Auf der Sonnenseite

DDR 1961/1962 Spielfilm

Inhalt

Der junge Stahlschmelzer Martin Hoff hat für alle sichtbar das Talent zum Schauspieler und Musiker. Er wird zum Schauspielstudium delegiert. Da er in seiner Überheblichkeit meint, schon alles zu können und weder Sprecherziehung noch Fechtunterricht zu brauchen, wird er kurzerhand vor die Tür gesetzt. Da begegnet ihm Ottilie, die ihn fasziniert. Er wettet mit seinen Exkommilitonen, wer es schaffen wird, sie zu erobern. Auf einer Baustelle, wo er inzwischen wieder arbeitet, steht sie ihm als Bauleiterin gegenüber. Doch Ottilie hat mit dem Draufgänger nichts im Sinn. Erst als Martin sich um Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit bemüht, kommt er ans Ziel seiner Wünsche. Er gewinnt Ottilie und schafft es auf die Bretter, die die Welt bedeuten.

 

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Heinz17herne
Heinz17herne
„Guten Abend“ spricht Manfred Krug unmittelbar in Hans Heinrichs Kamera. Der beliebte Schauspieler und (Jazz-) Sänger stellt sich seinem Publikum als Schmelzer in einem Stahlwerk vor, der in der Laienspieltruppe des Kombinats einen Schmelzer, also sich selbst, spielt. Eine pirandelleske Situation also, aber - noch - keine Komödie. Denn bei der Premiere kommt Martin Hoff, so der Rollen-Name Krugs, nicht zu Potte. Er ist immer noch mit der Anordnung der Requisiten beschäftigt und noch kein einziges Wort ist gefallen, als das Publikum unruhig wird und schließlich - bis auf den letzten Schläfer - den Saal verlässt. Eine Pleite, auf die der Ich-Erzähler Manfred Krug selbstironisch-gelassen reagiert, weiß er doch, wie's weitergeht.

Statt einen mittelschweren Skandal auszulösen, entscheidet die Betriebsleitung, diesen offenbaren Querkopf zur Bewährung auf die Schauspielschule nach Leipzig zu delegieren. Hoff entsteigt dem Zug am Hauptbahnhof samt Gitarre an einem wundervollen, heiteren Frühlingstag - und muss erst 'mal damit fertig werden, im Kreis der sich auf das Vorsprechen einstellenden potentiellen Kommilitonen weitaus der Älteste zu sein.

Seine arg steife Lessing-Rezitation geht ja noch an, aber bei der „Etüde“ genannten freien Improvisation zeigt sich, wie steinig der Weg zur Kunst ist: Hoff, bisher gewohnt, vom Vorarbeiter gesagt zu bekommen, wo's langgeht am Hochofen, nimmt die Hinweise des Schauspieldozenten allzu wörtlich. Was auch für den Fechtboden gilt, den Tanz und die Stimmübungen. Dem Arbeiter fehlt das Abstraktionsvermögen, einerseits. Andererseits offenbart er musikalische und organisatorische Fähigkeiten. Aber auch einen für die anderen Schauspielschüler gefährlichen, weil ansteckenden Übermut.

Zurück in die Produktion? Aber nicht ins Stahlwerk zu den alten Kollegen, vor denen er seine krachende Niederlage eingestehen müsste. Da läuft ihm sozusagen Ottilie Zinn über den Weg. Die toughe und dazu auch noch attraktive Bauleiterin auf einem Riesenprojekt janz weit draußen in Eulenhain, knallt dem zahnwehkranken Kombinatschef in Leipzig ihre Kündigung auf den Schreibtisch: Sie hat die Schnauze voll vom Macho-Gehabe ihrer Untergebenen und schon einen neuen, ruhigeren und sogar besser bezahlten Job in einem Ingenieursbüro der Messestadt in der Tasche.

Doch noch einmal lässt sie sich umstimmen: Sie sei nicht nur eine hervorragende Leiterin, sondern einfach unverzichtbar - jedenfalls bis ein Nachfolger gefunden wird. Abends in der Livemusik-Bar Oase sieht Hoff seine unbekannte Schöne wieder - ohne männliche Begleitung. Sogleich zieht er alle Register, setzt sich selbst ans Klavier, um Blues und Swing zu spielen und, in englischer Sprache, zu singen, tanzt mit Ottilie und erfährt nebenbei, wo sie arbeitet. Hat er bei ihr eine Chance? Es wird ein hartes Stück Arbeit - aber die Wette mit Matze Wind und einer Gruppe von Schauspielschülern um zehn Flaschen Rotkäppchen-Sekt gilt.

