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In seinem Regiedebüt setzt sich der Schauspieler Armin Mueller-Stahl, der durch familiäre Hintergründe und seine vielen, auch internationalen Rollen immer wieder mit der NS-Vergangenheit befasst war, in einem fiktiven Rollenspiel mit Hitler auseinander, den er auch selbst spielt. Genauer gesagt dessen Doppelgänger Kronstaedt, der inzwischen über 100 Jahre alt ist und in einem grotesken Bunker haust. Der amerikanische Historiker Dr. Arnold Webster will ein langes Interview mit ihm führen, um mehr über seine Identität herauszufinden. So kommt der Einsiedler wieder mit der Außenwelt in Berührung und liefert dem Wissenschaftler bei seinen täglichen Besuchen im Bunker ein immer bizarreres Schauspiel.
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„Ich komme nicht von ihm los. Ich versuche es immer wieder, aber es gelingt mir nicht“: Zehn Tage lang führt Webster intensive Gespräche mit dem Mann, der behauptet, Goebbels habe ihm aus Sicherheitsgründen, aber auch, um dem Volk eine gewisse Allgegenwärtigkeit des Führers vorzutäuschen, schon sehr frühzeitig sechs Doppelgänger zur Seite gestellt, die ein perfektes Schauspiel-Training absolviert hätten (famose Miniaturen für Dietmar Mues als Heinrich Pfarrmann, den einmal mehr überragenden Harald Juhnke als Ferdinand Muskat, Dieter Laser als Peter Hollstein, Otto Sander als Heinz Lohmann und Kai Rautenberg als Horst Sievers). Und nicht nur das: Um den perfekten Doppelgänger spielen zu können, seien auch die Zähne der Doubles mit nahezu perfekter Maske manipuliert gewesen. Weshalb der sechste Mann, Kronstädt, der sich nach der Kapitulation im Führerbunker geopfert und am Hitlers Stelle Selbstmord begangen habe, tatsächlich für den Gröfaz gehalten wurde.
Niemand habe an Hitlers Selbstmord gezweifelt, weshalb es ausgereicht hätte, sich eine Weile tot zu stellen, während die Deutschen, „dieses Volk von Memmen“, glaubten, sich „reinwaschen“ zu müssen. Danach sei alles easy gewesen, selbst als er sich beim Film für eine Hitler-Rolle bewarb und abgelehnt wurde, sei niemandem etwas aufgefallen. Webster geriert sich als unerbittlicher Fragensteller, bleibt misstrauisch, sucht Fehler und Widersprüche in den Aussagen seines Gegenüber. Permanent bedrängt Webster die Sorge, er könne einem cleveren und dazu noch publicitysüchtigen Schwindler aufgesessen sein. Die Situation wird von Treffen zu Treffen heikler, die Atmosphäre angespannter. Plötzlich, wenn auch nicht unerwartet, spitzt sich die Situation dramatisch zu...
In seinem 96-minütigen Regiedebüt spielt Armin Mueller-Stahl, der große DDR-Schauspieler mit einer grandiosen West-Karriere infolge der Biermann-Aussperrung, die ihn bis nach Hollywood führte, auch selbst die Titelrolle der „Bestie“. Wobei der 66-Jährige auch als Co-Autor fungierte, offenbar zuviel auf einmal: „Mein verzweifelter Versuch, diesen Kerl loszuwerden“, nannte Mueller-Stahl als seinen Beweggrund, den Versuch zu wagen, Hitler zu „entmystifizieren“.
Nach der Uraufführung am 10. September 1996 beim Toronto Int. Film Festival, welche die Variety als „very strange“ befand, und der äußerst umstrittenen Europa-Premiere im Panorama-Wettbewerb der 47. Berlinale 1997, auf der Armin Mueller-Stahl die Ehrenauszeichnung „Berlinale Kamera“ entgegennehmen konnte, ging auch die parallele Kinopremiere am 20. Februar 1997 grandios daneben – ein ungeheurer Fehlstart, künstlerisch als zu unentschieden zwischen Dokumentarfilm, Psychostudie und Satire, wie finanziell. Mit dem Entsetzen Scherz zu treiben, billigt man keinem Deutschen zu, wenn man über Hitler lacht, dann bitte mit dem jüdischen Witz eines George Tabori. Ansonsten ist nur Ernsthaftes gefragt wie Karmakars „Totmacher“ mit Götz George. Die TV-Erstausstrahlung am 2. Juli 1999 auf Arte erfolgte unter dem Titel „Gespräch mit der Bestie“.
Pitt Herrmann