Summary
From filmmaker Victor Kossakovsky comes an epic, intimate and poetic meditation on architecture and how the design and construction of buildings from the ancient past reveal our destruction – and offer hope for survival and a way forward.
Centering on a landscape project by the Italian architect Michele De Lucchi, Kossakovsky uses the circle to reflect on the rise and fall of civilisations, capturing breathtaking imagery from the temple ruins of Baalbek in Lebanon, dating back to AD 60, to the recent destruction of cities in Turkey following a 7.8 magnitude earthquake in early 2023. Rocks and stone connect the disparate societies, from ghostly monoliths stuck in the earth to tragic heaps of concrete rubble waiting to be hauled off and repurposed anew. Through Kossakovsky’s inquisitive lens, the grandeur and folly of humanity and its precarious relationship with nature posits the urgent question: How do we build, and how can we build better, before it’s too late?
Source: 74. Internationale Filmfestspiele Berlin (Catalogue)
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sagt: „Großer Architecton der Natur, bitte hilf mir, aus diesem Labyrinth der Lügen herauszukommen.“ Mit Architecton ist hier der Architekt der Architekten gemeint.
Nach aktuellen Bildern eines durch russischen Beschuss in Trümmern liegenden Wohnblocks irgendwo in der Ukraine sehen wir einen Mann, es ist der italienische Architekt Michele De Lucchi, der im Tempelbezirk Baalbek im Libanon um einen Felsblock schreitet, den er immer wieder ehrfurchtsvoll berührt. Und sich schließlich in einer Bodenvertiefung meditativ an ihn lehnt. Der gigantische, ganz offenbar bearbeitete Stein gehört mit seinem Gewicht von eintausend Tonnen zu den größten von Menschen geschaffenen Megalithen, den kein Hightech-Kran unseres 21. Jahrhunderts zu bewegen in der Lage ist.
Unheilvolles Dräuen kündigt den gleich zu Beginn gesetzten visuellen Höhepunkt des Films an, den man sich auf der größtmöglichen Leinwand des Kinos seiner Wahl ansehen sollte: eine gewaltige Lawine aus Steinen und Geröll nach einer gezielten Sprengung in einem Steinbruch. Ben Bernhards Drohnen-Kamera fährt dicht an der Felswand entlang – und das Publikum wird beinahe erschlagen von diesem gesteuerten Murenabgang.
Alte Tempelanlagen im einstigen Zweistromland stehen neben Zeugnissen brutalistischer Beton-Architektur unserer Tage: es braucht keinen Voice-Over-Kommentar, die Bilder sprechen für sich. Und evozieren die Frage, was einmal von unserer gesichtslosen Architektur aus Beton, Stahl und Glas bleiben wird. Zumal schon heute Gebäude aus dem 3-D-Drucker entstehen. Was andererseits ein Hoffnungsschimmer ist für obdachlose Menschen nach dem 2023er Erdbeben in der Türkei oder dem verbrecherischen Angriffskrieg Putins auf die Ukraine.
Im Garten seiner Villa lässt Michele De Lucchi nicht nur zwei Mähroboter kreisen, sondern bei Regen und bald einsetzendem Schneefall von Arbeitern einen „Kreis des Lebens“ aus Steinen errichten. Ein Gegenstück zu den kunstlosen Wolkenkratzern, mit denen er seinen Lebensunterhalt bestreitet. Wohl wissend, dass die Ressourcen der Welt begrenzt sind und ein Umdenken der Menschen erforderlich ist. Der Italiener kritisiert vor allem den Einsatz eines Werkstoffes: Die aus Beton gegossene Architektur ist aus seiner Sicht nicht nur hässlich und umweltverschmutzend, ihre Lebensdauer beträgt im Durchschnitt nicht mehr als 40 Jahre. Antike Ruinen in den abgelegensten Gebieten der Welt erinnern dagegen an eine Stabilität und Ästhetik des Lebens, die für De Lucchi verloren scheint.
Victor Kossakovskys „Architecton“ ist ein intensiver Dokumentarfilm von geradezu hypnotischer Kraft über den Traum nachhaltiger Architektur und die Suche nach einem neuen Verständnis von Schönheit jenseits der heute üblichen, austauschbaren Betonarchitektur. Der Regisseur im Neue Visionen-Presseheft: „Wir leben in der Zeit der Langweile. Wenn man sich umschaut, besteht alles nur aus flachen Rechtecken. Man muss nicht Architektur oder Schönheit studiert haben, um diese Rechtecke zu bauen. Wir akzeptieren diese Hässlichkeit, aber sie zerstört unsere Herzen, unsere Seelen. Jeden Morgen wache ich auf und sehe ein hässliches Gebäude vor mir. Wenn ich aufwache und ein schönes Gebäude sehe, dann bin ich glücklich.“
Pitt Herrmann