Johannes Kepler

DDR 1973/1974 Spielfilm

Inhalt

Europa, 1620. Der renommierte Astronom und Mathematiker Johannes Kepler, der als Hochschullehrer in Linz tätig ist, erhält die Nachricht, dass seine Mutter in Württemberg als Hexe angeklagt wurde. Der wahre Hintergrund der Anschuldigungen ist simpel: Die Mutter wurde von einer ehemaligen Freundin nach einem Streit bei der Obrigkeit mit falschen Anschuldigungen denunziert. Vergeblich versucht Kepler, die Ankläger mit Vernunft von der Absurdität ihrer Behauptungen zu überzeugen.

Doch es ist die Zeit des Dreißigjährigen Krieges, und die Hexenjäger nutzen die Niederlage der Protestanten in der Schlacht bei Prag, um die Stimmung des Mobs weiter anzufachen. Schließlich gelingt es Kepler durch den Einfluss eines alten Studienfreunds, der mittlerweile zum Orden der Jesuiten gehört, seine Mutter vor dem Scheiterhaufen zu retten.

Die Ausstattung dieser Filmseite wurde durch die DEFA-Stiftung gefördert.

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Heinz17herne
Heinz17herne
Physik des Himmels statt Theologie, Differential- und Integralrechnung: ein neues wissenschaftliches Zeitalter ist ausgebrochen und macht der in Katholiken und Protestanten gespaltenen Kirche des Jahres 1620 schwer zu schaffen. Überall Ruinen. Kinder werfen Steine auf Ikonen, die protestantische Bilderstürmer in den Fluss geschmissen haben, nachdem das Land seit kurzem wieder lutherisch geworden ist. In dem dennoch ein Hexenprozess abgehalten wird wie sonst nur von der katholischen Inquisition. Der renommierte Astronom und Kaiserliche Mathematiker Johannes Kepler, der jetzt in einem Gymnasium in Linz tätig ist, reitet zu seiner Schwester Margarete und seinem Schwager, dem Pfarrer Binder, nach Württemberg. Dort ist das Leben seiner Mutter bedroht, die nach einem Streit von einer ehemaligen Freundin als Hexe denunziert und in einer Truhe ins Gefängnis verfrachtet worden ist.

Der Naturwissenschaftler ahnt, dass er eigentlich auf der Anklagebank des Vogtes Einhorn sitzt und muss erkennen, dass die Lutheraner nicht weniger fanatisch sind wie die Katholiken, zumal sich die Hysterie und der religiöse Wahn durch den Dreißigjährigen Krieg eher noch verstärkt haben. Mitten in den Verhandlungstagen haben die Protestanten um Christian von Anhalt am Weißen Berg vor Prag eine entscheidende Schlacht gegen den Feldherrn Tilly verloren, was der Richter zur Aufheizung einer Progromstimmung nutzt. Auch gegen den Protestanten Kepler, der sich – warum auch immer, hier zündet der Film Nebelkerzen, anstelle zur Aufklärung beizutragen - endlich zur lutherischen Abendmahlsformel bekennen soll, um sich nicht selbst dem Vorwurf der Ketzerei auszusetzen.

Ob Evangelische oder Katholiken, sie alle wollen Landsknechte, keine denkenden Köpfe: nur Duckmäuser sind noch gefragt, lautet das niederschmetternde Resümee Keplers, der seinen Schwager vor versammelter Gemeinde bloßstellt. Womit er sich den schweren Vorwurf der eigenen Schwester einhandelt: „Deinetwegen muss die Mutter brennen! Du bist ein Ketzer!“ Nicht zuletzt zur Selbstvergewisserung erinnert sich Kepler an entscheidende Stationen seines lebenslangen Kampfes um Aufklärung und Vernunft, etwa seine Begegnung mit seinem Lehrmeister und Förderer Tycho Brahe, den er nach dessen Tod auf der Position des Kaiserlichen Mathematikers in Prag beerbt – und das als Protestant! Kepler sucht vergeblich bei der Obrigkeit seiner eigenen Kirche um Unterstützung nach und stellt sich schließlich, begleitet von seinem alten Lehrer Mästlein, dem Konsistorium. Vogt Aulber ist ein verständiger Mann, der diesen Akt der Demut einzuschätzen weiß, aber am Ende kann auch er Kepler nicht zum öffentlichen Widerruf bewegen.

Die Gerichtsverhandlungen gegen Keplers Mutter sind ein schlechter Witz, die Zeugen unglaubwürdig: von der Unfruchtbarkeit eines Mannes bis hin zum Kindsmord soll die angebliche Hexe an allem und jedem schuld sein. Als Beweis dient u.a., dass Keplers Mutter bisher nicht eine Träne geweint hat. Besonders die Hauptzeugin der Anklage, die so bildhübsche wie ordinäre Ursula Haller, erweist sich als gekaufte Dirne, deren Frühgeburt von der Schwerstarbeit am Bau, dem Tragen von Ziegeln, herrührt und nicht von irgendeinem Hexenfluch. In einer für den Fortgang der Handlung völlig überflüssigen Episode nimmt sich Kepler des offenbar verwahrlosten Mädchens an, das ihn in einer Kirchenruine verführen will. Er liefert sie in einem Steinbruch ab, wo harte körperliche Arbeit auf das zarte Geschöpf wartet. Zuvor hat erst im letzten Moment ein ehemaliger Studienfreund Keplers, der Jesuiten-Pater Paul Guldin, seinen Einfluss bei der Inquisition geltend machen können, sodass die Mutter frei kommt...

