Inhalt
Die Geschichte einer aufopfernden Liebe und eine poetische Reise in das Innere des Seins: Nur Trudi weiß, dass ihr Mann Rudi Krebs im Endstadium hat. Als der Arzt eine letzte gemeinsame Unternehmung vorschlägt, überredet Trudi ihren Mann, mit ihr die Kinder und Enkel in Berlin zu besuchen. Doch die sind viel zu sehr mit ihrem eigenen Leben beschäftigt, um sich um die beiden zu kümmern. Nachdem sie noch die Aufführung eines Butoh-Tänzers besucht haben, reisen Trudi und Rudi in ein Hotel an die Ostsee. Dort stirbt plötzlich Trudi – Rudi ist völlig aus der Bahn geworfen. Er weiß nicht, wie das Leben weitergehen soll. Bis er sich auf den Weg nach Japan macht, um dort den jüngsten Sohn, Karl, zu besuchen.
Doris Dörrie: "Entscheidend inspiriert hat mich für 'Kirschblüten - Hanami' Ozus Film 'Tokyo Monogatari' (1953), der seinerseits die Geschichte aus dem amerikanischen Film ′Make Way for Tomorrow′ (1937) von Leo McCarey übernommen hatte. Eine Geschichte aus dem Westen reist in den Osten – und vom Osten wieder in den Westen. Denn inspiriert von der Anfangskonstellation in Ozus Film entwickelte ich die Geschichte des verwitweten Vaters weiter, der aus Deutschland in das Land Ozus reist. Dort findet er einen Menschen, der sich seiner annimmt, ohne mit ihm wirklich eine Sprache teilen zu können: die junge Butho-Tänzerin Yu."
Quelle: 58. Internationale Filmfestspiele Berlin (Katalog)
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Schließlich kann sie ihn doch dazu bewegen, die beiden in Berlin lebenden Kinder, Klaus und Karolin, zu besuchen. Die Beiden sind nicht gerade hocherfreut über den spontanen Besuch der Eltern. Und es ist bezeichnenderweise Karolins Lebensgefährtin Franzi, die Zeit findet, um die beiden bayerischen Landeier durch die Hauptstadt und ins Prenzlberger „Glücklich am Park“ zu führen. Und die mit Trudi zur Vorstellung eines berühmten japanischen Butoh-Tänzers geht.
Am Ende setzen die Eltern den verkrampften Bemühungen ihrer Kinder ein Ende, in dem sie beschließen, ein paar Tage an die Ostsee zu fahren. „Alle sinds gesund“, beruhigt Rudi seine aufgebrachte Gattin, „man darf nicht zuviel verlangen.“ Und im noblen Ambiente des Ahlbecker Hofs lassen sich die stillen Tage am Meer genießen. So still und friedlich verläuft auch Trudis letzte Nacht. Das Geheimnis über den Gesundheitszustand ihres Mannes hat sie mit ins Grab genommen.
Die entsetzten Kinder kommen an die Ostsee, sogar der Jüngste und Liebling der Mutter, Karl, der in Tokio lebt. Der aber wie seine Geschwister froh ist, gleich nach der Beerdigung wieder abreisen zu müssen. Nur Franzi nimmt sich die Zeit, den Witwer mit der anderen Seite der Verstorbenen vertraut zu machen. Rudi erfährt zum ersten Mal, dass Trudi davon geträumt hat, eine richtige Butoh-Tänzerin zu werden, und dass sie so gerne einmal nach Japan gefahren wäre und den Fuji gesehen hätte. Einerseits. Aber auch, wie sehr sie ihr gleichförmiges, aber verlässliches Leben an der Seite Rudis geschätzt – und dass sie wahrscheinlich nichts vermisst hat. Andererseits.
Rudi ist sehr berührt von Franzis Schilderung und entschließt sich, Karl in Tokio zu besuchen. Was ihn dort erwartet ist ein Kulturschock sondergleichen. Und da sein Sohn nur wenig Zeit - und fast keinen Platz in seinem kleinen Apartment – hat, irrt Rudi verloren durch die brodelnde japanische Metropole. Aber er verfolgt konsequent einen Plan: Heimlich hat er Trudis Kleider mitgebracht. Diese zieht er unter, als zu zum „Hanami“ geht, zum Kirschblüten-Anschauen in einer Parkanlage. Wo er die seltsame Performance einer jungen Butoh-Tänzerin beobachtet. Fasziniert von ihrer selbstvergessenen Art des Tanzes spricht er sie an. Yu erzählt Rudi, dass sie ihre tote Mutter in sich spürt und für sie tanzt. Und Rudi zeigt ihr die Kleider seiner geliebten Trudi – und Yu findet sein Gehabe alles andere als lächerlich.
Zum ersten Mal sieht man Rudi wieder lächeln. Er verbringt weiterhin viel Zeit mit Yu. Sie reden, tanzen, unterhalten sich, ohne dass einer die Sprache des anderen kann. Eines Abends sieht Rudi, wie Yu zwischen lauter Obdachlosen in einem Park in ein Zelt kriecht. Rudi bringt sie zu Karl, der jedoch sehr genervt reagiert. Sodass Rudi seine Sachen packt und mit Yu zum Mount Fuji reist. Nach einigen verregneten Tagen im Hotel am Fuße des Berges zeigt sich der Fuji endlich von seiner schönsten Seite...
Doris Dörries großartiges, da völlig kitschfreies Gefühlskino war unverständlicherweise 2008 bei der „Berlinale“ leer ausgegangen, das konnte später beim Deutschen und beim Bayerischen Filmpreis wenigstens etwas ausgeglichen werden. Elmar Wepper, Hauptdarsteller zahlloser und häufig auch unsäglicher TV-Serien als Butoh-Schattentänzer in Frauenkleidern unter einem Meer von leuchtenden Kirschblüten in einem Tokioer Park: Sein Rudi ist selbst eine Schattenexistenz. Und der überzeugte Strickjacken- und Filzpantoffelträger springt über den eigenen Schatten, um aus dem seiner Gattin Trudi herauszukommen. Wagt den Sprung ins völlig Unbekannte, ins exotische Fremde, um ihr einen letzten Liebesdienst zu erweisen. Das Besondere dieses Films neben einiger kunstvoll-überbelichteter (Blüten-) Bilder und einem traumschönen Finale zu Füßen des Fuji hat einen Namen: Elmar Wepper.
Pitt Herrmann