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Sie ist eine erfolgreiche Ärztin mit tadellosem Ruf. Etwas geheimnisvoll wirkt dagegen ihre Lebensweise auf einem versteckten Landgut in der Eifelregion des Hohen Venn bei ihrem wesentlich älteren Ehemann Roland. Der ist Schriftsteller und ruht sich offenbar gelassen auf seinem Erbe von seinem erfahrungsreichen Leben aus. Und dann ist da noch Martas 5-jähriger Sohn Nathan aus einer vorherigen Beziehung, der so gar nicht in das routinierte Leben des ungleichen Paares zu passen scheint. Erst das Auftauchen eines Wanderarbeiters aus dem Kosovo, der eigentlich nur das marode Badezimmer sanieren soll, bringt die Idylle durcheinander. Offenbar löst er bei Marta unerwartet heftige Gefühle aus und zwar nicht nur, weil er sich zunächst als zwielichtiger Erpresser betätigt. Nur er scheint etwas Licht in das Geheimnis des Lebens dieser kleinen Familie bringen zu können, zu dem die dunkle Vergangenheit der Ärztin in ihrer Zeit auf dem Balkan der Schlüssel sein könnte.
Großartig inszenierte Parabel auf die Schuld hinter der Fassade eines guten Menschen, die sich nur eine begrenzte Zeit sozusagen als "Geborgtes Weiß" verstecken kann – bis sich eben doch deren Folgen zeigen.
Quelle: 18. Festival des deutschen Films Ludwigshafen am Rhein
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Marta lebt mit ihrem Gatten, dem um einiges älteren Schriftsteller Roland, in einem einsam gelegenen Haus in der Eifel am Rand der ausgedehnten Torfheide-Landschaft des Hohen Venn. Sie verdient in ihrem aufreibenden Beruf auf einer Geburtsstation genug für ein sorgenfreies Leben, er ruht sich auf einer offenbar nicht unerheblichen Erbschaft aus, liest ausgiebig Zeitung und sondert kluge Sprüche ab.
Weshalb Marta sich zwar etwas wundert, als sie am nächsten Tag von der Klinik-Schicht heimkehrend die Zufallsbekanntschaft aus dem Baumarkt vorfindet, aber durchaus damit einverstanden ist, dass das Bad nun gründlich saniert wird. Roland hat den Handwerker Valmir zur Badrenovierung engagiert, schwarz zwar, aber nach Tariflohn bezahlt. Der im bosnischen Sarajevo geborene Albaner gibt sich als Wanderarbeiter aus, die Adresse habe er von Nathan erfahren: Eine erste von zahlreichen, die Spannung hochhaltenden Irritationen der Zuschauer, die mitbekommen haben, wie Valmir dessen Mutter gegoogelt hat.
Valmir darf zum opulenten Gänseessen bleiben, obwohl das Unternehmerpaar Henner (Bruno Cathomas) und Stine (Heike Trinker) zu Gast ist. „Was kostet ein deutsches Kind?“ fragt Valmir in einem unbeobachteten Moment die Gastgeberin in der Küche. Die Antwort lautet: 30.000 Euro. Das ist exakt die Summe, um die er Marta wenig später erpresst. Sie zahlt – aber er steigt nur scheinbar in den nächsten Zug. Denn Valmir ist der Vater Nathans, dessen Mutter Alva (Jetemire Alimusaij) bei der Geburt starb – als Marta für eine Hilfsorganisation zwei Jahre in Albanien tätig gewesen ist.
Nun steht der Vorwurf im Raum, Marta habe Alva absichtlich sterben lassen, um Nathan mit nach Deutschland nehmen und als eigenen Sohn ausgeben zu können. Valmir kehrt jedenfalls wieder zurück, nistet sich in einem benachbarten Gartenhäuschen ein und bekundet, sein Kind mit nach Albanien nehmen zu wollen. Weil Martha sich nicht traut, Roland die Wahrheit zu sagen, reagiert dieser eifersüchtig – und sitzt an Nathans sechstem Geburtstag am auch mit Geschenken reich gedeckten Tisch allein zuhause, während Marta, Valmir und Nathan den ganzen Tag in einem Kinderparadies Spaß haben.
Als sich die Situation immer mehr zuspitzt, unternimmt Valmir mit Nathan einen Fluchtversuch. Doch Marta ist fest entschlossen, „ihr“ Kind zu behalten – und das um jeden Preis…
In „Geborgtes Weiß“ bekommt die gutbürgerliche Fassade der dreiköpfigen Intellektuellen-Familie mit grüner Aussteiger-Attitüde schon früh Risse. Die in ihrer Ausweglosigkeit an antike Dramen erinnernde Geschichte nach einer Idee der 1976 bei Köln geborenen Karin Kaçi, einer Film- und (Jugend-) Buchautorin armenischer Herkunft, sowie des 1971 in Walsrode geborenen und in Bremerhaven aufgewachsenen Regisseurs Sebastian Ko („Wir Monster“) bleibt trotz vorhersehbar blutigem Ende über gut einhundert Minuten spannend. Was vor allem Susanne Wolff zu danken ist: Sie verkörpert eine selbst kinderlose Ärztin auf einer Entbindungsstation, die sich nichts sehnlicher als eigenen Nachwuchs gewünscht hat und diesen nun mit allen Fasern ihres Körpers, zu denen hier auch das Herz gehört, verteidigt. Ihre Marta ist zu allem bereit…
Gedreht von Oktober bis Dezember 2019 in der Eifel unweit der Grenze Nordrhein-Westfalens zu Belgien ist die lange ihre Geheimnisse wahrende Parabel mit Thriller-Elementen, auf fernsehtaugliche neunzig Minuten gestutzt, am 27. Oktober 2023 auf Arte erstausgestrahlt worden.
Pitt Herrmann