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Es ist Sommer, es ist extrem heiß – und die Nerven im einzigen Frauenfreibad Deutschlands liegen blank: Unterschiedliche Kulturen und Temperamente treffen aufeinander, das führt zu Spannungen und Diskussionen. Da ist beispielsweise die Gruppe um Eva, die sehr genaue Vorstellungen vom richtigen Verhalten im Freibad hat. Und die Frauen um Yasemin sorgen für allseitiges Aufsehen, da sie mit Burkinis baden wollen. Als die Bademeisterin entnervt kündigt, muss der neue Bademeister Nils als einziger Mann im Freibad zwischen den diversen Parteien vermitteln und ist zugleich das Objekt der Begierde mancher Badegästinnen. Je höher die Temperaturen steigen, desto hitziger wird auch die Stimmung im und ums Schwimmbecken.
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Ein Kerl auf dem einem Tennis-Schiedsrichterstuhl gleichenden sonnenbeschirmten Hochsitz, der einen Überblick auf das ganze Freibad ermöglicht, wäre den Stammkundinnen auch nicht zuzumuten. Vor allem nicht dem emanzipatorischen Duo infernale zweier Freundinnen, die sich seit alten frauenbewegten Demozeiten kennen und stets die gleichen Liegen unter einem Sonnenschirm für sich beanspruchen: die gutsituierte Lehrerin Gabi und die nur „Kaiserin“ genannte Schlagersängerin Eva, die nach Hörproblemen ihren Beruf an den Nagel hängen musste und nun ein eher bescheidenes Dasein fristet.
Gabi ruft nach einem unter einer türkischen Großfamilie ausgebrochenen handfesten Streit auf der Liegewiese die Polizei, was sich aber rasch als Fehlalarm herausstellt. Geht es doch lediglich um die Auseinandersetzung der säkularen Mutter Emine und weiterer liberal eingestellter Angehöriger wie Sema und Melek um den Burkini, mit dem Emines Tochter Yasemin plötzlich im Bad aufgetaucht ist. Sie empfinden den hauteng anliegenden Ganzkörper-Badeanzug, der die Kurven der attraktiven Germanistik-Studentin unterstreicht, als Provokation. Weil ihn Yasemin, die von ihrer Kommilitonin Paula geradezu gestalkt wird, keineswegs aus religiösen Gründen trägt.
Racial Profiling? Das sehen der herbeigerufene Polizeibeamte Henner und seine Kollegen naturgemäß anders und decken sich bei Kim, als Betreiber der „Strandperle“ der einzige im Bad geduldete, weil offenbar schwule Mann, mit Bratwürsten ein. Vorurteile gibt’s schließlich auch unter Frauen, auch unter solchen wie Gabi und Eva, die sich als Vorkämpferinnen für die Gleichberechtigung der Geschlechter verstehen: Als eine von Woche zu Woche größere Gruppe verschleierter Niqab-Trägerinnen um die elegante Syrerin Kamila die Liegewiese bevölkert und Kim der Nachfrage entsprechend beim Grillen von Schweinswürstel auf Lamm umstellt, ist es mit der demonstrativen Multikulti-Begeisterung der beiden schlagartig vorbei.
Bikini, Badeanzug, Burkini oder Toppless: Wem gehört das Bad und wer bestimmt die Regeln? Steffi ist die ständigen Reibereien leid und schmeißt hin. Rocky bleibt keine andere Wahl, als mit Evas neuem Untermieter, dem Studenten Nils, einen männlichen Bademeister einzustellen. Was zu neuen Problemen führt: während die Araberinnen, Bade-Flüchtlinge aus der Schweiz, die dort nicht nach ihren Regeln schwimmen gehen dürfen, ausbleiben, erfreuen sich immer mehr Stammgäste am äußeren Erscheinungsbild des selbsternannten aquatischen Menschen – nicht zuletzt die „Uschi Obermaier von Giesing“ (zur Erklärung für die Jüngeren: Fotomodell, 1968er Sex-Symbol und als Freundin von Rainer Langhans Mitglied der Berliner Kommune I).
Bis es zum nächtlichen Happy End im geschlossenen Bad kommt, nähere Einzelheiten werden hier nicht gespoilert, vergehen rund einhundert zumeist turbulente Minuten. Die mit wortwitzigen Dialogen des Autorinnen-Trios, einer tollen Besetzung, herausragend das in vielerlei Hinsicht mutige Protagonistinnen-Duo Maria Happel und Andrea Sawatzki, erfrischenden Bildern und einer flotten Mucke von „Sweet Dreams“ (Eurythmics) bis „Kiss Me“ (Sixpence None The Richer) punktet.
„Freibad“ hat das Zeug zu einer richtigen Sommerkomödie mit durchaus diskussionswürdigem Hintergrund. Hoffentlich ist der Sommer noch nicht vorbei, wenn sie in unsere Kinos kommt – die geplante Open Air-Premiere in der Isarmetropole war schon buchstäblich ins Wasser gefallen.
Pitt Herrmann