Auch im Zug nach Eulenhain avanciert Hoff, der ein angelsächsisches Antikriegslied nicht nur auf Deutsch und Englisch singen, sondern seinen begeisterten Zuhörerinnen auch noch erklären kann, gleich zum Mädchenschwarm. Sodass Jens Krüger auf ihn aufmerksam wird, der in Eulenhain beschäftigt ist - und Martin mit ins Personalbüro nimmt. Der landet in der Brigade von Schnepf, einem kleinen, leicht erregbaren Kerl, bei dem er einen schweren Stand hat. Zumal er jedem Rock hinterherspurtet in der Hoffnung, Ottilie zu begegnen. Dass es sich bei ihr um die Bauleiterin handelt, kann er schließlich nicht wissen.

Und so dauert es auch noch, bis sich beide auf der Geburtstagsfeier von Jens Krüger, dem Martin mit einem alten Arbeiterlied als Ständchen eine große Freude bereitet, wiedersehen. Und zusammenfinden trotz mancher Intrigen im eifersüchtigen Kollegenkreis und eigenmächtiger Initiativen wie der - letztlich erfolgreichen - Intervention bei den Leipziger Verkehrsbetrieben zur Fahrplananpassung des Busses an die Arbeitszeiten der Großbaustelle. Ottilie und Martin stehen gemeinsam auf der Bühne im Kulturhaus und Letzterer hinterlässt einen so starken Eindruck, dass er zum Vorsprechen ans Leipziger Theater eingeladen und als Eleve angenommen wird.

„Tschüss“ sagt ein in die Kamera lächelnder Manni Krug und „Das war's“ steht als Insert neben den beiden Theatermasken der Tragödie und Komödie im Defa-typischen kurzen Abspann dieser so locker und so selbstironisch daherkommenden Komödie wie kaum eine zweite aus Babelsberger Produktion. Obwohl in der unmittelbaren Nachkriegszeit in der Sowjetischen Besatzungszone von der mit Moskauer Lizenz ausgestatteten „Amiga“ zahlreiche Jazzplatten herausgebracht wurden und nicht nur im Osten der noch offenen Viermächtestadt begeisterte Abnehmer fanden, konnte sich aus ideologischen Gründen eine offizielle Jazzszene in der jungen DDR nicht heranbilden.

So mussten der Co-Autor Reginald Rudorf, Musikjournalist aus Leipzig, und die beiden Regisseure Wolfgang Bartsch und Peter Ulbrich für ein Projekt des Defa-Studios für populärwissenschaftliche Filme auf eine West-Berliner Jazzcombo, die „Spree City Stompers“ um den Posaunisten Hans-Wolf Schneider, zurückgreifen. Was 1955 zum Produktionsstopp führte, allerdings nur kurzzeitig. Als „Vom Lebensweg des Jazz“ am 31. August 1956 im Leipziger Kino Capitol uraufgeführt wird, sind die West-Berliner Musiker von der Leinwand verschwunden und aus dem Vorspann getilgt, immerhin aber noch zu hören. Auch sonst ist der um zwanzig Minuten gekürzte, mit neuem Off-Kommentar versehene Streifen kaum wiederzuerkennen. Vor diesem Hintergrund ist der Ort des Geschehens in „Auf der Sonnenseite“, Leipzig, und der Name der Band im Film, „Jazz-Optimisten“, auf subversive Art programmatisch zu nennen. Denn fünf Jahre zuvor war der Leipziger Reginald Rudorf noch wegen „Boykotthetze“ angeklagt und verurteilt worden!

Ermöglicht wurde diese neue künstlerische Freiheit durch eine bewusst herbeigeführte innenpolitische Entspannung im Zuge des Mauerbaus. 1962 gabs gleich fünf staatliche Auszeichnungen mit dem Heinrich-Greif-Preis I. Klasse für Gisela Steineckert, Heinz Kahlau, Ralf Kirsten, Hans Heinrich und Manfred Krug. Im gleichen Jahr wurde Gisela Steineckert mit dem Kunstpreis des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) ausgezeichnet. Die Erstausstrahlung erfolgte am 28. Dezember 1962 im Deutschen Fernsehfunk (DFF).

Pitt Herrmann

Credits

Regie

Kamera

Schnitt

Darsteller

Alle Credits

Regie

Regie-Assistenz

Dramaturgie

Kamera

Kamera-Assistenz

Standfotos

Bauten

Bau-Ausführung

Außenrequisite

Schnitt

Gesang

Produktionsleitung

Aufnahmeleitung

Länge:
2752 m, 101 min
Format:
35mm
Bild/Ton:
s/w, Ton
Aufführung:

Uraufführung (DD): 04.01.1962, Berlin, Babylon

Titel

  • Originaltitel (DD) Auf der Sonnenseite

Fassungen

Original

Länge:
2752 m, 101 min
Format:
35mm
Bild/Ton:
s/w, Ton
Aufführung:

Uraufführung (DD): 04.01.1962, Berlin, Babylon