Inhalt
Die ehrgeizige Hanna fährt aus eigennützigen Motiven nach Israel in ein Behindertendorf: Ein paar Monate "was mit Juden" zu machen, zeigt heute demokratische Verantwortung und ist gut für die Karriere. Itay, der Betreuer ihrer Gruppe, verunsichert sie mit zynischen Kommentaren zur deutschen Geschichte, während er gleichzeitig offensiv mit ihr flirtet. Hanna verabscheut ihn: Was hat sie noch mit dem Ganzen zu tun? Der Holocaust ist Geschichte, bewältigt und pflichtschuldig aufgearbeitet im Unterricht.
Quelle: 47. Hofer Filmtage 2013
Kommentare
Sie haben diesen Film gesehen? Dann freuen wir uns auf Ihren Beitrag!
Jetzt anmelden oder registrieren und Kommentar schreiben.
Da trifft es sich gut, dass ihre Mutter Uta Eggert, mit deren „Gutmenschentum“ sie sonst nicht viel am Hut hat („Allen wird immer geholfen, nur der eigenen Tochter nicht“), ein Büro der „Aktion Sühnezeichen Friedensdienste“ leitet. Ohne Hebräisch-Kenntnisse sei in Israel nichts zu machen, blockt diese ab. Doch ihr Mitarbeiter Dietmar findet einen Platz in einer Tel Aviver Pflegeeinrichtung.
Ihr Freund Alexander „Alex“ Grunow ist skeptisch, schließlich sind es nur noch zwei Monate bis zur Hochschulprüfung. Doch die ehrgeizige Hanna nimmts locker und weiß: „Das mit Juden kommt immer gut. Und behinderte Juden zählen doppelt.“ Hadar (Danielle Shimshoni) holt die unbedarfte Deutsche ab und zeigt ihr als erstes den Luftschutzbunker: Willkommen in der israelischen Wirklichkeit.
Itay Feldmann ist künftig Hannas ziemlich lockerer, aber auch übergriffiger Ansprechpartner. Er spricht deutsch, kennt das Popmusik-Duo „Modern Talking“ und will nach seinem Armeedienst einen Club in Berlin eröffnen, lässt aber ganz nebenbei auch Sprüche ab wie: „Ihr habt nur sechs Millionen unserer Leute umgebracht.“ Klar, dass sich Hanna diesen Schuh nicht anziehen mag, muss aber feststellen, dass sie bereits bei ihrer ersten Patientin Mira (Sigalit Fuchs) beim Puzzlespiel auf Vorbehalte stößt: „I don’t like you!“
Carsten und Maja sind Hannas Mitbewohner in einer ziemlich schmuddeligen WG ohne privaten Rückzugsraum. Einsatzort ist das Siegfried Moses-Heim für Holocaust-Überlebende in Jerusalem. Wo Hanna nicht zufällig auf Dr. Gertraud Nussbaum trifft, was sich aber erst im Lauf der Zeit herausstellt: Gertraud kennt ihre Mutter Uta Eggert, die in der halben Welt tätig war, in Nicaragua etwa, auf Kuba – und in Israel.
Hanna, die ihren Job nicht aus Überzeugung, sondern aus reiner Berechnung angetreten hat, empfindet nach und nach Empathie für Heimbewohner wie Erwin (Rudi Barta), der, sich selbst am Klavier begleitend, das Lied „Der gute Kamerad“ singt – und sieht nach Gesprächen mit Gertraud Nussbaum, die alte Fotoalben hervorkramt, das Engagement ihrer Mutter in anderem Licht. Von seiner Mutter Gudrun (Brigitte Böttrich) via Skype zu Hannas Geburtstag angekündigt, kommt Alex zu Besuch nach Israel. Er hat die gemeinsame Berliner Wohnung eingerichtet, aber Hanna ist sich nicht mehr so sicher, ob eine Jetset-Ehe zweier ehrgeiziger Akademiker noch das Richtige für sie ist.
„Alles hängt irgendwie zusammen. Ich dachte, ich könnte bei Null anfangen“: Hanna hat in wenigen Wochen viel gelernt, nicht zuletzt über die eigene Familiengeschichte. Und fühlt sich „professionell geläutert in Rekordzeit“, als sie zur Ablegung der BWL-Prüfung nach Berlin zurückfliegen will. Doch Itay Feldmann geht ihr nicht aus dem Kopf, sie beschließt, ihren Israel-Aufenthalt noch zu verlängern – und erreicht Itay übers Handy an der Spree…
Der bei diesem Sujet erstaunlich lockere und sogar bisweilen heitere Spielfilm „Hannas Reise“ ist nach dem 2008 im Fischer-Verlag erschienenen Roman „Das war der gute Teil des Tages“ entstanden, in dem die Berliner Schriftstellerin und Journalistin Theresa Bäuerlein ihre jahrelangen Erfahrungen in Tel Aviv zu Papier gebracht hat. Die hinzuerfundene Liebesgeschichte, deren Ausgang offen bleibt, wirft ein Schlaglicht auf den Berlin-Hype der Shoah-Enkelgeneration, auch wenn sie gänzlich in Israel spielt. Uraufgeführt am 27. August 2013 in Montreal fand die Deutsche Erstaufführung Ende Oktober 2013 bei den 47. Hofer Filmtagen statt. Die TV-Erstausstrahlung erfolgte am 24. Juni 2015 in der ARD.
Pitt Herrmann