Lang lebe die Königin

Deutschland Österreich 2019/2020 TV-Spielfilm

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Heinz17herne
Pitt Herrmann
„Wir werden als Prinzessinnen geboren, von unseren Müttern zu Fröschen gemacht und den Rest unserer Zeit verbringen wir damit, den Urzustand wiederherzustellen.“ Die Stimme aus dem Off gehört zu Nina Just (eine Entdeckung: die 43-jährige Österreicherin Marlene Morreis), die, wenn der Oldtimer nicht gerade streikt, in einem offenen Ford Mustang durch München kutschiert. Eine junge, attraktive Frau, die ganz so aussieht, als sei sie besagtem Urzustand ganz nahe. Obwohl ihr durch Gewinnbeteiligung sehr lukrativer Job als Moderatorin beim Verkaufssender Kanal 50 plus für die studierte Schauspielerin ebenso wenig die Erfüllung eines Lebenstraums darstellt wie das Verhältnis mit ihrem 20 Jahre älteren Chef Hardy Koch (Philipp Moog).

Als ihr in Frankreich als Musiker lebender Bruder Leon (Ole Puppe) anruft, erfährt Nina, dass ihre Mutter Rose Just (die 76-jährige todkranke Hannelore Elsner spielt eine Todkranke), die mit ihrem lammfrommen Lebensgefährten Werner Wittich (Günther Maria Halmer) inmitten persönlicher Erinnerungen an ihren verstorbenen Gatten ein altes Bauernhaus in Oberbayern bewohnt, so schwer an Krebs erkrankt ist, dass sie umgehend eine neue Niere benötigt. Nina hat seit vielen Jahren keine intensive Beziehung zu ihrer allzu selbstbewussten, dauernd gegen sie stichelnden Mutter, die seit frühester Kindheit den Erstgeborenen Leon vorgezogen hat und ihn bis heute finanziell unterstützt. Weil Werner aus Altersgründen nur im äußersten Notfall als Spender infrage kommt und Leon aufgrund einer sog. Wanderniere aus medizinischen Gründen ausfällt, erniedrigt sich Rose geradezu, ihre Tochter zu bitten.

Doch die sieht den Moment gekommen, sich für jahrzehntelange Bitterkeit zu rächen und behauptet, im dritten Monat schwanger zu sein. Was sie in der Folgezeit durch Schaumgummipolsterungen an Brust und Bauch untermauert. Obwohl Werner hinter diesen Schwindel gekommen ist, spendet er seiner geliebten Rose eine Niere. Was erwartungsgemäß nicht ohne Komplikationen verläuft. Die Abstoßungsreaktionen werden bald so stark, dass Rose wieder ans Dialysegerät angeschlossen werden muss: Werner hatte sich bei ihrer Katze eine Infektion eingehandelt, welche in der OP-Vorbereitung keinem Klinikmitarbeiter aufgefallen war.

Doch zuvor kann Rose noch daheim ihren 75. Geburtstag feiern im großen Freundeskreis – mit Mutters Liebling Leon aus Marseille. Nina bringt ihren „Gelben Engel“ Mike (Matthias Kelle) mit, der ihren ‘mal wieder streikenden Amischlitten flott gemacht hat. In Anzug und Krawatte fühlt sich der arme Kerl höchst unwohl und als er auch noch Männchen machen soll, nur um Ninas Mutter zu gefallen, nimmt er Reißaus. Nun endlich erkennt Nina, dass sie sich endgültig von ihrer Mutter befreien muss, um ein eigenständiges Leben zu führen. Sie zieht bei Hardy Koch aus, versöhnt sich mit Mike und bereitet mit ihm einen gemeinsamen Motorrad-Trip durch Afrika vor. Als sich Roses Zustand dramatisch verschlechtert, ruft sie ihre Tochter ans Krankenbett und bittet sie um einen letzten Gefallen…

Die Tragikomödie „Lang lebe die Königin“ von Gerlinde Wolf (Buch) und Richard Huber (Regie) musste im April 2019 vier Tage vor Drehende abgebrochen werden. Weil Hannelore Elsner, mit der Titelheldin mussten noch fünf Szenen gedreht werden, so schwer erkrankt war, dass sie nicht mehr ans Set zurückkehren konnte. Zweieinhalb Wochen später starb die große Schauspielerin, die an den Münchner Kammerspielen ebenso Erfolge feierte wie auf dem Bildschirm („Tatort“-Kommissarin) und auf der Leinwand („Die Unberührbare“). Auf Vorschlag der Autorin Gerlinde Wolf wurden dann im August 2019 die noch fehlenden Szenen nachgedreht – als Hommage an Hannelore Elsner mit fünf hochkarätigen Kolleginnen: Iris Berben, Eva Mattes, Gisela Schneeberger, Judy Winter und Hannelore Holger.

Sie können natürlich dieses „seltene Miststück“, so der stets gutmütige, lebensbejahende, um Ausgleich bemühte Werner Wittich über Rose Just nach dem Tod seiner Lebensgefährtin, nicht ersetzen: Hannelore Elsner, deren letzte vollendete Rolle die einer pensionierten Kommissarin in „Die Guten und die Bösen“, einem Tatort des Hessischen Rundfunks, gewesen ist, verkörpert hier einerseits ein hauchzartes, elegantes, selbst beim Live-Dreh des Shoppingkanals auf einem Massagesessel attraktives Wesen, das Hardy Koch sogleich für weitere Aufgaben verpflichten will. Und andererseits eine eiskalt berechnende Frau, der es selbst an Mutterliebe gefehlt hat. Was der „Alltagssadistin“, so Tochter Nina, nun als zynische Rechtfertigung dient: „Du willst meine Anerkennung? Ich habe doch auch keine bekommen.“

Und dennoch funktioniert diese ungewöhnliche Komplettierung des Neunzigminüters, der anlässlich des ersten Todestags Hannelore Elsners (21. April) am Tag darauf in die ARD-Mediathek gestellt und am 29. April 2020 in der ARD erstausgestrahlt wurde. Denn das Quintett der Schauspielerinnen, die mehr oder minder ein unmittelbares Verhältnis zu Hannelore Elsner über gewohnte Kollegialität hinaus entwickelt hatten, worüber sie im ARD-Presseheft Auskunft geben, haben gar nicht erst versucht, die „Königin“ zu imitieren. Für beste Unterhaltung sorgt auch der Soundtrack des Kölner Produzenten-Duos Dürbeck & Dohmen: Oldies aus den 1960er und 1970er Jahren, der Entstehungszeit des Film-Mustang Convertible, in ungewohnter deutscher Fassung.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Dreharbeiten

    • 12.03.2019 - 12.04.2019: München und Umgebung
Länge:
90 min
Bild/Ton:
Farbe, Ton
Aufführung:

TV-Erstsendung (DE): 29.04.2020, ARD

Titel

  • Originaltitel (DE) Lang lebe die Königin
  • Abschnittstitel (DE) Die Liebe ist ein Fluss in Preußen

Fassungen

Original

Länge:
90 min
Bild/Ton:
Farbe, Ton
Aufführung:

TV-Erstsendung (DE): 29.04.2020, ARD