Ganzen, dann kommt, es könnte der Kreuzgang des Klosters Chorin sein, mittelalterliche Backstein-Gotik ins Bild: Esche erklimmt die Stufen einer engen Wendeltreppe, bis sich ihm die Tür zu einem prachtvollen Saal öffnet, wo er von zwei Männern der Wissenschaft, verkörpert von Rolf Hoppe und Friedo Solter, empfangen und zum Podium begleitet wird – zur Verleihung des Nobelpreises.

Nun, soweit ist es noch lange nicht, als Uwe Polzin durch seine Schwester Ruth geweckt und von seinem Alptraum erlöst wird. Zunächst einmal steht die Verteidigung seiner Promotion vor Professor Holzmann und Dr. Bohnsack an, aber schon hat ihn der Tagtraum wieder: Polzin, der sich seines Anzuges entledigt hat, mutiert mitten unter der Festgesellschaft zum Gewichtheber. Er stemmt das Eisen mit Bravour, die Spannung löst sich, das Kammerorchester spielt klassische Musik. Polzin hält seine Nobelpreis-Urkunde in der Hand, als er einer dreiköpfigen, ganz in Schwarz gewandeten Trauergruppe gewahr wird, deren Mitglieder sich als seine Gattin Alla und die beiden kleinen Kinder herausstellen...

Mit dieser Exposition ist bereits alles gesagt: Im Leben des Uwe Polzin, der sich als Biologe ganz der Wissenschaft verschrieben hat, dem nach erfolgreicher Promotion, woran kein Zweifel besteht, am allerwenigsten bei ihm selbst, die sozialistische Welt der Genforschung offen steht einschließlich eines Forschungsjahres in Moskau, spielt die Familie, wenn überhaupt, nur eine untergeordnete Rolle. Er wird seinen Weg machen, auch wenn er jetzt, am Tag seiner Promotions-Verteidigung, Rückschau auf sein bisheriges Leben hält und dabei mit Wahrheiten konfrontiert wird, die er bisher offenbar erfolgreich verdrängt hat. Und die ihn bis in den Hörsaal vor versammelter Fakultät verfolgen, in dem in letzter Minute und ganz entgegen ihren vorab bekundeten Absichten Alla Platz genommen hat.

Flashback. Alla Polzin arbeitet als Dolmetscherin und Übersetzerin mit Schwerpunkt Polnisch. Sie hat weder die Absicht, zur Promotions-Verteidigung zu gehen, noch überhaupt bei Uwe zu bleiben. Was dieser mit einer ihm eigenen Gelassenheit zur Kenntnis nimmt, die sie schon wieder auf die Palme bringt. Alla hat das Studium an den Nagel gehängt, als die Kinder zur Welt kamen. Sie hat die ganze Hausarbeit erledigt, damit er möglichst in Ruhe seine Doktorarbeit schreiben konnte. Was Uwes bester Freund, Dr. Hunger, glücklich geschieden nach nur einem einzigen Ehejahr, für selbstverständlich hält auch im real existierenden Sozialismus: „Niemand kann zwei Herren dienen.“

Uwes Institutschef, Professor Holzmann bringt das solchermaßen auf den Punkt: „Wer sich mit der Wissenschaft einlässt, muss sich ihr mit Haut und Haaren verschreiben.“ Mit allen Konsequenzen für die eigene Lebensplanung, die Uwes Schwester Ruth, die als Medizinerin in der Forschung an der gleichen Hochschule tätig ist, in stillen Stunden bitter bereut, bleibt ausgerechnet ihr, die im innigen Verhältnis zu ihrem jüngeren Bruder einen ausgesprochenen „Glucken-Instinkt“ bewiesen hat, doch eine Mutterschaft versagt. Den attraktiven jungen Frauen an Uwes Institut wie seiner Mitarbeiterin Barbara Engel oder seiner Studentin Lederberg steht das alles noch bevor, aber Lothar Warneke lässt keinen Zweifel aufkommen, dass auch sie sich wie Ruth Polzin für die Wissenschaft entscheiden werden.

Zu Uwes Dämonen der Vergangenheit gehören seine frühere Freundin Karin, vor allem aber sein Vater (Karl-Hermann Röhricht), der die noch junge Familie offenbar alleingelassen hat und in den Westen gegangen ist, sodass seine Mutter in schwerer (Nachkriegs-) Zeit allein zurecht kommen musste. Uwe bekennt sich zu seiner Schuld im Angesicht Allas im Hörsaal. Er wird dennoch den Weg der Wissenschaft gehen...

Der für „Leben mit Uwe“ 1974 mit dem Kunstpreis der DDR ausgezeichnete Lothar Warneke thematisiert einen Konflikt, der aus offiziöser Partei-Sicht längst gelöst ist im real existierenden Sozialismus, welcher von der Wiege bis zur Bahre für die neuen sozialistischen Menschen sorgt. Dass es dabei auch zu Verlusten kommt, ist eine häufig geleugnete Realität im Sozialismus: Die Alla der im wahren Leben mit Eberhard Esche verheirateten Cox Habbema hat neben Küche und Kindern, wenigstens die Kirche spielt keine Rolle mehr im atheistischen Deutschland, das sich als das demokratische ausgibt, alle Schwierigkeiten, sich auch im Beruf zu behaupten. Andererseits bedauert es Uwes Schwester Ruth in stillen Stunden, für den Beruf bewusst auf die Gründung einer Familie verzichtet zu haben.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Länge:
2802 m, 103 min
Format:
35mm, 1:1,66
Bild/Ton:
Orwocolor, Ton
Aufführung:

Uraufführung (DD): 08.03.1974, Leipzig, Capitol

Titel

  • Originaltitel (DD) Leben mit Uwe

Fassungen

Original

Länge:
2802 m, 103 min
Format:
35mm, 1:1,66
Bild/Ton:
Orwocolor, Ton
Aufführung:

Uraufführung (DD): 08.03.1974, Leipzig, Capitol