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Rudolph Moshammer kennt jeder und doch kennt ihn keiner – den charismatischen Münchner Modezar der 1980er Jahre, bei dem sich in der Maximilianstraße die Schönen und die Reichen die Klinke in die Hand gaben. Das luxuriöse Leben und der tragische Tod des zur kultigen Stilikone erstarrten Lebenskünstlers mit dem angeklebten schwarzen Kunsthaar füllten die Schlagzeilen der Boulevardpresse. Der homosexuelle Moshammer war 2005 – das wissen wir heute – Opfer eines Mordes bei einem Streit um einen "Sexlohn" geworden. Dieser Film konzentriert sich allein auf die Fiktion des glamourösen Luxuslebens, das der Erfolgsmensch führte: Seine Mutter Else zieht in diesem Intrigenstadl die Fäden im Hintergrund. Vor allem gefällt ihr nicht, dass der "große Rudolph" eine schöne junge Fußpflegerin zum Star des Verkaufs in seinem Geschäft machen möchte, um an das Geld der Superreichen zu kommen. Dabei verrät der Film die Geheimnisse von Moshammers Modeinszenierungen und feiert deren künstlerische Zuspitzung mit komödiantischer Übertreibung.
Quelle: 14. Festival des deutschen Films Ludwigshafen am Rhein
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Elegante, ab und an auch ein wenig schrille Couture aus edlen Materialien wie Pelz, Kaschmir und Seide: Das reicht seinen stillen Teilhabern und Finanziers, dem eiskalten Toni und der Gesellschaftsdame Gerdi, aber nicht mehr aus. Die nur scheinbar mäzenatischen Eidgenossen wollen den Umsatz des Geschäfts steigern – mit dem Hoch- und Geldadel auch der benachbarten Alpenrepublik Österreich als Kundschaft.
Rudolph Moshammer soll den schwerreichen Grafen Konstantin „Dudu“ von Antzenberg (ein großes Kind: Robert Stadlober, in einer Doppelrolle auch als Zwillingsbruder Funki) für sich gewinnen und dafür eine junge, verführerische Frau für den Verkauf einstellen. Durch Zufall findet Rudolph Moshammer im Kosmetiksalon Seidel die auf den ersten Blick nicht besonders auffällige, ja geradezu ungeschickte Evi, eine junge Fußpflegerin aus Augsburg.
„Die schaut aus wie eine Presswurst“ urteilt ihre Chefin, Frau Seidel (Franziska Schlattner). Aus ihr, so erklärt der Modezar darauf ungerührt, werde er eine aufregende Frau kreieren. In der Tat hebt sich Evi, die im streng geführten Herz-Jesu-Wohnheim für junge Frauen nächtigt, mit ihrer unkonventionellen und naiven Art von Moshammers restlichen Angestellten ab. Das wider Erwarten in sie gesetzte Vertrauen eröffnet ihr jedoch einen neuen Blick auf sich selbst – und erzeugt Selbstbewusstsein.
Was sich zu rächen scheint, als Toni und Gerdi den Grafen von Antzenberg in Moshammers Welt einführen. Als Evi den selbstverliebten österreichischen Blaublüter aufgrund seiner Kleiderwahl als farbenblind bezeichnet, verlässt dieser empört das Geschäft - gefolgt von Rudolph Moshammer, der sich für seine Angestellte entschuldigt und den jungen Grafen mit seiner philosophischen Sichtweise zum Nachdenken anregt.
Der zeigt sich so beeindruckt von Moshammer, dass er ihm einen Großauftrag erteilt. Nachträglich stellt sich Evis Auftreten als von vornherein geplante Aktion heraus: Moshammer nutzt ihre Fähigkeit, die Menschen zu berühren. „Der Weg zu meinem Sohn führt über mich“: Berührt ist auch Else, „die Frau an seiner Seite“ - und zeigt ihre Eifersucht ganz offen, obwohl sie angesichts der sexuellen Prägung ihres Sohnes nichts zu befürchten hat.
Immer noch besorgt wegen des drohenden Ausstiegs ihrer Finanziers, lädt Else den Reporter Yogi Darchinger (Daniel Christensen) ein. Der Privatsender München TV soll das langjährige Engagement ihres Sohnes zugunsten Obdachloser und anderer Bedürftiger in der Isarmetropole ins rechte Medienlicht rücken. „Es ist eine Obszönität, mit armen Leuten zu werben“: Nur sehr widerwillig beugt Moshammer sich den Plänen seiner Mutter. Als er auf Vorschlag des Reporters Obdachlose in seinen Laden einlädt, gerät die karitative Aktion aus dem Ruder, als Yogi Darchinger die Menge aufstachelt, um seinen Bericht aufzuwerten.
Noch am gleichen Abend ist Else entsetzt über den Entschluss ihres Sohnes, auch Evi zum Fest des Grafen von Antzenberg mitzunehmen. Sogleich entwickelt sie einen Plan, um endgültig einen Keil zwischen Evi und Rudolph zu treiben. Durch die Intrigen seiner Mutter sieht Moshammer sich plötzlich gezwungen, sich zwischen ihr und Evi zu entscheiden. Letztere lässt sich nicht mehr alles gefallen, sodass die Situation auf dem Anwesen der von Antzenbergs eskaliert...
Dreizehn Jahre nach dem Tod Rudolph Moshammers hat Alexander Adolph eine Tragikomödie gedreht, die fiktive und historisch verbürgte Elemente so geschickt verzahnt, dass man meint, einem spannenden Biopic zu folgen. Denn natürlich kennt man den skurrilen Modezaren, stets mit Yorkshire-Hündchen Daisy im Arm und seiner Mutter an der Seite, aus den Illustrierten und TV-Gesellschaftssendungen. Man weiß um das karitative Engagement des Wagner-Fans: Moshammer hat sich besonders für Obdachlose engagiert vor dem Hintergrund des Schicksals seines alkoholkranken Vaters. Und man wusste um seine Homosexualität, die aber in der Weltstadt mit Herz nur sehr am Rande eine Rolle spielte – was im Film glücklicherweise eine Entsprechung findet. Der im Übrigen den gewaltsamen Tod des mit großer Empathie gezeichneten Protagonisten in seiner Grünwalder Villa durch einen jungen Stricher ausblendet.
So ist „Der große Rudolph“, am 19. September 2018 von der ARD erstausgestrahlt, in erster Linie ein humorvoll-bissiges Sittenporträt der Münchner Schickeria der 1980er Jahre. Eine Gesellschaftssatire überdies, die in unserer heutigen, von Castingshows und ständiger (Außen-) Bewertung des Körperlichen geprägten Zeit sehr aktuell erscheint. Und so diskret wie Moshammers Fahrer Fröschl (Pavel Trarnicek), wenn er den Rolls Royce zu einschlägigen Treffpunkten am Rande des Englischen Gartens steuert.
Pitt Herrmann