Inhalt
Sönke Wortmanns erfolgreiches Epos erzählt von fiktiven Begleitumständen des unverhofften WM-Siegs durch die Fußballnationalmanschaft der jungen BRD 1954:
Während sein Idol und Ersatzvater Helmut Rahn im Sommer ′54 mit der Nationalmannschaft in die Schweiz aufbrechen, erlebt der 11-jährige Matthias Lubanski in einer Essener Bergarbeitersiedlung die unglückliche Heimkehr seines leiblichen Vaters aus russischer Kriegsgefangenschaft. Die Probleme zwischen der Familie und dem überforderten Heimkehrer verbinden sich mit Rahns Schwierigkeiten, von seinem Trainer Sepp Herberger nicht aufgestellt zu werden. Zu dieser doppelten Vatergeschichte gesellt sich die des frisch verheirateten Münchner Sportreporters Paul Ackermann, der seine zunächst desinteressierte Gattin Annette mit auf die Dienstreise in die Schweiz nimmt. Für alle wird das Finale zu einem Fest der Versöhnung.
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Seine inzwischen erwachsene Tochter Ingrid geht abends ganz selbstverständlich in die Clubs, die überall mitten in den Trümmern des untergegangenen „Tausendjährigen Reiches“ mit flotten amerikanischen (Tanz-) Rhythmen und einem neuen, alle ideologische Zwänge abschüttelnden Freiheitsgefühl locken. Ihr älterer Bruder Bruno hat, sicherlich auch um mit der Väter-Generation der (vermeintlichen) Nazis radikal zu brechen, politisch die Seiten gewechselt und will das durch einen Wechsel in die noch junge Deutsche Demokratische Republik bekräftigen. Selbst Richards Jüngster, der elfjährige Matthias, lehnt sich gegen ihn auf: Als begeisterter Bolzplatz-Kicker und glühender Fan des Essener Stürmerstars Helmut Rahn zündet er in der Kirche des selbst fußballbegeisterten Pfarrers (Felix Vörtler) eine Kerze für den „Chef“ an, damit sein Idol und Ersatz-Vater der deutschen Mannschaft bei der Fußball-WM in der Schweiz zum Erfolg verhilft. Was der eifersüchtige und darob völlig verstörte Kriegsheimkehrer nicht nur für eine Verschwendung, sondern gar für eine Gotteslästerung hält.
Währenddessen hält sich das Team um Nationaltrainer Sepp Herberger trotz einer Auftakt-Niederlage gegen den hohen Turnier-Favoriten Ungarn erstaunlich gut, zunächst auch ohne eine Nominierung von Herbergers Lieblingsschüler Helmut Rahn. Die anderen Stützen der Mannschaft wie Torwart Toni Turek, Fritz und Otmar Walter, Max Morlock, Jupp Posipal, Horst Eckel und Hans Schäfer überraschen von Spiel zu Spiel aufs Neue – und kommen bis ins Finale.
Was auch der junge Münchner Sportreporter Paul Ackermann (dolle Brillenschlange: Lucas Gregorowicz) nicht ahnen konnte, der seine frischgebackene Gattin Annette (in dieser Berner Männerwelt ein Lichtblick in jeder Hinsicht: Katharina Wackernagel) erst zur Tour in die Schweiz überreden musste. Jetzt fiebern sie gemeinsam auf der Pressetribüne des mit 65.000 Zuschauern überfüllten Wankdorf-Stadions oberhalb des legendären Radioreporters Herbert Zimmermann („Aus!Aus!Aus!“) dem erneuten, finalen Aufeinandertreffen des hohen Favoriten Ungarn und des krassen Außenseiters Deutschland entgegen. Wie übrigens auch Bruno Lubanski im FDJ-Blauhemd unter zahlreichen Kommilitonen der Ost-Berliner Humboldt-Universität - sowie sein jüngerer Bruder Mattes und sein Vater, die im DKW des Pfarrers auf dem Weg nach Bern sind und die erste Halbzeit im Autoradio verfolgen müssen...
Zu zeigen, dass der 4. Juli 1954 zu einem Schicksalstag nicht nur für den Deutschen Fußball-Bund, sondern die ganze Nation geworden ist, scheint mir das größte Verdienst Sönke Wortmanns zu sein. Denn „Das Wunder von Bern“, uraufgeführt naturgemäß in der Essener Lichtburg und ausgezeichnet mit gleich drei „Lolas“ des Deutschen Filmpreises, erzählt mehr von den - auch fiktiven – Begleitumständen des legendären Endspiels in der Schweizer Hauptstadt als vom Verlauf der Fußball-Weltmeisterschaft selbst. Durchsetzt mit augenzwinkernd heiteren-Episoden, von denen eine in der Nacht im Mannschaftshotel zwischen Sepp Herberger und einer Putzfrau zu den schönsten gehört, steht das rührende, aber keineswegs rührselige und schon gar nicht melodramatische Heimkehrer- und Familiendrama ganz im Mittelpunkt.
Das bis in kleinste Nebenrollen ganz groß besetzt ist – etwa mit dem nicht eben hünenhaften Dortmunder Schauspieler Jürgen Mikol als Fußballfan am Tresen der Essener Zechensiedlungskneipe, der seinerzeit auf seine alten Tage noch einmal ganz groß herausgekommen ist als „Ekel Alfred“ am Westfälischen Landestheater Castrop-Rauxel.
Pitt Herrmann