Inhalt
Der junge deutsche Kriegsgefangene Mark Niebuhr wird auf dem Warschauer Güterbahnhof von einer Polin für den SS-Mann gehalten, der ihre Tochter ermordet hat. Daraufhin komm er in Einzelhaft, versteht nicht, was man ihm vorwirft, leidet unter der Isolation. Später wird er mit polnischen Gefangenen zusammengesperrt, die ihm mit Hass begegnen. Nach einem Unfall und Krankenhausaufenthalt kommt er in ein deutsches Kriegsgefangenenlager. Dort besteht noch die alte Wehrmachtshierarchie. Niebuhr durchschaut allmählich, dass er sich unter unbelehrbaren Nazis befindet und distanziert sich von ihnen. Nach acht Monaten wird er als unschuldig entlassen.
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Mark Niebuhr kommt in Einzelhaft, soll seinen Lebenslauf aufschreiben. Was ihn der etwa gleichaltrige Leutnant so lange wiederholen lässt, bis er ein Geständnis zu Papier bringt. Doch der Deutsche, bei dem auch keine der üblichen SS-Tätowierungen gefunden werden, hat nichts zu gestehen: der einzige Schuss, der in seinem kurzen Kriegseinsatz gefallen ist, stammt aus seiner Panzerfaust – und tötete zwei russische Soldaten. Immer wieder beteuert er vergeblich seine Unschuld. Als er in eine Gemeinschaftszelle kommt, erfährt er den Hass der polnischen Gefangenen: Diebe, Schutzleute und gemeine Verbrecher begrüßen ihn mit „Heil Hitler!“ und beschimpfen ihn als SS-Schergen.
„Wir sind ein ganz normales Volk“, entschuldigt sich sein als Dolmetscher eingesetzter Mitgefangener Eugeniusz, der lange in Wien gelebt hat. Dieser angeblich als Heiratsschwindler Einsitzende bringt ihm nicht nur die Vokabeln der Gefängnis-Meldungsformel bei, sondern im Lauf der Zeit die polnische Sprache. In Einzelhaft zurück, muss Mark Folterungen bis hin zur Todesangst über sich ergehen lassen. Als es statt der wässrigen Kohlsuppe Kartoffeln und Hering gibt, ist Weihnachten – und aus anderen Bereichen des Gefängnisses hört man deutsche Gefangene „Stille Nacht“ singen.
Vier Monate ist Mark nun schon in quälender Einzelhaft. Im Frühjahr wird er zusammen mit anderen Gefangenen zum Arbeitseinsatz in die Warschauer Trümmerlandschaft abkommandiert. Er muss in schwindelerregender Höhe ohne Sicherung Steine klopfen - ein bewusstes Himmelfahrtskommando, wie Eugeniusz weiß: „Du sollst herunterfallen und tödlich verunglücken, dann ist Dein Fall erledigt.“ Beim Versuch, ein noch an der Wand hängendes Bild zu retten (und nicht ein Kind, wie es die Defa-Legende behauptet, welche so Eingang in die einschlägige Literatur gefunden hat), stürzt Mark ab und bricht sich einen Arm, den der Häftlingsarzt (Tadeusz Jastrzebowski) in Ermangelung von Gips nur notdürftig schienen kann.
