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Bernhard Wickis Verfilmung der Novelle von Günter Herburger erzählt von einem Schriftsteller, der mit seiner Mutter nach Italien reist. Nachdem die Mutter bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist, bleibt der junge Mann in Italien und hält sich mit Schwarzarbeit über Wasser. Gemeinsam mit drei anderen Gastarbeitern baut er für einen neureichen Auftraggeber eine Villa am Meer. Beim Richtfest, zu dem sich eine ebenso dekadente wie arrogante Gastgesellschaft versammelt, eskaliert die Situation.
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Weder für Brucker noch für Yamalakis, einen politisch Verfolgten aus Griechenland, für Iker, einen separatistischen Basken, der sich nicht in seine spanische Heimat wagen darf, oder für die einheimischen, mit Brucker befreundeten Rodolfo und Niccolo Battipanna. Der Deutsche lernt die aparte Alessandra kennen, taubstumme Tochter seines Bauherrn – eine zarte Beziehung, die jedoch von vornherein keine Zukunft hat: Beide stehen auf unterschiedlichen Seiten.
Zwischen den Ausgebeuteten, da nicht versicherten Schwarzarbeitern, entwickelt sich eine Kameradschaft, welche die opulente Eröffnungsparty des dekadenten Jet Sets sprengt: die Arbeiter jagen die hohen Herrschaften kurzerhand aus der Zitadelle und verteidigen diese auch gegen heranrückende Carabinieri. Um am Ende dann bar aller Illusionen das Ganze den Flammen zu überlassen…
Die Dreharbeiten auf Elba, die im Frühjahr 1975 begannen und mehrfach unterbrochen werden mussten, gestalteten sich äußerst schwierig. Erst brach eine Grippe-Epidemie aus, die auch zahlreiche der einheimischen Laien-Darsteller matt setzte, dann zwang eine Regen-Sintflut, wie es sie auf der Mittelmeer-Insel „seit Menschengedenken“ nicht gegeben hat, zur Pause, schließlich erschwerte die Mafia die Arbeit. Bernhard Wicki zeigte sich am Ende dennoch mit dem Ergebnis zufrieden: Sein Film, „der sich sehr viel Zeit nimmt und Geduld einfordert“, bewege sich „außerhalb der gängigen Kino-Dramaturgie. Aber gerade das kann sein Reiz und seine Schönheit sein.“
„Die Eroberung der Zitadelle“, am 30. Juni 1977 im Wettbewerb der Berlinale noch in gut dreistündiger Fassung uraufgeführt, eine Woche später ohne nennenswerte Publikumsresonanz in den Kinos gestartet, ist Anfang 1979 auch in die DDR-Kinos gekommen. Freilich nicht als schon 1977 längst überholte sozialkritische Zustandsbeschreibung Italiens mit seinen starken Gewerkschaften und der mächtigsten kommunistischen Partei Westeuropas.
Michael Hanisch in der populären DDR-Illustrierten „filmspiegel“ (1/1979): „Das ist schon eine reizvolle, originelle Ausgangsidee: einen Menschen aus jenem Land, wo man die schlechtesten Schmutzarbeiten Ausländer machen läßt, die man Gastarbeiter nennt und die man in Zeiten der wirtschaftlichen Krise und hoher Arbeitslosigkeit am liebsten wieder aus dem Lande jagen würde, wenn man einen solchen Menschen aus solch einem Land urplötzlich zum Gastarbeiter werden lässt, und das ausgerechnet in einem jener Länder, aus denen gewöhnlich die vielen Gastarbeiter kommen.“
Eigentlich kein Film fürs bundesdeutsche Sonntagabend-TV-Programm um 21.05 Uhr und damit fürs große Publikum bei der Erstausstrahlung am 24. Juni 1979 in der ARD. Dazu ist „Die Eroberung der Zitadelle“ von WDR-Fernsehspiel-Chef Gunther Witte und Bernhard Wicki nach der gleichnamigen, autobiographisch angehauchten Novelle Günter Herburgers aus dem Jahr 1971 zu schwer zugänglich, weist binnen nunmehr 151 Minuten immer noch große Längen auf und langweilt das auf Action getrimmte Publikum alsbald. Was nicht zuletzt an den häufig in italienischer Sprache geführten Dialogen liegt.
Aber auch ganz generell mit der Story zusammenhängt, der ein Roter Faden fehlt: Die geistige Auseinandersetzung mit Problemen und Konstellationen unserer Zeit ergibt in der episodenhaft aneinandergereihten Zitatstruktur des Films, der in epischer Breite vom italienischen Lebensstil und – in faszinierenden Gegenlichtaufnahmen – von der Schönheit der Landschaft schwärmt, kein in sich stimmiges Mosaik.
Pitt Herrmann