Inhalt
Im pommerschen Dorf Kummerow leben zur Zeit Bismarcks einige Bewohner nach heidnischen Bräuchen. Der konservative Pastor Breithaupt sieht das überhaupt nicht gerne, insbesondere, da seine eigene Tochter an manchen Festen mit Begeisterung teilnimmt. Dem Pastor ist vor allem der Kuhhirte Krischan ein Dorn im Auge, der sich stets den bürgerlichen Tugenden verweigert. Auch Müller Düker macht dem Pastor Schwierigkeiten. Dieser will Krischan aus Kummerow vertreiben, denn der kennt Dükers dunkles Gehemnis.
Verfilmung des Romans "Die Heiden von Kummerow" von Ehm Welk.
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Krischan kommt stets um Ostern in das kleine vorpommersche Dorf, just zu der Zeit, wo die Jungs am Heidendüker im Mühlbach stehen, um herauszufinden, wer es am längsten aushält im noch eiskalten Wasser. Beobachtet von den spottenden Mädchen des Dorfes – und von Krischan, der im Bedarfsfall den Schiedsrichter gibt. Denn dem Sieger winkt nicht nur der Titel „Heidenkönig“, sondern in diesem Jahr auch das Versprechen Ulrike Breithaupts, einmal seine Braut zu werden. Ein Versprechen, das ausgerechnet von der Pastorentochter stammt: wenn das ihr Vater wüsste! Zumal Pastor Kaspar Breithaupt und seine Gattin Hermine gerade Superintendent Sanftleben zu Gast haben. Der verspürt in der frischen, mit einer Brise Ostseewind gewürzten Landluft nicht nur enormen Hunger, sondern erkundigt sich angelegentlich, ob es seinem Amtsbruder endlich gelungen ist, die Kummerower Heiden zu bekehren.
Geht doch der vorösterliche Brauch im Mühlbach auf eine Sage zurück, nach der die Bauern der Gegend um Randermünde an dieser Stelle zwangsgetauft werden sollten, aber ein Priester nach dem anderen aufgrund der Kälte des Wassers aufgeben musste – und so die Taufe buchstäblich ins Wasser fiel. „Heidenkinder“, so muss Breithaupt eingestehen, lassen sich so schnell nicht zu Christenmenschen erziehen. Was den sanften Sanftleben nicht aus der Ruhe bringt: der Menschenfreund hat für die Schwächen des Fleisches wie des Geistes Verständnis. Nicht so die Pastorentochter: Weil mit Johannes Bärensprung ein „Lumpenkönig“ gewonnen hat, der als uneheliches Kind mit seiner Mutter Luise und dem als Nachtwächter tätigen Großvater im Armenhaus wohnt, fühlt sie sich nicht mehr an ihr Versprechen gebunden. Wofür Johannes' bester Freund, Martin Grambauer, kein Verständnis hat.
Der Sohn des laut Pastor Breithaupt „größten Heiden in Kummerow“, des Bauern Gottlieb Grambauer und dessen Gattin, hat ein ausgeprägtes Ehr- und Gerechtigkeitsgefühl in die Wiege gelegt bekommen. Weshalb er auch, gerade vom Lehrer und Kantor Kannegießer in Gegenwart des Pastors und des Superintendenten als Klassenbester ausgezeichnet, das traditionell damit verbundene Amt des „Kirchenjungen“ auch gegen den Willen seines betont atheistischen Vaters erfüllen will.
Für den wohlhabenden Müller Heinrich Düker ist Krischan ein rotes Tuch. Warum auch immer will er den armen Teufel, dem alle Kinder des Dorfes zugetan sind, weil er ihnen vorbehaltlos offen und freundlich begegnet und allen hilft, wenn es nottut, vertreiben. Sodass Martin, Johannes, der dicke Herrmann (Wolfgang Hinz), Ulrike und die anderen, die sonst nur Schabernack mit ihrem Lehrer, dem Pastor und den Bauern im Dorf treiben, ihren Gespensterspuk auf des Müllers Hof konzentrieren. Und der hat es dermaßen in sich, dass Düker sogar zur Waffe greift. Was den Gendarm Niemeier, ursprünglich auf Krischans nebulöse und vielleicht gar dunkle Vergangenheit als Zuchthäusler angesetzt, gegen den Dorf-Honoratioren und jähzornigen Pferdeschinder auf den Plan ruft. Während das Gemeinderatsmitglied Düker verhaftet wird, zieht der vorschnell vertriebene Krischan im Kreis fröhlicher Kinder wieder in Kummerow ein – mit Festanstellung, Stempelgeld, einem Dach überm Kopf und Verpflegungssalär für den treuen Schäferhund...
„Die Heiden von Kummerow“, 1937 erschienen und nach dem Zweiten Weltkrieg in veränderter Form in der DDR neu ediert, ist der bekannteste Roman des 1884 in Biesenbrow (nördlich von Angermünde) geborenen und 1966 in Bad Doberan gestorbenen Bauernsohns, Kaufmanns, Journalisten, Volkshochschul-Gründers und Schriftstellers Ehm (eigentlich: Emil) Welk. Obwohl in der inneren Emigration geschrieben, Welk galt bei den Nationalsozialisten als politisch unzuverlässig, war die zur Kaiserzeit spielende Dorfchronik eine außerordentlich beliebte Landser-Lektüre. In der DDR gehörten die Werke Ehm Welks, darunter auch zwei sozialrevolutionäre Theaterstücke, zur Pflichtlektüre.
Die zwischen Heimatschnulze und Lausbubengeschichte angesiedelte Verfilmung von Werner Jacobs (1909 Berlin – 1999 München), der zuvor etwa mit „Der Bettelstudent“, „Der Graf von Luxemburg“, „Im weißen Rößl“ und „Die lustige Witwe“ ganz der seichten Unterhaltungsware der 1950er und 1960er Nachkriegsjahre in Westdeutschland verpflichtet war, ist geschichtsträchtig, handelt es sich doch bei dem im Sommer 1967 an Originalschauplätzen auf Rügen gedrehten Farbtonfilm um die erste offizielle ost-westdeutsche Gemeinschaftsproduktion, die am 1. Dezember 1967 in die Kinos kam. Kameramann Günter Haubold drehte auf Orwocolor mit Stars aus Ost und West. Die Defa war nicht nur mit Schauspielern, sondern vor allem mit Technik, Stab und der Weiterverarbeitung (Schnitt) wesentlich beteiligt an einer Kinoproduktion, die der Münchner Constantin-Verleih unter seine Fittiche nahm und die trotz prominenter Besetzung erst am Neujahrstag des Jahres 1976 West-Premiere auf dem Bildschirm feierte.
Was daran gelegen haben mag, dass die mehr oder minder harmlosen „lustigen Streiche“ nach Art von Max und Moritz wie das Abdecken einer Jauchegrube oder das Ansägen einer Holzbrücke vor sehr konkretem Hintergrund geschildert werden: Es geht, auch in Verbindung mit einem alten, unaufgeklärten Kriminalfall, um nichts weniger als Recht und Gerechtigkeit, um Staat, Kirche und Gesellschaft. Und es sind die Dorfkinder, die – zusammen mit dem Außenseiter Krischan alias Christian Klaproth, der einst aus Eifersucht einen Totschlag begangen und seine Strafe im Zuchthaus gebüßt hat - den Erwachsenen ein Beispiel geben für Gerechtigkeitssinn, Herzensgüte und Ehrfurcht vor dem Leben – Tiere ausdrücklich eingeschlossen.
Pitt Herrmann