Beresina oder Die letzten Tage der Schweiz

Schweiz Deutschland Österreich 1998/1999 Spielfilm

Inhalt

In der schwarzen Komödie rund um eidgenössische Klischees bemüht sich das russische Callgirl Irina um die Schweizer Staatsbürgerschaft und gerät dabei an einen dubiosen Anwalt und eine Kupplerin. Die beiden vermitteln ihr prominente Kunden aus Wirtschaft und Politik, um so an einschlägige Informationen zu gelangen. Aus Angst vor Abschiebung erfindet Irina haarsträubende Geschichten über ihre Freier, die sich allerdings als wahr entpuppen, und deckt so unbeabsichtigt einen Finanzskandal auf. Sie löst damit den "Beresina-Alarm" aus, der eine uralte militärische Geheimorganisation zur Rettung der Schweiz aktiviert.

 

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Heinz17herne
Heinz17herne
Die so junge wie attraktive, dabei aber reichlich naive russische Emigrantin Irina fühlt sich in der Schweiz wie im Märchen. Sie ist ein Callgirl aus Überzeugung, denn: „Die Menschen hier sind gut und reich... Auch mich behandeln sie liebevoll.“ In diesem Tenor lauten die Briefe, die in üppigen Care-Paketen „Made in Switzerland“ an die vielköpfige Familie daheim in Russland stecken. Irina will eigentlich nur eines: Schweizer Bürgerin werden. Und dann die ganze Bagage nachholen in dieses Alpen-Paradies.

Durch den zwielichtigen Wirtschaftsanwalt Dr. Alfred Waldvogel und dessen Freundin, die Modeschöpferin Charlotte De, wird Irina an einen illustren Kundenkreis vermittelt. „Alle Schweizer“, so Waldvogel, „sind eine Gefahr für die Sicherheit der Schweiz“. Ziel der beiden Komplizen ist es, über Irina an geheime Unterlagen zu gelangen. Schließlich gehören zu ihren Liebhabern so bedeutsame Persönlichkeiten wie der Bankier Vetterli, der Nationalrat Tschanz und der ehemalige Bundesrat von Gunten.

Irina bezaubert die Herren aus Politik, Wirtschaft, Justiz und Militär mit ihrem Charme und ihrer Unvoreingenommenheit gegenüber den meist skurrilen Sex-Praktiken, die diese bevorzugen. Auch der Fernsehmoderator Bürki, der sich ihr zunächst aus rein professioneller Neugier des investigativen Journalisten näherte, verfällt Irina und will ihr helfen. Besonders ins Herz geschlossen hat sie der pensionierte General Sturzenegger (Martin Benrath in einer seiner letzten Rollen), der vor Jahren mit Gleichgesinnten eine Geheimarmee namens „Gruppe Cobra“ gegründet hat, die im Falle einer bedrohlichen Liberalisierung der Schweiz die Macht im Staat ergriffen hätte.

Jedes Mitglied der Gruppe hat eine Zielperson, die beim mittels „Beresina-Alarm“ ausgelösten Staatsstreich zu eliminieren wäre. Irinas schönster Liebesbeweis für den alten General ist immer wieder die Probe dieser Erschießung. Als Gegengabe zeigt ihr Sturzenegger die nationalen Heiligtümer der Schweiz – vom Tell-Mythos am Vierwaldstätter See bis hin zum unterirdischen Bunkersystem der eidgenössischen Alpenfestung.

