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Nach Heinrich von Kleists Novelle "Der zerbrochene Krug": Sachsen, 1792. In einem kleinen Dorf lebt die schöne Jungfer Ev, der Schwarm aller Männer. So hat zum Beispiel der Richter Adam ein Auge auf sie geworfen, weshalb er den Schmied Ruprecht, der wiederum Ev heiraten will, nicht ausstehen kann. Als Adam eines Nachts zum "Fensterln" um Evs Elternhaus schleicht, wird er von Ruprecht überrascht. Der wirft dem frechen Voyeur einen Krug auf den Kopf, aber Adam kann unerkannt in die Dunkelheit flüchten.
Nun verklagt jedoch Evs Mutter den armen Ruprecht wegen des zerbrochenen Krugs – und selbstverständlich landet der Fall auf dem Tisch von Richter Adam. Zwar kommt die Wahrheit über den nächtlichen Vorfall ans Licht, aber um das Ansehen der Justiz zu retten lässt der Dresdner Justizrat Walter den Schmied Ruprecht nun wegen Körperverletzung einsperren. In Wahrheit ist auch er in Ev verliebt und will auf diesem Weg seinen Nebenbuhler aus dem Weg räumen. Schließlich bekommt aber auch er lediglich einen Krug auf den Kopf, während Adam wegen eines alten Diebstahls verhaftet wird. Nun steht der Liebe von Ruprecht und Ev nichts mehr im Weg.
Die Ausstattung dieser Filmseite wurde durch die DEFA-Stiftung gefördert.
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Was natürlich für böses Blut - und so manche blutige Nase bei Wirtshausschlägereien – sorgt. Marthe Rull aber plagen derzeit ganz andere Sorgen. Denn ihre attraktive Tochter Ev geht mit dem jungen Schmied Ruprecht Tümpel. Dabei hat sie eine bessere Partie verdient als diesen nichtsnutzigen, draufgängerischen Hallodri: Marthe weiß, dass Richter Adam, ein ehemaliger Korporal der preußischen Armee, hinter Ev her ist.
Der ist zwar ein wesentlich älterer Esel als das Grautier, auf dem er zu seinem Feldherrnhügel reitet, um durch das Fernrohr den Fleiß der Fronarbeiter bei der Ernte zu überwachen, hat aber das Sagen im Dorf – und die Mittel, seinen Nebenbuhler Ruprecht an die preußische Armee zu verhökern. Als Adam eines Nachts eine Leiter entdeckt, die am Fenster der schönen blonden Maid angelehnt ist, fühlt sich der alte Bock wieder jung. Und wird von Ruprecht so prompt wie unsanft wieder aus der Kammer befördert.
Marthe, die ob des Lärms ins Zimmer ihrer Tochter stürmt, sieht nur noch Ruprecht mit den kümmerlichen Resten ihres geliebten Kruges – und verklagt diesen anderntags beim Gerichtstag. Welcher nur abgehalten werden kann, weil Justizrat Walter aus Dresden auf seiner Revisionsreise hier Station macht. Als ein reitender Bote (der große Rolf Hoppe in dieser Mini-Episodenrolle) dessen baldige Ankunft verkündet, sieht der so intelligente wie intrigante Gerichtsschreiber Licht seine Chance kommen, Richter Adam in seinem Amt zu beerben. Doch Walter hält die Denunziationen Lichts für ebenso degoutant wie die alltäglichen Dorfstreitigkeiten, die hier zur Verhandlung kommen.
Bis auf den Fall der Marthe Rull, denn der blonde Engel von Ev weckt bei ihm neue Lebensgeister. Dabei wird der Justizrat auf dieser Revisionsreise von seiner so schönen wie eingebildeten Gattin Annabella begleitet, welche sich für verwanzte Gasthofbetten durch amouröse Abenteuer schadlos hält und sogleich bereit ist, beim „jungen Stier“ Ruprecht alle Register ihrer Verführungskunst zu ziehen.
Der entzieht sich Annabellas Zumutungen, indem er sich, von Evs Schweigen in der Krug-Angelegenheit auf die falsche Fährte gelockt, freiwillig in das preußische Regiment des Hauptmanns von Korf einschreibt. Spät, aber zum Glück noch nicht zu spät, geht Ruprecht ein Licht auf – und er versetzt Pferd und Wagen für goldene Trauringe und einen neuen Krug für Ev und ihre Mutter. Freilich geht auch Letzterer zu Bruch, weil selbst der oberste Tugendwächter der sächsischen Justiz das Fensterln nicht lassen kann. Sogar der Schreiber Licht rechnet sich, nach seiner erhofften Beförderung auf den Richterstuhl, Chancen bei Ev aus und bekennt heimlich flüsternd: „Jungfer, Sie gefällt mir“...
Leichte Kost aus Babelsberg ist gefragt in den ausgehenden 1960er und beginnenden 1970er Jahren, da kommen verjuxte historische und literarische Stoffe gerade recht, erinnert sei an Horst Seemanns „Schüsse unterm Galgen“, an Werner W. Wallroths „Hauptmann Florian von der Mühle“ oder Konrad Petzolds „Die Hosen des Ritters von Bredow“. Ganz frei nach „dem“ deutschen Bühnen-Lustspiel entstand eine hochkarätig besetzte Defa-Komödie, die gleich in den beiden am Prachtboulevard Karl-Marx-Allee gelegenen Berliner Vorzeige-Kinos International und Kosmos parallel uraufgeführt wurde.
Das Drehbuch, das der Regisseur gemeinsam mit dem Schriftsteller Jurek Becker schrieb, hat es in sich. Die beiden haben die Handlung ins Sächsische verlegt und lassen die preußischen Militärs wie gedrillte Deppen erscheinen, die von den Bauern ordentlich eins auf die spitzförmige Mütze bekommen. Was, unterstrichen durch wildbewegte Actionszenen, die jedem Spaghetti-Western zur Ehre gereicht hätten, und einem für damalige Defa-Verhältnisse sehr flotten Schnitt, wie eine harmlos-unpolitische Militärklamotte aus längst vergangenen Zeiten daherkommt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als recht subversiv.
„Preußischer Militarismus – Höhepunkt menschlicher Entwicklung“: Denn die so schlitzohrigen wie lebensfreudigen Sachsen schlagen den preußischen Soldaten ein Schnippchen nach dem anderen. Gedreht in einem Land, das geradezu als Ausbund preußisch-protestantischer Tugenden gilt, die sich nicht zuletzt in der Nationalen Volksarmee spiegeln. Natürlich bekommt, in allerdings nur wenigen Szenen, auch der Adel sein Fett weg: Blaublütig-dekadente Selbstherrlichkeit aus Sachsen und Preußen ausnahmsweise vereint im Kampf gegen das schleichende Gift der Französischen Revolution diesseits des Rheins.
Pitt Herrmann