Sophie Scholl - Die letzten Tage

Deutschland 2004 Spielfilm

Wieder stirbt die Hoffnung zuletzt

Ein neuer Film über das Leben einer berühmten Kämpferin: "Sophie Scholl – die letzten Tage" von Marc Rothemund



Katharina Dockhorn, filmecho/filmwoche, Nr. 40, 02.10.2004


Nach einem Buch von Fred Breinersdorfer drehte Marc Rothemund vom 12. Juni bis 20. Juli in München "Sophie Scholl – die letzten Tage". Martin Langer stand hinter der Kamera. Die Produzenten sind Christoph Müller und Sven Burgemeister von Goldkind Film, Broth Film in Koproduktion mit Bettina Reitz, stellvertretend für den BR, SWR und Arte, ist mit Julia Jentsch, Fabian Hinrichs, Johanna Gastdorf und André Hennicke prominent besetzt. FFF, FFA und BKM haben den knapp drei Millionen Euro teuren Film gefördert.

Die Münchner Universität, das Justizgebäude, der Lichthof und die Franz-Josef-Straße 13, in der die Scholls wohnten, erhielten für die Dreharbeiten wieder das Aussehen der 40er Jahre des 20. Jahrhunderts. Andere Originalschauplätze gibt es heute nicht mehr und so ließ die Produktion sie in den Bavaria-Studios bauen. Der Kleine Saal des Münchner Rathauses wurde zum Gerichtssaal umgebaut, denn der Raum, in dem die Geschwister und ihre Mitstreiter verurteilt worden sind, wurde bei Bombenangriffen auf München zerstört.

Die Originalschauplätze waren für Marc Rothemund ein "Rückhalt" bei der Inszenierung seines ersten Kinodramas. Dass der ehemalige Assistent von Dominik Graf, Bernd Eichinger und Helmut Dietl, der mit Komödien wie "Das merkwürdige Verhalten geschlechtsreifer Großstädter zur Paarungszeit" seinen Kinoeinstand gab, auch diese Klaviatur beherrscht, bewies er mit dem mehrfach ausgezeichneten Fernsehfilm "Die Hoffnung stirbt zuletzt". Für den 2002 für den NDR gedrehten Film hatte er ebenfalls mit Breinersdorfer zusammengearbeitet. Der gestandene Autor, der bislang zahlreiche Vorlagen für das Fernsehen geliefert hat, gibt mit der Geschichte der fünf letzten Tage im Leben von Sophie Scholl sein Kinodebüt.

Rothemund hat Breinersdorfer von der Idee überzeugt. Der Autor zögerte zunächst, weil er an die Filme von Verhoeven und Adlon dachte. Erst als Rothemund ihm deutlich machte, dass man dem Thema völlig neue Aspekte abgewinnen konnte, setzte sich Breinersdorfer ans Buch. Während frühere Filme die Entwicklung Scholls vom BDM-Mädel zur antifaschistischen Widerstandskämpferin nachzeichnen oder ihre letzten fünf Tage aus der Sicht ihrer Mitinhaftierten schildern, wird dieser Film konsequent aus ihrer Sicht erzählt.

Sophie Scholls Motivation zum Widerstand und zur Gründung der "Weißen Rose", die sich vor allem aus ihrer Empörung über die Sinnlosigkeit des Krieges, die Euthanasie und den Holocaust ergab, wird über Textcollagen unaufdringlich eingeflochten. "Vor allem wird die Frage nach dem Warum mit der Wahrhaftigkeit der Figur beantwortet. Sophie Scholl war bis zu ihrem frühen Tod eine junge Frau mit schüchternem Charme, die eine schöngeistige Erziehung genossen hatte und immer gegen Unrecht aufgestanden ist", denkt Breinersdorfer.

Im Vordergrund stand, wie das Wechselbad der Gefühle einer jungen Frau für ein Publikum nachvollziehbar gemacht werden kann – ein Publikum, dass die Zeit nicht miterlebt hat. "Wir wollten sehr emotional erzählen und nahe an den Figuren bleiben", beschreibt Breinersdorfer die Konzeption. "Und wir werden immer zeigen, welche Hoffnungen Sophie Scholl hatte. Dass sie am Ende ihres Lebens den Wunsch hatte, dass ihre Idee weiterlebt, hat sich auch erfüllt."

Diese Staffelung der Hoffnungspunkte als roter Faden wurde dramaturgisch so aufgefangen, dass der Zuschauer unmerklich geführt wird. Getragen wird der Film von Julia Jentsch, von der alle Beteiligten sofort begeistert waren und die sich unter mehreren Kandidatinnen beim Casting durchsetzte. Da keine Tondokumente von Scholl existieren, musste Jentsch sich ihren Duktus alleine erarbeiten. Sechs Wochen hat sie beispielsweise die Handschrift geübt, um wie sie zu schreiben.

Von Kostüm- und Maskenbildnern wurden alle Fotos studiert, die von Sophie Scholl blieben. Neben den bekannten Bildern mit der strengen Haarspange sind Aufnahmen überliefert, die von ihrem Bruder Werner gemacht wurden und auf denen sie lockerer wirkt. "Julia wirkt im Film so, dass es auch eine junge Studentin von heute sein könnte. Dieser Effekt war auch beabsichtigt, denn Sophie Scholl sollte Vorbild sein, was Mut und Zivilcourage angeht", denkt Müller. "Außerdem war ihr Widerstand absolut gewaltfrei. Die kleine Gruppe demonstrierte, welche Macht Worte haben können." Auf der anderen Seite steht zunächst der Ermittlungsbeamte Robert Mohr (Alexander Held), dessen Persönlichkeit durch Gespräche mit dessen Sohn ein differenziertes Profil bekam. Er versuchte die Studentin, die zunächst leugnete und dann alle Schuld auf sich nahm, um ihren Bruder Hans (Fabian Hinrichs) und den Freund Christoph Probst (Florian Stetter) vor dem Schafott zu bewahren, eine Brücke zur Rettung des eigenen Lebens zu bauen. Dies lehnte sie ab und wurde in einem Schauprozess vom berüchtigten Roland Freisler (André Hennicke) verurteilt. Es ergab sich ein spannendes Wortduell, das den Vernehmungsprotokollen nachempfunden wurde, die bislang in Archiven der DDR aufbewahrt wurden und für Filme vor 1989 nicht zugänglich waren.

Hinter dem schreienden Juristen suchten die Filmemacher feine Nuancen und einen Grund für sein Auftreten. Etwa die Angst Freislers, der nie gedient hatte, vor Hans Scholl, der an der Ostfront war. "Mit den Figuren von Mohr und Freisler wollten wir auch die zwei unterschiedliche Typen von Protagonisten des Systems zeigen: Den einen, der sich bedingungslos in dessen Dienst gestellt hat, und der andere, der sich ein Rest von Menschlichkeit bewahrt hat."

Gedreht wurde möglichst chronologisch, um den Schauspielern das Eintauchen in die Gefühlswelt der Charaktere zu erleichtern. Hinter der Kamera stand Martin Langer, der mit Rothemund schon "Die Hoffnung stirbt zuletzt" gemacht hatte. "Er steht für sehr präzise, authentische und atmosphärische Bilder. Oft ist die Kamera auch suggestiv – bei Sophies Geständnis schleicht sie langsam auf sie zu", erläutert Müller das Konzept.

Momentan sitzt Rothemund mit Hans Funck im Schnitt. X Verleih wird den Film voraussichtlich im Frühjahr 2005 ins Kino bringen.

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