Manfred Freitag, Jochen Nestler und Frank Vogel, deren Film „Denk bloß nicht, ich heule“ dem kunstfeindlichen 11. Plenum des ZK der SED zum Opfer gefallen war, verstanden die arg verwirrende Mixtur aus Biographie, Wissenschaftsreport und Zeitgemälde als ihre persönliche Abrechnung mit der Vergangenheit, die nach dem VIII. SED-Parteitag zumindest in verklausulierter Form wieder möglich war. Das Filmemacher-Trio hat nur ein Jahr aus dem Leben des Titelhelden herausgegriffen und sich in den Wirren des summarisch „Dreißigjähriger Krieg“ genannten Kirchenkampfes in Folge des Prager Fenstersturzes heillos verstrickt. Der zwischen 1618 und 1623 entbrannte böhmisch-pfälzische Krieg zwischen der protestantischen Union um Friedrich von der Pfalz und der vom Hause Habsburg geführten katholischen Liga kulminierte just zum Zeitpunkt des Keplerschen Hexenprozesses in der bereits erwähnten Schlacht am Weißen Berg, in deren Folge Friedrich von der Pfalz die böhmische Krone verlor. Tillys Siege auch in den folgenden Schlachten bei Wimpfen, Höchst und Stadtlohn festigten die Macht der Kaiserlichen.

In „Johannes Kepler“ reist der evangelische Titelheld (1571 bis 1630), um die Jahrhundertwende im Zuge der Protestantenverfolgung aus Graz nach Prag vertrieben, wo er unter der Protektion des neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse gegenüber aufgeschlossenen Kaisers Rudolf II. als Kaiserlicher Mathematiker den dänischen Astronomen Tycho Brahe beerbte bis er 1612 ans Linzer Gymnasium wechselte, in ein protestantisches Land, in dem wie sonst nur durch die katholische Inquisition ein Hexenprozess abgehalten wird. Und in dem er selbst von der eigenen Kirche der Hexerei zumindest verdächtigt, wenn auch nicht öffentlich angeklagt wird.

Auf der einen Seite verleugnet mit Pater Paul Guldin ein jesuitischer Mathematiker, der es als Kommilitone und Freund Keplers besser weiß, jeglichen wissenschaftlich fundierten Erkenntnisgewinn und lässt das Modell des kopernikanischen Weltsystems im Innenhof eines Klosters zerstören: die Sonne als Mittelpunkt der Welt, um die, wie Kepler herausgefunden hat, die Planeten und damit auch die Erde in elliptischen Bahnen kreisen, ist aus Sicht der Kirchenoberen Ketzerei. Auf der anderen Seite soll eben dieser Dogmatiker der allein selig machenden papistischen Kirche so viel Einfluss bei den Protestanten haben, um Keplers Mutter vor dem Scheiterhaufen zu bewahren?

In einem utopischen Ausblick zeigt der auch in den DDR-Medien kritisierte Film den Start einer Weltraum-Rakete des 20. Jahrhunderts zur nachträglichen Bestätigung des Keplerschen Weltbildes: „Wohin wir auch fliegen, immer werden wir auf unsere Erde blicken.“ Friedrich Salow im „Filmspiegel“ (DDR) vom 18. Dezember 1974: „Die Absicht des Films realisiert sich nicht oder nur teilweise im Zuschauer, Gegenwart und Vergangenheit vermengen sich miteinander; das verhindert auch die als zeitliche Orientierungshilfe gedachte braunstichige Einfärbung der um 1600 spielenden Episoden nicht – es mangelt an der klaren gedanklichen Hilfestellung. Die Dialoge erscheinen oftmals mehr zum Lesen geschrieben als zum Sprechen; sie entlassen das Publikum auch häufig aus der Konzentration.“

Pitt Herrmann

Credits

Regie

Kamera

Schnitt

Darsteller

Alle Credits

Regie

Regie-Assistenz

Szenarium

Kamera

Kostüme

Schnitt

Darsteller

Produktionsleitung

Aufnahmeleitung

Länge:
2578 m, 95 min
Format:
35mm, 1:1,66
Bild/Ton:
Orwocolor, Ton
Aufführung:

Uraufführung (DD): 14.11.1974, Berlin, International

Titel

  • Originaltitel (DD) Johannes Kepler

Fassungen

Original

Länge:
2578 m, 95 min
Format:
35mm, 1:1,66
Bild/Ton:
Orwocolor, Ton
Aufführung:

Uraufführung (DD): 14.11.1974, Berlin, International