Unfähig für den weiteren Arbeitseinsatz wird er in eine Zelle mit deutschen Kriegsgefangenen gebracht, wo er vor General Eisensteck als Grenadier „ordentlich Meldung machen“ machen muss, bevor er die Hierarchie der „Landsmannschaft Warschau“ zur Kenntnis nehmen muss – mit Major Lundenbroich, einem Hauptsturmführer und dem Gestapokommissar Rodloff. Mark, froh darüber, nach so langer Zeit wieder mit Menschen reden zu können, freundet sich mit dem kaum älteren Jan Beveren an, einem Holländer, der als „Spezialist“ in Auschwitz tätig war. Mit den anderen ist kaum zu reden, herrscht hier doch noch ungebrochen der alte Herrenmenschen-Geist. Als Oberleutnant Müller Geiselerschießungen rechtfertigt, wird er von General Eisensteck bezugnehmend auf international gültiges Kriegsrecht unterstützt: „Der Soldat macht nicht Gesetzte, sondern setzt sie durch.“
Der Gefängnisdirektor (Frantizek Trzeciak) gestattet, dass Mark einer Gruppe gefangener deutscher Soldaten, die Eisenbahnschienen verlegen, präsentiert wird – zu seiner möglichen Entlastung. Aber Erich Seifert, den Mark erkennt und anspricht, verleugnet den Kameraden. Zurück in der Zelle wird Mark von den deutschen Mithäftlingen sogleich Verrat vorgeworfen: Verbrüderung mit dem Feind. Schon seine Beherrschung der polnischen Sprache hat das Misstrauen geschürt, dass sich nun gewalttätig Bahn bricht. Die Stimmung ist nach so langer Haft generell angespannt. Als der Obergefreite Karl-Heinz Fenske, der als Fahrer eines Gasautos täglich bis zu siebenhundert Menschen getötet hat, hingerichtet wird, kommt es zum Suizidversuch eines Zivilisten (Horst Hiemer), der aus Eifersucht einen Polen ermordet hat. Immer wieder wird die Schuldfrage der Deutschen allgemein wie die der Häftlinge hier in Warschau diskutiert, von den Unverbesserlichen aber auch Überlegungen angestellt, wie es zu einem anderen, für Hitler und seine Verbündeten positiven Kriegsausgang hätte kommen können.
Nach acht Monaten stellt sich heraus, dass Mark Niebuhr tatsächlich nie in Lublin war und sich die Frau am Güterbahnhof geirrt haben muss. Sein Name wird aus der Gefängniskladde gestrichen und der nun wohl 19-Jährige, der sich inzwischen von den eingefahrenen Denkmustern seiner immer noch verblendeten Mitgefangenen distanziert hat, in eine ungewisse Zukunft entlassen. Die ihn wohl nur ins sozialistische Deutschland führen kann…
In seinem 1977 erschienenen Roman „Der Aufenthalt“ verarbeitet der Schriftsteller und DDR-Kulturpolitiker Hermann Kant seine eigenen Erlebnisse während der polnischen Kriegsgefangenschaft zwischen 1945 und 1949. Kant, zwischen 1986 und 1989 Mitglied im Zentralkomitee (ZK) der Sozialistischen Einheitspartei der DDR (SED), war in einem Warschauer Arbeitslager interniert und beurteilte seine eigene Geschichte nach drei Jahrzehnten: „Mir ist ... klargeworden, dass ich mit der Gefangennahme eine Chance bekommen hatte, weil sie mich aus einer viel tieferen Gefangenschaft befreite.“
Die von Eberhard Geick, der beim Preisregen der beiden folgenden Jahre leider nicht bedacht worden ist, mit höchst unkonventionellen Perspektiven auf Orwocolor-Material gedrehte antifaschistische Historie wurde im Januar 1983 zur 33. Berlinale eingeladen, der Jury unter der Präsidentin Jeanne Moreau gehörte auch der DDR-Filmemacher Kurt Maetzig an. Doch schon zur Uraufführung durften die polnischen Schauspieler nicht in die DDR reisen und, offenbar nach Interventionen aus Polen, wurde die Nominierung für die Int. Filmfestspiele in West-Berlin wieder zurückgezogen. Der Vorwurf von Vertretern der kommunistischen Partei Polens, der Armee und des Kulturministeriums aus Warschau lautete: Frank Beyers Film habe mit der Schilderung des Gefängnispersonals und der Soldaten eine antipolnische Tendenz und entstelle das Bild des schließlich von deutschen Faschisten überfallenen Landes in der Nachkriegszeit.
Pitt Herrmann