Architecton

Deutschland Frankreich Großbritannien USA 2022-2024 Dokumentarfilm

Inhalt

Filmemacher Victor Kossakovskys epische, intime und poetische Meditation über Architektur befasst sich mit der Frage, inwiefern der Blick auf Konstruktion und Gestaltung alter Bauwerke einerseits zwar allgegenwärtige Zerstörung offenbart, andererseits aber auch Grund zur Hoffnung geben und einen Weg in die Zukunft zeigen kann.

Im Mittelpunkt steht ein landschaftsgärtnerisches Projekt des italienischen Architekten Michele De Lucchi. Kossakovsky nutzt den Kreis als Bild, um über Aufstieg und Fall von Zivilisationen nachzudenken. Eine bildgewaltige Reise führt von den Tempelruinen von Baalbek im Libanon aus dem ersten Jahrhundert n. Chr. bis zu zerstörten Städten in der Türkei nach jenem verheerenden Erdbeben der Stärke 7,8 Anfang 2023. Fels und Stein verbinden die verschiedenen Gesellschaften miteinander: fest in der Erde steckende, geisterhafte Monolithen genauso wie große Haufen von Betonschutt, die auf den Abtransport und die Wiederverwertung warten. Kossakovskys forschender Blick auf den Größenwahn des Menschen und seine prekäre Beziehung zur Natur wirft drängende Fragen auf: Wie bauen wir, und wie können wir besser bauen, bevor es zu spät ist?

Quelle: 74. Internationale Filmfestspiele Berlin (Katalog)

 

 

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Heinz17herne
Heinz17herne
Auf den Titel dieses in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlichen essayistischen Dokumentarfilms, klärt der in Berlin lebende russische Regisseur Viktor Kossakovsky im Presseheft auf, sei er nach der Lektüre von Tolstois Opus Magnum „Krieg und Frieden“ gekommen: Am Ende des 2000-seitigen Buches blickt die Hauptfigur zum Himmel und
sagt: „Großer Architecton der Natur, bitte hilf mir, aus diesem Labyrinth der Lügen herauszukommen.“ Mit Architecton ist hier der Architekt der Architekten gemeint.

Nach aktuellen Bildern eines durch russischen Beschuss in Trümmern liegenden Wohnblocks irgendwo in der Ukraine sehen wir einen Mann, es ist der italienische Architekt Michele De Lucchi, der im Tempelbezirk Baalbek im Libanon um einen Felsblock schreitet, den er immer wieder ehrfurchtsvoll berührt. Und sich schließlich in einer Bodenvertiefung meditativ an ihn lehnt. Der gigantische, ganz offenbar bearbeitete Stein gehört mit seinem Gewicht von eintausend Tonnen zu den größten von Menschen geschaffenen Megalithen, den kein Hightech-Kran unseres 21. Jahrhunderts zu bewegen in der Lage ist.

Unheilvolles Dräuen kündigt den gleich zu Beginn gesetzten visuellen Höhepunkt des Films an, den man sich auf der größtmöglichen Leinwand des Kinos seiner Wahl ansehen sollte: eine gewaltige Lawine aus Steinen und Geröll nach einer gezielten Sprengung in einem Steinbruch. Ben Bernhards Drohnen-Kamera fährt dicht an der Felswand entlang – und das Publikum wird beinahe erschlagen von diesem gesteuerten Murenabgang.

Alte Tempelanlagen im einstigen Zweistromland stehen neben Zeugnissen brutalistischer Beton-Architektur unserer Tage: es braucht keinen Voice-Over-Kommentar, die Bilder sprechen für sich. Und evozieren die Frage, was einmal von unserer gesichtslosen Architektur aus Beton, Stahl und Glas bleiben wird. Zumal schon heute Gebäude aus dem 3-D-Drucker entstehen. Was andererseits ein Hoffnungsschimmer ist für obdachlose Menschen nach dem 2023er Erdbeben in der Türkei oder dem verbrecherischen Angriffskrieg Putins auf die Ukraine.

Im Garten seiner Villa lässt Michele De Lucchi nicht nur zwei Mähroboter kreisen, sondern bei Regen und bald einsetzendem Schneefall von Arbeitern einen „Kreis des Lebens“ aus Steinen errichten. Ein Gegenstück zu den kunstlosen Wolkenkratzern, mit denen er seinen Lebensunterhalt bestreitet. Wohl wissend, dass die Ressourcen der Welt begrenzt sind und ein Umdenken der Menschen erforderlich ist. Der Italiener kritisiert vor allem den Einsatz eines Werkstoffes: Die aus Beton gegossene Architektur ist aus seiner Sicht nicht nur hässlich und umweltverschmutzend, ihre Lebensdauer beträgt im Durchschnitt nicht mehr als 40 Jahre. Antike Ruinen in den abgelegensten Gebieten der Welt erinnern dagegen an eine Stabilität und Ästhetik des Lebens, die für De Lucchi verloren scheint.

Victor Kossakovskys „Architecton“ ist ein intensiver Dokumentarfilm von geradezu hypnotischer Kraft über den Traum nachhaltiger Architektur und die Suche nach einem neuen Verständnis von Schönheit jenseits der heute üblichen, austauschbaren Betonarchitektur. Der Regisseur im Neue Visionen-Presseheft: „Wir leben in der Zeit der Langweile. Wenn man sich umschaut, besteht alles nur aus flachen Rechtecken. Man muss nicht Architektur oder Schönheit studiert haben, um diese Rechtecke zu bauen. Wir akzeptieren diese Hässlichkeit, aber sie zerstört unsere Herzen, unsere Seelen. Jeden Morgen wache ich auf und sehe ein hässliches Gebäude vor mir. Wenn ich aufwache und ein schönes Gebäude sehe, dann bin ich glücklich.“

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Kamera

Farbkorrektur

Ton-Design

Mischung

Mitwirkung

Produzent

Produktionsleitung

Produktions-Assistenz

Länge:
102 min
Format:
DCP
Bild/Ton:
Farbe, Ton
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 03.06.2024, 257825, ohne Altersbeschränkung / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (DE): 19.02.2024, Berlin, IFF - Wettbewerb;
Kinostart (DE): 03.10.2024

Titel

  • Originaltitel (DE) Architecton

Fassungen

Original

Länge:
102 min
Format:
DCP
Bild/Ton:
Farbe, Ton
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 03.06.2024, 257825, ohne Altersbeschränkung / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (DE): 19.02.2024, Berlin, IFF - Wettbewerb;
Kinostart (DE): 03.10.2024