Irina ist ganz vernarrt in dieses nicht nur moralisch saubere Land und beginnt, bedingungslos an die märchenhafte Alpenrepublik zu glauben. Um ihr großes Ziel, die Einbürgerung, den Schweizer Pass, zu erreichen, büffelt sie historische Daten, macht sich sogar im Landesmuseum kundig. Dort trifft sie auf eine Putzfrau, eine ehemalige Landsmännin, die, verheiratet mit einem Bahnbeamten, bereits den Pass mit dem weißen Kreuz auf rotem Grund besitzt. Und nicht gerade stolz darauf ist, wie sie Irina ausgerechnet in der im Museum nachgebauten Folterkammer erläutert: „Die wichtigste Abteilung, um die Schweiz kennenzulernen.“

Irina studiert sogar Schweizer Volkslieder ein, sehr zum Gefallen Sturzeneggers („Meine Schweizerin!“), der ihr – im zünftigen Dirndl – gar einen Auftritt im erlesenen Gästekreis verschafft. Doch ihre Zuhörer, darunter treue Stammkunden, verziehen sie Minen, fühlen sich ertappt und gestört. Wie auch wenig später, als Irina im tief dekolletierten Trachtenlook bei einer Vernissage auftaucht und von „unseren Alpen“ spricht.

„Familie und Heimat, das gibt dem Menschen Sicherheit. Ich habe eine gute Familie. Aber Heimat? Deshalb wechsle ich jetzt die Heimat“: Irina erhofft sich natürlich Unterstützung von ihrer einflussreichen Kundschaft. Doch nicht einer denkt auch nur daran, seine im Hormonrausch geäußerten Versprechungen einzulösen. Die Großfamilie daheim sitzt bereits auf gepackten Koffern, als Irina die Ausweisungsverfügung erreicht.

Irina erfährt zudem, dass ihr väterlicher Freund Sturzenegger seit über vierzig Jahren verheiratet ist. Aus dem ganzen Plan wird nichts werden, auch der letzte Rettungsanker hat sich in Luft aufgelöst. In verzweifelter Volltrunkenheit denkt sie sich eine Mafia-Verschwörung aus löst damit den „Beresina-Alarm“ aus. Die Mitglieder der „Gruppe Cobra“ holen die Waffen aus den Schränken...

Man muss die Ironie der beiden eidgenössischen Filmemacher Martin Suter und Daniel Schmid nicht lieben, aber man kann den Hut ziehen vor der Radikalität, mit der sie alle Schweiz-Klischees ad absurdum führen. „Beresina...“ ist weder ein Polit-Thriller noch eine abgefuckte Comedy nach Art der austriakischen Nestbeschmutzer, sondern eine aberwitzig-gallige Brutal-Satire, die zuweilen gar an die Nieren geht – und das zu den wunderschönsten Postkarten-Idyllen des Kameramannes Renato Berta. Uraufgeführt am 21. Mai 1999 in Cannes fand die Deutsche Erstaufführung im Januar 2000 beim Festival um den Max Ophüls Preis in Saarbrücken statt.

Pitt Herrmann

Credits

Drehbuch

Kamera

Schnitt

Musik

Darsteller

Produzent

Alle Credits

Drehbuch

Kamera

Kameraführung

Kostüme

Schnitt

Musik

Darsteller

Produzent

Produktionsleitung

Dreharbeiten

    • 31.08.1998 - 06.11.1998: Düsseldorf, Köln, Schweiz
Länge:
104 min bei 25 b/s
Format:
35mm, 1:1,85
Bild/Ton:
Eastmancolor, Dolby Digital
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 13.11.2000, 85418 [FSK-Prüfung (DVD)]

Aufführung:

Kinostart (DE): 03.08.2000;
TV-Erstsendung (DE): 09.06.2003, ZDF

Titel

  • Schreibvariante Beresina - oder Die letzten Tage der Schweiz
  • Originaltitel (CH DE AT) Beresina oder Die letzten Tage der Schweiz
  • Arbeitstitel Beresina

Fassungen

Original

Länge:
104 min bei 25 b/s
Format:
35mm, 1:1,85
Bild/Ton:
Eastmancolor, Dolby Digital
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 13.11.2000, 85418 [FSK-Prüfung (DVD)]

Aufführung:

Kinostart (DE): 03.08.2000;
TV-Erstsendung (DE): 09.06.2003, ZDF

Prüffassung

Länge:
2971 m, 108 min
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 28.07.2000, 85418, ab 12 Jahre / feiertagsfrei