Inhalt
Soeben hat er den Studienabschluss in Boston absolviert, die Promotion als nächste Schritt auf Erfolgsweg ist schon fest eingeplant, da wird Martins Leben von Grund auf umgekrempelt. Auf der Geburtstagsfeier seines Vaters bricht er vor Schmerzen zusammen. Das Ergebnis einer unkonventionellen Untersuchung hinter einer Wurstbude – durchgeführt vom Rettungssanitäter Winnie, einem Freund von Martins Bruder Roman – bestätigt sich. Die Diagnose lautet auf Hodenkrebs, und als die Ärzte ihm nach der Entfernung des ersten Hodens zu einer Totaloperation raten, entscheidet sich Martin für eine Chemotherapie. Hier lernt er Schicksalsgenossen wie Nickel, Susanne und Harry kennen. Gemeinsam witzelt man gegen die Krankheit an, und schließlich entwickeln sie den Plan, Martins amputiertes "Ei" aus der Pathologie zurückzuerobern.
Kommentare
Sie haben diesen Film gesehen? Dann freuen wir uns auf Ihren Beitrag!
Jetzt anmelden oder registrieren und Kommentar schreiben.
Der arbeitet bei der Rettung und nimmt die erste Untersuchung noch ganz locker: „Jetzt lassen wir das Vögelchen ’mal zwitschern“. Doch dann muss die Mayonnaise auf den Pommes von Roman als Vaseline-Ersatz für die Rektaluntersuchung herhalten: „Ach du heilige Scheiße“. Winnies Verdacht scheint sich zu bestätigen: Martin hat einen Tumor.
Die niederschmetternde Diagnose der Ärzte später in der Klinik: Hodenkrebs. Nachdem sie sofort einen Hoden entfernt haben, wollen die Mediziner Martin von einer Totaloperation überzeugen. Doch der verspürt wenig Neigung, sich kastrieren zu lassen. Er entscheidet sich gegen den Rat von Dr. Bofinger, eines so abgebrühten wie schnoddrigen Schürzenjägers, für eine sehr langwierige und schmerzhafte Chemotherapie, die ihm zumindest Hoffnung auf den Erhalt seiner Männlichkeit – oder was von ihr noch übrig geblieben ist nach dem spontanen ersten Eingriff – lässt. „Tumor ist, wenn man trotzdem lacht“: Zusammen mit seinem Bruder raucht Martin einen letzten Joint auf einer Parkbank.
Auf der „Station der Glatzköpfe“ trifft „Hoden“ Martin auf zwei Leidens- und Schicksalsgenossen, denen – wie ihm selbst - der sarkastische Krankenpfleger entsprechende Kurz-Namen verpasst hat: „Bauchspeicheldrüse“ Nickel und „Magen-Darm“ Harry. Die beiden Jung-Zyniker, für die das Krankenhaus längst zur eigentlichen Heimat geworden sind, in der sie hemmungslos und beinahe rund um die Uhr rauchen, trinken und zocken, vertreiben sich den öden Klinik-Alltag mit Splatter-Videos und freunden sich mit der todgeweihten Krebspatientin Susanne an.
Das alte Leben ist mittlerweile ganz weit weg und Martin lernt schnell, dass die üble Lage nur mit pechschwarzem Humor zu ertragen ist. Aber der Gedanke an die eigene „Unvollständigkeit“ quält ihn. So will er sich mit seinen beiden Kumpanen und Susanne auf die Suche nach dem verlorenen Ei, das in der Pathologie liegen soll, begeben. Gerade als sich Martin und Susanne näher gekommen sind, erleidet letztere einen Rückfall. Auf der Intensivstation kommt es zu einer letzten, anrührenden Begegnung zwischen den beiden.
In der Pathologie, in die sich das glatzköpfige Trio dank eines bühnenreifen Coups eingeschmuggelt hat, findet sich nicht nur das formalingetränkte „Ei“ Martins, das nächtens im Klinikpark „bestattet“ wird, sondern auch die Leiche seiner gerade erst gewonnenen Liebe. So verlässt Martin mit sehr gemischten Gefühlen nach überstandener „Chemo“ die Klinik...
Robert Schwentke, Jahrgang 1968, der zuvor als Autor zahlreicher „Tatort“-Folgen in Erscheinung getreten ist, sein Drehbuch für „Bildersturm“ (1998) war immerhin für den renommierten Marler Grimme-Preis nominiert, debütierte auf der Kinoleinwand mit dem Thriller „Tattoo“ und hat zusammen mit Jodie Foster in den USA mit „Flightplan“ einen weiteren Streifen dieses Genres gedreht, dem beiderseits des Großen Teichs freilich nur ein eher bescheidenen Kassenerfolg zuteil wurde trotz einer hochspannenden Story und atemberaubender Action-Szenen in bester Hollywood-Manier.
Mit „Eierdiebe“ ist Robert Schwentke eine pechschwarze Tragikomödie gelungen, die einerseits auf berührende Momente zwischen den jungen Protagonisten setzt und andererseits durch feine Ironie überzeugt, gerade was die realistischen, unter die Haut gehenden Details einer konventionellen Krebs-Therapie betrifft. Mit der der Regisseur übrigens selbst leidvolle Erfahrungen machen musste, sodass es kein Zufall ist, auf welch’ lakonische Weise er mit diesem heiklen (Tabu-) Thema umgehen konnte.
Pitt Herrmann